Enthüllungsportal Zerreißprobe für Wikileaks

Düsseldorf (RPO). Die Enthüllungsplattform Wikileaks steht wieder in den Schlagzeilen: Doch dieses Mal geht es nicht um einen neuen journalistischen Scoop, sondern um das Projekt an sich. Auf der Führungsebene ist es zu einem handfesten Streit gekommen, der in der Öffentlichkeit bekannte Deutsche Daniel Domscheit-Berg hat das Handtuch geworfen. Nun erhebt er schwere Vorwürfe gegen seinen Ex-Chef Julian Assange. Momentan ist offen, ob und wie es mit Wikileaks weitergeht.

 Steht in der Kritik: Wikileaks-Gründer Julian Assange.

Steht in der Kritik: Wikileaks-Gründer Julian Assange.

Foto: AP, AP

Der größte Erfolg von Wikileaks liegt noch gar nicht so lange zurück. Ende Juli veröffentlichte das Portal rund 92.000 Dokumente des amerikanischen Militärs, die das Kriegsgeschehen in Afghanistan in einem ganz anderen Licht erscheinen ließen. Der Knüller sorgte weltweit für Schlagzeilen, der "Spiegel" und andere Medien hatten vorab Auszüge aus den Papieren veröffentlicht.

Spätestens jetzt war Wikileaks auch Menschen ein Begriff, die im Internet nur ihre E-Mails abrufen. Der größte Scoop des Portals, das nach eigener Aussage 2006 von chinesischen Dissidenten gegründet wurde, könnte schon der Höhepunkt einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte gewesen sein. Die Luft ganz oben ist bekanntlich dünn. Im Mittelpunkt stehen zwei Männer, die Wikileaks nach Außen repräsentierten.

Da ist der Australier Julian Assange, der manchmal auch als Gründer des Portals genannt wird, zumindest aber wohl als dessen Chef fungiert. Kurz nach dem Afghanistan-Scoop bekam er Ärger mit den schwedischen Behörden, die ihn der sexuellen Belästigung verdächtigen. Auch die Amerikaner sind nicht mehr gut auf den charismatischen 39-Jährigen zu sprechen, dessen sie nur allzu gerne habhaft würden.

Der zweite Mann in der klandestinen Organisation ist Daniel Schmitt, der am Wochenende via "Spiegel" seinen Klarnamen Domscheit-Berg bekannt gab. Die Zeit der Heimlichtuerei ist für ihn vorbei, der deutsche Sprecher von WikiLeaks gibt seinen Posten auf. Im Interview mit dem Magazin erklärt der 32-Jährige, dass es unterschiedliche Auffassungen über die weitere Enwicklung der Enthüllungsplattform gegeben habe.

WikiLeaks habe sich zu sehr auf die großen Projekte wie die geheimen US-Militärakten zum Afghanistankrieg konzentriert und kleinere, nationale Dokumente vernachlässigt, sagte Domscheit-Berg. In Deutschland hatte das Portal vor rund einem Jahr mit dem Feldjäger-Bericht zum Bombardement der entführten Tanklaster bei Kunduz für Furore gesorgt.

Dabei gibt es genug zu tun: Das Whistleblower-Portal hat durch die in letzter Zeit gestiegene Popularität vermehrt Dokumente zugespielt bekommen. Gleichzeitig garantiert die Redaktion absolute Anonymität. Auf der Seite sind Anleitungen zu finden, wie Quellen ihre Identität auch gegenüber Wikileaks verschleiern können. Kritiker hingegen werfen der spendenfinanzierten Organisation selbst immer wieder mangelnde Transparenz vor.

Nach der Veröffentlichung der Dokumente zum Krieg in Afghanistan kam es zum Bruch. Schmitt habe seine Bedenken über das weitere Vorgehen Assange vorgetragen. "Julian Assange hat auf jede Kritik mit dem Vorwurf reagiert, ich würde ihm den Gehorsam verweigern und dem Projekt gegenüber illoyal sein", erklärte er. Im Zuge der Schweden-Affäre hatte Domscheit-Berg seinem Boss geraten, in der Öffentlichkeit etwas kürzer zu treten. Gerüchten über einen Machtkampf widersprach er jedoch.

Letztlich habe Assange ihn suspendiert, Domscheit-Berg sei nun freiwillig gegangen. Auch andere Mitarbeiter seien unzufrieden und würden wie er aussteigen, sagte Schmitt dem "Spiegel". Er hoffe aber, dass das Projekt an sich nicht gefährdet sei. Ob diese Hoffnung berechtigt ist, wird sich erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Presseanfragen werden derzeit jedenfalls nicht beantwortet.

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