Digitales iOS5 macht das iPad zum Alleskönner

Düsseldorf (RPO). Bisher hatte das iPad einen entscheidenden Nachteil: Es musste bei jeder Gelegenheit an den heimischen Rechner angeschlossen werden. Das ändert sich mit dem neuen Betriebssystem iOS5, das in dieser Woche herausgekommen ist. Fotos, Dokumente und Apps werden nun automatisch über die sogenannte Cloud mit dem iPhone und dem heimischen Rechner synchronisiert. Und das ist noch lange nicht alles, was das Update mit sich bringt.

Oktober 2011: Apple stellt iPhone 4S vor
8 Bilder

Oktober 2011: Apple stellt iPhone 4S vor

8 Bilder

Es sind die kleinen Veränderungen, die den Ausschlag geben. Wer bisher eine Notiz auf dem iPad schrieb und sie später auf dem Smartphone oder dem heimischem Rechner ansehen wollte, der hatte keine andere Wahl, als sich selbst eine E-Mail zu schreiben — mit der Notiz im Inhalt. Jetzt, nach dem Update auf das neue Betriebssystem, schreibt er die Notiz auf seinem iPad — und die Nachricht erscheint zeitgleich wie von Geisterhand auf seinem iPhone, seinem MacBook und über den Internetbrowser auf jedem beliebigen PC.

Nicht jeder iPad-Nutzer wird auf diese Neuerung brauchen. Doch sie zeigt, welche großen Veränderungen das neue Betriebssystem mit sich bringt — und wie das iPad damit zum Alleskönner wird. Denn iOS5 ist kein beliebiges Update. Es gibt dem iPad wieder den Vorsprung, den es hatte, als seine Konkurrenten noch nicht auf dem Markt waren. Fast alle wichtigen Daten auf dem Tablet werden künftig kabellos zwischen dem iPad und anderen Apple-Geräten übertragen werden. Das lästige Synchronisieren mit einem iTunes-Rechner entfällt.

Installation erfordert Zeit und Nerven

Die Installation des neuen Betriebssystems verlangt dem Nutzer allerdings ein großes Maß an Geduld ab. Nach dem Starten von iTunes auf einem Windows-Rechner möchte das Apple-Dienstprogramm zunächst ein Update auf die Version 10.5 durchführen. Das geht angenehm schnell. Schließt man das iPad an, meldet iTunes, dass eine neue iOS-Version vorliegt: 5.0. Aus Erfahrung weiß man, dass man vorher die Firewall und den Virenscanner besser ausschaltet. Doch dann geht es los.

Zunächst wird ein Backup durchgeführt und alle Dateien vom iPad gesichert — hofft man. Der Download startet dann endlich. Zwar konnten beim Test keine Server-Ausfälle verzeichnet werden, aber andere Tester hatten damit zur gleichen Zeit sehr wohl zu kämpfen. Doch auch ohne Ausfälle dauert es lange, ebenso wie die anschließende Installation. Mittlerweile ist fast eine Stunde vergangen. Man wartet bereits voller Spannung. Und dann beginnt die eigentliche Geduldsprobe.

Das iPad startet neu und muss neu eingerichtet werden. Man weiß nicht genau, ob man es nun von iTunes trennen kann oder nicht. Tut man es, geht die Einrichtung problemlos weiter. Das ist gut. Das iPad möchte ein Backup aufspielen und fragt, ob er es per WLan und die iCloud erfolgen soll oder per iTunes. Das ist noch besser. Na klar, über die iCloud. Nur leider liegt noch kein Backup in der iCloud vor. Warum das iTunes nicht sofort hinterlegt hat, versteht man nicht. Also muss das iPad wieder an den Rechner angeschlossen werden. Zwischenzeitlich ist aber die Verbindung zum App Store abgebrochen — und iTunes lässt sich nicht dazu bewegen, sie wiederherzustellen. Man startet den Rechner neu und schließt erneut das iPad an. Dann wird gefragt, ob es mit Hilfe eines Backups wiederhergestellt werden soll. Ja, es soll. Das dauert indes wieder lange — und endet mit einer Fehlermeldung. Schweißperlen auf der Stirn, weil bereits mehr als anderthalb Stunden vergangen sind.

