Smartphones Wie die Rechner unsere Hosentaschen eroberten

Düsseldorf · Ein halbes Kilogramm schwer, 23 Zentimeter lang, ein Megabyte Arbeitsspeicher – der Urvater des Smartphones war ein Klotz. Vor 22 Jahren kam der "Simon Personal Communicator" von IBM auf den Markt. Ein Verkaufsschlager war er nicht. Dafür aber ein Denkantoß für die Mobilfunkindustrie.

Im Internet surfen war mit "Simon" noch nicht möglich.

Im Internet surfen war mit "Simon" noch nicht möglich.

Foto: Bcos47/Wikimedia

Ein halbes Kilogramm schwer, 23 Zentimeter lang, ein Megabyte Arbeitsspeicher — der Urvater des Smartphones war ein Klotz. Vor 22 Jahren kam der "Simon Personal Communicator" von IBM auf den Markt. Ein Verkaufsschlager war er nicht. Dafür aber ein Denkantoß für die Mobilfunkindustrie.

Am 16. August 1994 kam die Kombination aus Mobiltelefon und tragbarem Computer (PDA) auf den deutschen Markt. Das noch sehr kontrastarme Display konnte mit einem sogennanten Stylus bedient werden. Mit "Simon" konnte man Faxe verschicken und empfangen, E-Mails senden und natürlich: telefonieren.

Im Telefon-Modus hielt der Bolide, der von Mitsubishi gefertigt wurde, maximal eine Stunde durch. Immerhin: Von IBM gab es direkt einen zweiten Nickel-Cadmium-Akku zum Wechseln dazu. Der 16-Megaherz-Prozessor galt ebenso wie der ein Megabyte große Festspeicher als technische Meisterleistung.

Apps gab es noch nicht. Dafür ermöglichte das MS-DOS-kompatible "ROM-DOS" von Datalight aber kleine Zusatzprogramme, die entweder per Download oder über die Speicherkarte hinzugefügt wurden. So konnte "Simon" auch mit Kalender, Rechner oder Notizbuch ausgestattet werden.

Das erste Smartphone der Geschichte ist aus heutiger Sicht eine Zumutung. Es war wuchtig (bei ausgeklappter Antenne 21,5 Zentimeter lang, 6,7 Zentimeter breit und mehr als drei Zentimeter dick), dazu wog es knapp 400 Gramm — immerhin leichter als "Simon".

Angesichts solcher Eckdaten war es gar nicht so abwegig, das Gerät eher zur Abwehr von Angreifern einzusetzen denn als Kommunikationsmittel. Der aufklappbare Nokia 9000 Communicator, von seinen Nutzern liebevoll und völlig zu Recht "Knochen" genannt, kam am 15. August 1996 in den Handel.

Der Nokia Communicator 9000 kam einem Smartphone schon deutlich näher.

Der Nokia Communicator 9000 kam einem Smartphone schon deutlich näher.

Foto: dpa, lof gfh

Mit dem aus heutiger Sicht lachhaften Speicherplatz von acht Megabyte — erweitern ließ sich dieser im Übrigen nicht — könnte man heute gerade einmal vier ordentlich aufgelöste Fotos abspeichern.

Zum Vergleich: Das derzeit größte iPhone 6s fasst das 16.000-Fache an Datenvolumen. Das Display des "Knochens" war monochrom und ähnelte mit seiner schwarzen Schrift vor grünlichem Hintergrund dem, was vor allem Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits von ihren Game Boys aus dem Hause Nintendo gewohnt waren.

Doch auf Kinder zielte das finnische Edel-Produkt mit einem Preis von rund 3000 Mark wahrlich nicht ab. Der Nokia 9000 Communicator war als Geschäfts-Handy konzipiert — als "Büro im Taschenformat", als kleiner Laptop-Ersatz. Die blauen Knöpfe am oberen Ende der Tastatur deuteten schon an, wohin die Reise ging: Neben Telefon und SMS besaß das Gerät eine Fax-Funktion und - für das gerade sieben Jahre alte Datennetz schon revolutionär — eine Extra-Taste "Internet".

