Das Handy wird 20 Vom "Knochen" zum Alleskönner

Düsseldorf · Zum Start der digitalen Mobilfunknetze boten die tragbaren Telefone nur Telefonie. Jetzt haben sogar einfache Geräte eine höhere Rechenleistung als PCs vor wenigen Jahren – sie hätten die Mondlandung im Jahr 1968 locker steuern können.

So hat sich das Handy weiterentwickelt
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Zum Start der digitalen Mobilfunknetze boten die tragbaren Telefone nur Telefonie. Jetzt haben sogar einfache Geräte eine höhere Rechenleistung als PCs vor wenigen Jahren — sie hätten die Mondlandung im Jahr 1968 locker steuern können.

Gewiss, wenn ein Gerät erst als teures Spielzeug für Manager verlacht wird und es jetzt in Deutschland deutlich mehr Handys gibt als Bürger. Wichtiger ist aber die Revolution der Leistung: Weil die europäischen Mobilfunker ab Juli 1992 ihre Netze mit derselben GSM-Technik starteten, konnte die sich weltweit ausdehnen. Das Ergebnis: Ein heutiges Handy für 200 Euro ist ein Mini-Computer mit Funkanbindung. Die Rechenleistung liegt höher als die Apollo-Raumfähre im Jahr 1968 zur Verfügung hatte, um auf dem Mond zu landen. Telekom-Chef Rene Obermann sagt es so: "Immer bessere Geräte erlauben immer neue Anwendungen mit immer besseren Netzen."

Die Rechengeschwindigkeit der Handys nimmt exponentiell zu. Noch immer gilt die 1965 von Intel-Gründer Gordon Moore entdeckte Gesetzesmäßigkeit, der zufolge alle 18 Monate eine neue Generation von Halbleitern doppelt so viel Leistung hat wie die Vorgängergeneration — und das bei ungefähr gleichem Preis. Umgekehrt bedeutet dies eine Preisreduktion von 50 Prozent bei gleicher Leistung alle anderthalb Jahre.

Die Revolution in Zahlen

Der Apollo-Computer, der 30 Kilogramm wog, verfügte über einen Arbeitsspeicher von vier Kilobyte, schaffte eine Taktrate von 2,048 Megahertz und kostete Millionen. Ein heutiger Chip kostet nur 50 oder 100 Euro, schafft aber eine 1,5-Gigaherz-Taktung, also das 700-Fache des Apollo-Rechners. Der Programmspeicher umfasst 16 Gigabyte, der Arbeitsspeicher häufig ein Gigabyte — und dennoch wiegen viele Handys nur noch 150 Gramm.

Der Weg dahin führte über viele Stationen (Grafik). Das Motorola International 3200 etwa war im Jahr 1992 eines der ersten GSM-Handys, es wog 560 Gramm und kostete rund 2100 Mark, also einen halben Monatslohn. Heute kostet selbst ein teures iPhone mit 630 Euro nur noch ein Viertel des durchschnittlichen Monatseinkommens, wiegt aber nur 140 Gramm und hat dutzende Zusatzfunktionen wie Video, GPS, Musikspieler oder Fotobearbeitung. Bei den meisten Kennzahlen halten Geräte für 150 oder 200 Euro rein technisch gut mit. "Das iPhone hat den Markt zwar revolutioniert", sagt Vodafone-Chef Fritz Joussen, "aber ähnliche Geräte für weniger Geld sprechen nun noch mehr Menschen an."

Was bedeutet dies alles konkret?

Dass sich Mails auf dem Handy aufrufen lassen, ist selbstverständlich, Kurznachrichtendienste kommen hinzu. Über Facebook, Twitter oder die Anwendung iMessages von Apple rauschen sie laufend auf das Gerät. Moderne Handys haben Speicherplatz für tausende Songs, Fotos und Notizen, sie sind ein tragbares Gedächtnis. Mit den Apps, also Mini-Programmen, und herunterladbaren Angeboten wie Videos, Spielen und Medienabos baut sich jeder Nutzer per Fingerklick sein eigenes Handy zurecht.

Und weil Software immer wichtiger wird und man Hardware wie Displays oder Speicherchips längst billig in Asien kaufen kann, leisten sich die Hersteller den Kampf der Betriebssysteme. Die Kunden profitieren: Weil die Betriebssysteme jeweils so offen sind, dass sie die Nutzung hunderter Unterprogramme ("Apps") ermöglichen, ist das Handy zum Mini-PC des 21. Jahrhunderts geworden.

Apple hat den perfekten Kosmos aufgebaut

Einmal bei Apple, immer bei Apple, lautet die Strategie der Kalifornier. Dabei hilft auch, dass inzwischen große Datenmengen in der iCloud im Internet gespeichert werden können. Rund um das Google-Betriebssystem Android haben sich Samsung oder auch HTC und Sony gruppiert. Die große Frage ist jetzt, ob Microsoft sich mit Nokia als dritte Gruppe durchsetzt oder untergeht. "Wir hoffen so wie viele Wettbewerber, dass Nokia mit der Lumia-Serie neuer Smartphones einen guten Start schafft", sagt ein Telekom-Vorstand. "Denn wir wollen mehr als zwei Konkurrenzsysteme dauerhaft im Markt haben."

Dabei stehen viele wichtige Technologien noch am Anfang. Dank der neuen Technik LTE (Long-Term-Evolution) steigen Übertragungstempo und Kapazität der Mobilfunknetze um mindestens 500 Prozent. Telekom und Vodafone haben bereits jeweils 50 Städte inklusive Düsseldorf erschlossen.

Sprachsteuerung & Co.

LTE erlaubt viel schnellere Antwortzeiten von Großrechnern im Internet auf Anfragen vom Handy aus. Dies wird sprachgesteuerte Anfragen deutlich erleichtern: Der Kunde "fragt" das Handy etwa nach dem nächsten Zug. Nach wenigen Sekunden "antwortet" das Handy. Doch in Wahrheit haben Computer von Apple zuerst die gesprochene Frage in Schrift übersetzt, dann als Anfrage in einer Art Suchmaschine von Apple eingegeben, am Ende wird das Ergebnis wieder in gesprochene Sprache übersetzt. Der Kunde merkt davon nichts, sondern erhält auf die Frage "nächster Zug nach Köln?" rasch etwa die Antwort: "um 20. 30 Uhr."

(RP/rm)
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