Doch Entwarnung, alles ist gut. Zumindest fast. Denn nicht alle Apps konnten wieder hergestellt werden. Warum? Wieso? Weshalb? Das weiß nur Apple. Aber die Einrichtung ist irgendwann dann doch beendet. Leider erhält man keine Information darüber, was iOS 5.0 nun kann. Naja, es gibt ein Fenster, in dem stolz verkündet wird, dass 200 Änderungen vorgenommen wurden. Und es folgt eine lange Liste. Wirklich hilftreich ist das nicht. Also macht man sich selbst auf die Erkundungstour, geht durch die Einstellungen, die um einige Einträge erweitert wurden. Alles geht gut, beim Punkt "Mail" oder "Kalender" für die iCloud beispielsweise wird eine MobileMe me.com-Adresse verlangt, die man zumindest im Fall des Testers erst einrichten muss. Zum Glück geht das schnell.

Okay, noch eine Mail-Adresse mehr. Beim Blick in iBooks fällt dann auf, dass alle Bücher verschwunden sind. Die muss man erneut herunterladen. Seltsam, weil bei Textunes beispielsweise nichts gelöscht worden ist. Alles in allem braucht man schon etwas Geduld, um sich an iOS 5.0 freuen zu können. Und dann hat man immer noch nicht die neuen Funktionen ausprobiert — geschweige denn entdeckt. Nein, Apple, das muss besser und kundenfreundlicher gehen. In der gleichen Zeit hätte man auf drei Rechnern Windows 7 von Microsoft installiert.

Doch wer diese Prozedur hinter sich hat, kann auf seinem iPad zahlreiche neue Funktionen entdecken. Die Wichtigsten im Überblick:

Multitasking-Gesten

Es ist etwas gewöhnungsbedürftig, mit vier Fingern über das iPad zu wischen. Wer es aber in horizontaler Richtung tut, kann endlich das tun, worauf viele Apple-User bereits gewartet haben: Durch einfaches Wischen auf dem Bildschirm zwischen mehreren aktiven Apps wechseln. Sämtliche geöffneten Apps bleiben aktiv und laufen im Hintergrund weiter. Und wer die vier Finger der geöffneten Hand auf dem Bildschirm zusammenzieht, schließt die App. Damit wird auch der einzige Button des iPads nun überflüssig.

Die Cloud

Das Potenzial, das in der Cloud steckt, ist der größte Vorteil des neuen Betriebssystems. Alle Daten, die auf dem iPad gespeichert sind, werden auf Wunsch automatisch auf den Apple-Servern gespeichert. Wer sich anschließend mit der gleichen Kennung mit einem anderen Apple-Gerät anmeldet, kann auf alle Daten zugreifen. Endlich keine lästige Kabelverbindungen mehr.

Zum Start der Cloud in Deutschland bietet Apple die Möglichkeit, seine Apps, Dokumente, Spiele und Bücher automatisch synchronisieren lassen — zumindest in der Theorie. Die Praxis: Wer die Cloud nutzen will, muss sie erst aufwändig freischalten. Dazu muss die Synchronisations-Funktion nicht nur unter den Einstellungen auf dem iPad erlaubt werden, sondern auch die einzelnen Formate müssen jeweils freigeschaltet werden. Wer dann ein Foto mit dem iPad gemacht hat, findet es wenige Sekunden später im Fotostream-Ordner auf seinem heimischen Rechner oder dem iPhone. Nach 100 Tagen werden sie aus der Cloud wieder gelöscht. Wer die Fotos also dauerhaft auf mehr als einem Gerät speichern möchte, sollte sie in der Zwischenzeit gesichert haben.

Die Sychronisation von Musik ist bisher in Deutschland noch nicht möglich. Wann diese Funktion eingeführt wird, darüber gibt es keine Angaben. Nützlich ist die Cloud aber bereits jetzt: Alle bisher gekauften Apps finden sich im AppStore unter dem Button "Gekaufte Artikel". Wer also Apps, die er zuvor gelöscht hatte, erneut laden will, findet sie dort mit einem Klick.

Der zweite große Vorteil der Cloud liegt auf der Hand: Sie erweitert den Datenspeicher aller iOS-Geräte nahezu unbegrenzt. Wer mit 5 GB Speicher, die standardmäßig kostenlos zur Verfügung stehen, nicht auskommt, kann die Speicherkapazität der Cloud kostenpflichtig erweitern. Für 16 Euro im Jahr erhält man 15 GB, für 32 Euro gibt es 25 GB in der Wolke.