Vor allem der finnische Hersteller hatte erkannt, welches Potenzial in den Büro-Helfern für die Westentasche steckte. Während sich Anbieter wie IBM schnell wieder vom Markt verabschiedeten, blieb Nokia bei der Stange und brachte immer raffiniertere Folgemodelle auf den Markt.

Zeitgleich nahm die Verbreitung von Mobiltelefonen zu: Zehn Jahre nach dem Start des Communicators gab es in Deutschland schon mehr Mobilfunkverträge als Menschen.

Für den echten Boom der Smartphones sorgten am Ende nicht die Entwickler aus dem finnischen Espoo, sondern ein wiedererstarkter Computerkonzern aus dem kalifornischen Cupertino: Steve Jobs verkündete am 9. Januar 2007 auf der Mac World, Apple werde drei revolutionäre Produkte einführen: einen Breitbild-iPod mit Touchsteuerung, ein revolutionäres Mobiltelefon und einen Internet-Kommunikator. Nach einer Kunstpause fügte er schmunzelnd hinzu: "Sie verstehen? Es sind nicht drei Geräte, es ist eines." Der Saal tobte. Jobs hatte gerade der Welt das iPhone offenbart.

Und der Apple-Chef verkniff sich bei dem denkwürdigen Auftritt auch nicht einen Seitenhieb auf die Konkurrenz und ätzte über deren "sogenannte Smartphones mit ihren kleinen Plastik-Keybords". Tatsächlich revolutionierte Apple mit dem iPhone-Touchpad die Art, wie Smartphones bedient werden, nachhaltig. Es wandelte das Produkt vom reinen Geschäfts-Handy zum Statussymbol. Das iPhone schlug ein wie eine Bombe.

Nokia, Motorola und Blackberry wurden von der iPhone-Ankündigung kalt erwischt. Nur Google mit seinem damaligen Chef Eric Schmidt war gut vorbereitet. Schmidt saß seit 2006 auch im Verwaltungsrat von Apple und hatte wohl mitbekommen, in welche Richtung sich der Zukunftstrend im Mobilfunk bewegen wird.

Ab diesem Zeitpunkt war es ein Wettkampf zwischen den Betriebssystemen: auf der einen Seite Apples iOS, auf der anderen Googles Android. Weil letzteres System offener konzipiert war als Apples geschlossene Welt, hatte Google schon bald die Nase vorn.

Hauptprofiteur war die Marke Samsung, die großflächig auf Android gesetzt hatte. Schon 2012 lösten die Südkoreaner Nokia als weltgrößter Mobilfunkhersteller ab. Es war der Startschuss für den Niedergang der Weltmarke aus Finnland. Microsoft verleibte sich im Frühjahr 2014 die Nokia-Smartphone-Sparte ein - und wickelte dieses später vollends ab.

Smartphones boomen 20 Jahre nach dem Start des Nokia 9000 Communicators. Dank günstiger Daten-Verträge ist ihre Verbreitung enorm.

Inzwischen besitzen 95 Prozent der 16- bis 19-Jährigen ein solches Gerät, in den Altersgruppen darunter sind es unwesentlich weniger: Bei den 14- bis 15-Jährigen sind es 93 Prozent, bei den Zwölf- bis 13-Jährigen noch 86 Prozent. Schüler chatten bei WhatsApp, verfassen Mini-Filme bei Snapchat oder jagen Pokémons auf der Straße.

20 Jahre nach der Smartphone-Geburt hat sich der Trend damit umgekehrt: Aus der teuren Business-Gerätschaft ist am Ende doch wieder ein Game Boy geworden.

Hier gibt es eine Übersicht über neue Trends aus der Smartphone-Welt.

(maxi)
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