Volle Züge, günstigere Preise Ein Monat Neun-Euro-Ticket – das berichten Zugreisende
Meinung | Düsseldorf · Das Neun-Euro-Ticket hat sich millionenfach verkauft, die Probleme des ÖPNV in Deutschland hat es aber nicht gelöst, sagt unser Autor. Er testet für den Podcast „Trip-Tipps für 9“ die schönsten Strecken und hat mit Nahverkehrs-Kunden über ihre Erfahrungen mit dem Ticket gesprochen.
Die Regeln sind einfach: Jeder kann es kaufen und für neun Euro im Monat dann jeden Zug und jeden Bus aus dem Nahverkehrsangebot in ganz Deutschland nutzen. Ich selbst bin eifriger Nutzer des Neun-Euro-Tickets. Seit einigen Wochen teste ich für den RP-Podcast „Trip-Tipps für 9“, welche Ausflüge sich wirklich lohnen. Ich war auf Sylt, in Boppard am Rhein, in Hamburg und in Bamberg. Man kann also sagen: Ich bin ganz gut rumgekommen. Und ich bin Fan des Neun-Euro-Tickets.
Häufig bin ich genauso schnell wie mit dem ICE zu einem Bruchteil des Preises ans Ziel gekommen. In der Woche sind die Züge oft nicht voller als vor dem Aktionsticket. Ich bin einige Strecken zurück mit dem ICE gefahren, weil ich schneller wieder Zuhause sein wollte. Beide Male hatte der ICE Verspätung und ich wäre mit dem Regionalverkehr schneller gewesen.
Der Nahverkehr hat einen großen Pluspunkt. Er ist in einigen Regionen flexibler. Wenn die Strecke nach Düsseldorf blockiert ist, fahre ich über Köln. Das frisst manchmal Zeit, ist aber besser als absoluter Stillstand in der Lüneburger Heide. Und wenn mit dem Nahverkehr kein Weiterkommen mehr ist, kann man unter Umständen auch den ICE nehmen.
Einige Pendler steigen in diesen Tagen auch mal wieder aufs Auto um, um die vollen Züge zu vermeiden. Gerade jetzt in den Ferien sind die Straßen natürlich auch deutlich leerer. Am 1. Juni war noch nicht ganz so viel in den Zügen los, aber die erste Belastungsprobe kam wenige Tage später. Am Freitag vor Pfingsten waren nicht nur die Züge, sondern auch die Bahnsteige voll. Die Verkehrsunternehmen kamen an ihre Kapazitätsgrenzen. Vor allem die beliebten Strecken an die Küsten und am Rhein entlang waren überlastet. An den Wochenenden und an Fronleichnam ein ähnliches Bild – und viel Spott für die Bahn.
Sinn des Tickets ist eine Entlastung für Pendler. Statt teuer zu tanken, soll man mit dem Zug oder dem Bus zur Arbeit fahren. Ein Nebeneffekt könnte sein, dass mehr Menschen ihr Herz fürs Bahnfahren entdecken. Kann das funktionieren? Ich habe bei den Nutzerinnen und Nutzern unserer Facebookseite RP Online nachgefragt.
RP-Leserin Cornelia Hegmanns-Lehsau aus Düsseldorf genießt das Ticket regelrecht. Sie lässt das Auto stehen und genießt es, „in Düsseldorf rumkutschiert zu werden“ und das für neun Euro im Monat. Sie sieht alles positiv, wie sie sagt.
Auch Andreas Meyer kann nur positives berichten. Er hat sich ein Ziel ausgesucht und sagt im Nachgang: „Mein schönstes Ferienerlebnis!“ Er ist in die Bahn eingestiegen und war ohne Probleme schnell am Ziel.
Natürlich gibt es auch die Horror-Bahngeschichten. Eine Leserin möchte nicht mit Namen genannt werden, ihre Geschichte können wir aber erzählen: Sie ist von Hamburg zurück nach Düsseldorf gefahren. Drei Züge fielen hintereinander aus, dann stand sie auf einem völlig überfüllten Bahnsteig im Norden. Ein Mietwagen war dann schließlich die einzige Möglichkeit, in einer angemessenen Zeit wieder nach Hause zu kommen.
RP-Leserin Jenny Franz nerven manchmal die vollen Züge am Morgen, aber sie findet es völlig in Ordnung, wenn viele das günstige Angebot nutzen. Sie kritisiert die Bahn, die doch mehr Züge hätte einsetzen können. Denn das viele mit dem Neun-Euro-Ticket fahren werden, sei keine Überraschung. Sie sieht sogar eine verpasste Chance für die Bahn. Bei einem entsprechenden Angebot hätte man viele neue Bahnfans akquirieren können.
Gerade auf den stark genutzten Touristenrouten, wie der Rheinlinie zwischen Mönchengladbach und Koblenz mit Weiterfahrt bis Frankfurt, wünschen sich viele Gäste ein besseres Angebot. Auch ich habe hier schon einmal eine Dreiviertelstunde im Gang gestanden. Dass das nicht die Regel ist, hat ein RP-Leser aus dem Rheinland erlebt. Er war mit dem Fahrrad Richtung Koblenz unterwegs und hatte nie Platzprobleme.
Zwei Monate haben wir noch Zeit, den Nahverkehr für neun Euro zu nutzen. Und ich male nicht schwarz, wenn ich sage, dass da auch noch die ein oder andere unschöne Geschichte dazu kommt. RP-Leser Claus Heilemann sieht es trotzdem positiv. Er sagt: „Normalerweise zahlt man schon für eine Strecke von Stadt zu Stadt mit unterschiedlichen Verkehrsverbünden mindestens neun Euro. Wir Pendler werden hier wirklich entlastet!“ Und diese Rechnung vor Augen, macht viele Situationen in der Bahn schon nur noch halb so schlimm.