Neues Tablet im Handel Test: Apples iPad Pro 12,9 kann nicht ganz überzeugen

Düsseldorf · Die Ankündigung zum neuen iPad Pro von Apple war großmundig: Das Tablet werde PCs und vor allen Notebooks überflüssig machen. Eine Aussage von Tim Cook, die einer Überprüfung bedarf. Unser Test zeigt: Das iPad Pro kann dieses Versprechen nicht halten.

Test: Apple iPad Pro - kein echter Notebook-Ersatz
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Test: Apple iPad Pro 12,9 - kein vollständiger Notebook-Ersatz

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"Warum sollte man sich noch einen PC kaufen?" Wenn Apple-Boss Tim Cook, immerhin auch Chef des viertgrößten PC-Herstellers der Welt, die Zukunft des Personal Computers infragestellt, hören nicht nur Finanzanalysten genau hin.

Diese Frage stellen sich auch viele Verbraucher - gerade vor Weihnachten. Für Cook haben Laptop und Desktop-Computer zumindest teilweise ausgedient. "Ich reise mit dem iPad Pro. Und außer dem iPhone habe ich kein weiteres Gerät dabei", sagte Cook kürzlich, als er zur Vorstellung des neuen Mega-Tablets von Apple in Großbritannien war.

Schaut man sich die äußeren Maße an, kann das iPad Pro in der Liga der Laptops und Notebooks mitspielen. 12,9 Zoll (32,8 Zentimeter)
misst der Bildschirm in der Diagonalen.

Das ist mehr als beim aktuellen Macbook-Modell und nur ein Hauch weniger als bei der 13-Zoll-Variante des MacBook Air. Die Auflösung von 2732 mal 2048 Bildschirmpunkten (5,6 Millionen Pixel) ist sogar höher als die des 15-Zoll-Macbook (5,2 Millionen Pixel) mit einem Retina Display.

Apple: Neues Tablet iPad Pro im Vergleich mit der Konkurrenz
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iPad Pro im Vergleich mit der Konkurrenz

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Auch bei der Leistung des Hauptprozessors muss sich das große iPad nicht hinter herkömmlichen PCs verstecken. Zwar gilt die von Apple im iPhone und iPad verwendete Chip-Architektur von ARM generell als weniger leistungsstark als die herkömmlichen PC-Chips der x86er-Architektur. Schließlich wurde sie auf eine besonders lange Batterielaufzeit hin optimiert.

Der im iPad Pro verbaute Apple-Chip A9X (zwei Kerne, bis 2,2 GHz) wird bei Leistungsmesstests wie Geekbench 3, Kraken von Mozilla oder Octane 2 von Google zumindest von den Mittelklasse-Notebooks nicht abgehängt. Und bei der Grafik-Leistung eilt das große iPad sogar dem MacBook Pro davon.

Beim Geekbench-Test erwies sich das neue iPad auch schneller als die aktuelle Variante des Microsoft-Tablets Surface Pro 4 mit einem Core-i5-Prozessor. Erst mit der Core-i7-Variante, die Anfang 2016 erwartet wird, dürfte Microsoft die Nase wieder vorn haben. Dafür kostet das schnellste Surface 4 aber auch fast doppelt so viel.

Beim Anschauen von Filmen glänzt das Tablet. Dazu trägt nicht nur die Darstellung-Qualität des Displays bei, das liegt auch an den vier Lautsprechern, die sich an den Ecken des Riesen-iPads befinden. Sie haben kräftige Bässe und deutlich mehr Stimmgewalt als die des iPad Mini oder iPad Air.

Während sich Kino-Freunde über größere Bildschirme freuen, ist die große Anzeige beim Lesen von E-Books eher hinderlich. Über einen längeren Zeitraum hinweg kann man es nicht mit einer Hand halten. Mit 713 Gramm ist das Gerät fast so schwer wie das erste iPad von 2010. Die leichteren und kompakten iPad-Modelle sind da klar im Vorteil.

Für einen professionellen Einsatz liegt es nahe, das Tablet mit einer Hardware-Tastatur zu verbinden. Apple hat dem iPad Pro dafür den sogenannten Smart Connector verpasst, der nicht nur die Verbindung herstellt, sondern Tastaturen auch mit Strom versorgt.