Kabellose Synchronisation

Es könnte so einfach sein. Als Alternative zur Cloud bietet Apple an, sein iPad wie bisher manuell mit dem iTunes-Rechner zu synchronisieren — nur, dass man dafür kein Kabel mehr benötigen soll. Doch was bei anderen Betriebssystemen wie Windows7 einfach funktioniert, ist bei Apple einigermaßen kompliziert. Für die Synchronisation über WLan muss das iPad nicht nur an eine Steckdose angeschlossen sein, man muss die Datenübertragung jedes Mal über Einstellungen —"iTunes WLAN Sync" manuell anstoßen.

Nachrichten

Dieses Tool gehört zu den Neuerungen, von denen hauptsächlich die iPad-User profitieren. Denn damit wird es möglich, dass man mit dem iPad SMS versendet — zumindest an Apple-User. Wer die App "Nachrichten", die nach dem Update auf iOS5 standardmäßig installiert ist, öffnet, kann auf einer Oberfläche, die an die SMS-Dialoge auf dem iPhone erinnert, seinen Kontakten Textnachrichten schicken. Vorausgesetzt, er weiß auswendig, welche seiner Freunde ein mobiles Apple-Gerät besitzen — und mit welcher Telefonnummer oder Apple-ID sie sich bei dem Nachrichtendienst angemeldet haben. Ein nettes Feature, bei dem sich allerdings nicht erschließt, welche Vorteile es gegenüber einer normalen E-Mail haben soll, die ja, einen Internetzugang vorausgesetzt, auch auf jedem iPhone gelesen werden kann.

Safari

Der Apple-eigene Internetbrowser ist um einiges schneller geworden. Es gibt leicht erreichbare Tabs, mit denen sich mehrere Webseiten gleichzeitig öffnen lassen, ohne ein eigenes Browserfenster dafür aufmachen zu müssen. Praktisch ist vor allem die Leseliste: Jede geöffnete Webseite lässt sich mit einem Fingertipp auf diese Liste setzen — und anschließend von jedem anderen iOS-Gerät aus aufrufen. Wer bisher Dienste wie Readitlater benutzt hat, um Webseiten kurzfristig zu markieren und sie später zu lesen, kann darauf nun verzichten.

Mitteilungen

Dieses Feature wirkt auf den ersten Blick vielleicht überflüssig, hilft im Alltag allerdings enorm, den Überblick über Statusmeldungen, Mails und Popup-Meldungen zu behalten, die auf dem iPad ständig eintrudeln. Wer nicht weiß, wie man die Funktion findet, wird höchstens zufällig auf sie stoßen: Beim horizontalen Wischen von oben nach unten öffnet sich ein kleines kleines Fenster am oberen Rand des Bildschirms, auf dem die Nachrichten zu sehen sind. Das kann eine Chatnachricht sein, eine neue E-Mail oder ein eingehender Skype-Anruf.

Zeitungskiosk

Der Newsstand ist eine neue Kategorie im AppStore, in der sämtliche Abonnements von Magazinen und Zeitschriften zu finden sind. Der große Vorteil: Die Update geschehen automatisch. Nachdem die aktuellen Ausgaben im Hintergrund geladen worden sind, erscheinen sie beim Öffnen der App automatisch.

Erinnerungen

Die interaktive Todo-Liste ist eher für das iPhone als für das iPad gedacht. Schließlich erlaubt die App auf dem Tablet keine ortsbezogenen Erinnerungen. Wer auf dem iPhone aber notiert, dass er noch Milch einkaufen muss, wird von seinem Telefon daran erinnert, sobald er sich das nächste Mal dem Supermarkt nähert.

Daumen-Tastatur

Die einen werden die Daumen-Tastatur lieben, andere halten sie für sinnlos. Wer viele Texte auf dem iPad schreibt, gehört wahrscheinlich zur ersten Gruppe. Denn die klassische Tastatur lässt sich nun mit beiden Daumen aus der Mitte zu den Seiten auseinander schieben. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, entdeckt womöglich, dass auch längere Texte mit dem iPad nun kein ernsthaftes Problem mehr sind.

Freunde suchen

Datenschützer wird diese App Sorgenfalten auf die Stirn treiben: Mit "Freunde suchen" ist es möglich, den Aufenthaltsort seiner Freunde rund um die Uhr zu überwachen — ihr Einverständnis vorausgesetzt. Wer sich spontan mit dem besten Freund treffen will, sieht nicht nur, in welcher Kneipe er gerade sitzt, sondern erhält mit einem Fingertipp auch die schnellste Route dorthin. Wem das zu viel der Überwachung ist, kann den eigenen Aufenthaltsort auch temporär für Minuten oder Stunden freischalten und anschließend wieder sperren.

(born)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort