Gerät im Praxistets Fairphone 3+ - an diesem Smartphone kann herumgeschraubt werden
Düsseldorf · Auch bei Fairphone ist es inzwischen Tradition, im Spätsommer ein neues Smartphone vorzustellen. Wie jüngst das Fairphone 3+. Auch Besitzer des Vorgängers profitieren. Sie können neue Module in ihr altes Gerät einbauen.
Weltweit besitzen rund 3,5 Milliarden Menschen ein Smartphone. Im Schnitt nutzen sie ihr Gerät rund zweieinhalb Jahre lang, dann wird ein neues Modell fällig. Fairphone stellt sich diesem Trend entgegen und setzt auf Nachhaltigkeit. Das niederländische Unternehmen will, dass seine Kunden ihr Smartphone möglichst lange behalten, bei Bedarf reparieren und wichtige Komponenten mit verbesserten Modulen austauschen.
Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass Fairphone parallel zur Präsentation des neuesten Modells auch ein Konzept vorgestellt hat, wie Bestandskunden von den Neuerungen profitieren können. Das neue Fairphone 3+ entspricht nämlich in weiten Teilen dem Vorgängermodell. Es wurden aber Kamera-Module und das Audio-System verbessert, was sich im Praxistest auch bemerkbar macht.
Die verbesserten Module stecken nicht nur im neuen Modell. Besitzer und Besitzerinnen des Fairphone 3 können sie nachkaufen und selbst einsetzen, da die dritte Fairphone-Generation modular aufgebaut ist. Der notwendige Schraubendreher gehört zum Lieferumfang - nicht nur als politisches Symbol, sondern als Werkzeug für die Praxis.
Kunststoff dominiert
Andere Smartphone-Hersteller bauen ihre Smartphones mit Metall oder Glas. Damit kann Fairphone nicht protzen. Das Gehäuse des 3+ wirkt etwas klobig, hinterlässt dabei aber einen äußerst stabilen Eindruck. Der Kunststoff ist leichter zu verarbeiten als etwa Aluminium.
Er verschlingt auch weniger Energie und Rohstoffe, zumal er zur Hälfte aus recyceltem Plastik besteht. Die Rückseite des Fairphone-Gehäuses lässt sich ohne Werkzeug abnehmen, um an sieben Module heranzukommen, die man selbst austauschen kann. Diese sind übersichtlich beschriftet, so dass auch Laien nicht überfordert sind.
Das 3+ verfügt wie das 3er-Modell über ein 5,65 Zoll großes Full-HD-Display mit LCD-Technik, das eine ordentliche Qualität bietet, auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Technisches Zentrum bildet ein Prozessor mit acht Kernen, der Snapdragon 632 von Qualcomm. Die Android-Oberfläche wird damit flüssig dargestellt, bei Apps mit anspruchsvoller Grafik oder intensivem Multitasking zeigt sich der Mittelklasse-Chip aber tendenziell überfordert.
Erweiterbarer Speicher
Fairphone stattet das Gerät mit vier Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher aus. Der Datenspeicher von 64 GB kann mit einer Micro-SD-Karte erweitert werden. Nichts geändert haben die Niederländer auch beim Akku, der über eine Kapazität von 3060 Milliamperestunden verfügt und das Fairphone 3+ acht Stunden unter Volllast durchhalten lässt.
Bei weniger intensiver Nutzung muss das Gerät nach zwei Tagen wieder an die Steckdose. Ein Netzteil für das Fairphone liegt übrigens nicht in der Schachtel - nur das USB-C-Kabel für herkömmliche USB-Netzteile, die vermutlich in jedem Haushalt mehrfach vorhanden sind.
Im Praxistest bemerkt man sofort, dass Fairphone die Auflösung der
Hauptkamera von 12 auf 48 Megapixel (MP) erhöht hat. Damit werden nicht mehr so viele Bilddetails wegkomprimiert wie beim Vorgängermodell. Bei ausreichend Licht gefallen die Bildergebnisse sehr gut, auch wenn die Aufnahmen in manchen Belichtungssituationen einen leichten Blaustich haben. Wer die Farbtemperatur etwas wärmer haben möchte, müsste das mit einer Bearbeitungs-App korrigieren.
Objektverfolgung und Szenenoptimierung
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger unterstützt das Fairphone 3+ die Objektverfolgung und Szenenoptimierung. Auch wenn es keinen optischen Zoom gibt, ist sein digitaler Zoom gut genug. Der Porträtmodus ist ebenfalls nicht schlecht, genügend Licht für die Szene vorausgesetzt.
Bei weniger Licht hat das neue Fairphone dagegen etwas Mühe, auf das Motiv zu fokussieren, das auf dem Display ausgewählt wurde. Die Kamera zaubert bei Kerzenschein auch nicht so viele Details auf das Bild wie aktuelle Spitzenmodelle von Huawei oder Samsung, die allerdings auch viel teurer sind. Beruhigend ist jedenfalls die Aussicht, dass man mit dem Fairphone per Modultausch von weiteren Verbesserungen der kommenden Jahre profitieren kann.
Benutzer eines Fairphone 3 können das schon erleben: Für knapp 60 Euro erhalten sie die neue Hauptkamera. Die neue Selfiekamera, die in der Auflösung von 8 auf 16 MP verdoppelt wurde, kann für knapp 35 Euro nachgerüstet werden. Tauscht man beide Module zugleich, liegen die Kosten bei 70 Euro, Fairphone räumt also 25 Euro Rabatt ein. Die neuen Kameras benötigen die neueste Android-Version 10. Gut, dass das Udpate von Android 9 auf 10 mit dem Fairphone 3 problemlos klappt.
Fairness entlang der Lieferkette
Die Software-Politik bekräftigt den Ansatz von Fairphone, ein nachhaltiges Smartphone anzubieten, das nicht nach zwei oder drei Jahren obsolet ist und wieder durch ein Neugerät ersetzt werden muss. Außerdem versucht das niederländische Unternehmen, das die meisten Kunden in Deutschland hat, möglichst viele Bauteile seiner
Smartphones umweltfreundlich und fair entlang der gesamten Lieferkette zu beschaffen.
Auch bei der Produktion in China verspricht die Firma faire Arbeitsbedingungen. Das Gerät ist wie seine Vorgänger leicht reparierbar, der Akku ist von den Anwendern selbst austauschbar. Dafür fällt das Fairphone 3+ etwas größer und schwerer aus und ist technisch gesehen nicht ganz auf dem Niveau anderer Mittelklasse-Smartphone. Besonders der nicht ganz taufrische Prozessor limitiert die Zukunftsfähigkeit ein wenig. Das Fairphone 3+ kostet 469 Euro und kommt mit zwei Jahren Garantie.