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Das Smart Keyboard, eine Kombination aus Schutzhülle und Tastatur, die Apple für 179 Euro extra anbietet, kann im Test allerdings überhaupt nicht überzeugen. Zum einen liefert Apple seine Tastatur bislang nur im amerikanischen Layout QWERTY (nicht das deutsche QWERTZ mit Umlauten). Außerdem ist der Druckpunkt der Tasten nicht so präzise, wie zumindest Vielschreiber sich das wünschen würden.

Es gibt immerhin einen geeigneten Ersatz: Logitech bietet die kompatible Tastatur Create mit hintergrundbeleuchteten Tasten an, mit der auch Profi-Schreiber gut zurecht kommen. Im Gegensatz zum Apple-Original gibt es bei Logitech auch einen willkommenen Ersatz für den Home-Button. Die Create ist zwar schwerer als das Apple-Zubehör, kostet dafür aber auch 30 Euro weniger.

Designer, Zeichner und andere Kreative werden den Digitalstift schätzen, den Apple bewusst nicht "Stylus" (Griffel) nennt, sondern "Pencil" (Zeichenstift). Mit ihm kann man auf dem Bildschirm malen, schreiben und zeichnen, zum einen in der iOS-App Notizen und speziellen Apps wie Adobe Sketch, Adobe Draw, Procreate und Zen Brush.

Ob es Apple damit gelingt, Profi-Werkzeuge für Illustratoren wie die viel teureren High-End-Tablets von Wacom und anderen Herstellern zu verdrängen, kann man derzeit noch nicht absehen.

Designer loben die Qualität des Pencil beim Zeichnen, vermissen aber insbesondere in den Adobe-Apps Funktionen, die sie von den Mac-Versionen her gewohnt sind. Leider hat Apple am iPad Pro oder der Schutzhülle keine feste Stelle vorgesehen, wo man den 109 Euro teuren Pencil magnetisch andocken kann, so dass man auf den Stift gut aufpassen muss.

Fazit: Mit dem neuen iPad Pro hat Apple einen Tablet-Computer auf den Markt gebracht, der in vielen Details überzeugen kann. Für etliche Anwender kann er auch ein Notebook ersetzen, wenn es um Aufgabengebiete wie E-Mails, Websurfen und kreative Aufgaben geht.

Wer intensiv mit Tabellenkalkulationen arbeitet oder viele Inhalte zwischen verschiedenen Dokumenten austauscht, findet im iPad Pro aber keinen perfekten PC-Ersatz. Zwar bietet das neue Betriebssystem iOS 9 inzwischen einen "Split View" an, bei dem sich zwei Dokumente nebeneinander darstellen und Inhalte übertragen lassen. Der Modus wird aber längst nicht von allen iOS-Programmen unterstützt.

Das große Apple-Tablet schlägt herkömmliche Laptops in einigen Disziplinen. Das Display ist hervorragend. Der Akku läuft mit zehn Stunden länger als bei den meisten Notebooks.

Man kann das iPad dank des eingebauten GPS-Empfängers als Navigationsgerät einsetzen und mit einer Mobilfunk-Option unkompliziert überall online bringen. Diesen Vorteilen stehen aber noch gravierende Nachteile gegenüber. Auf dem Schoß fühlt sich das iPad Pro im Vergleich zum Laptop wackelig an.

Und selbst die bessere Logitech-Tastatur bietet keine Vorteile gegenüber guten Notebook-Tastaturen. Legt man das Riesen-iPad zusammen mit der Logitech-Tastatur auf die Waage, ergibt sich im Vergleich zu einem Macbook Pro (13 Zoll mit Retina Display) auch kein Gewichtsvorteil mehr.

Mit 32 GB Speicher und WLAN kostet das günstigste iPad Pro 899 Euro, 210 Euro mehr als ein entsprechendes iPad Air 2. Für die Variante mit mehr Speicher (128 GB) verlangt Apple 1079 Euro, für das LTE-Modell mit 128 GB werden 1229 Euro fällig.

(dpa)
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