Nach Sperrung der org.-Domain Wikileaks bekommt neue Adresse in der Schweiz

Stockholm (RPO). Nach der Sperrung ihrer Website in Folge von massiven Cyber-Attacken hat sich die Enthüllungsplattform Wikileaks in der Schweiz eine neue Internetadresse verschafft. Statt unter http:// wikileaks.org waren am Freitagvormittag die Inhalte der Plattform unter der schweizerischen Adresse http://wikileaks.ch abrufbar. "Wikileaks zieht in die Schweiz", teilte die Enthüllungsplattform über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Wikileaks-Gründer: Das ist Julian Assange
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Foto: dpa/Frank Augstein

Über die neue Adresse wurden Nutzer zur URL-Adresse http://213. 251.145.96 geleitet, die ihnen Zugang zu der früheren Wikileaks-Seite verschafft. Eine Suche über den Suchdienst whois. net.tool ergab, dass die neue von Wikileaks genutzte Website der Schweizer Piratenpartei gehört. Diese war zu einer Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Der wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung weltweit gesuchte Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange hatte vergangenen Monat erklärt, er erwäge, in der Schweiz Asyl zu beantragen.

Einige Stunden vor der Bekanntgabe der neuen Adresse hatte der US-Verzeichnisanbieter everydns.net seine Dienste für Wikileaks mit der Begründung eingestellt, dass massive Angriffe auf die Enthüllungs-Website den Service für andere Kunden von everydns.net beeinträchtigt hätten. "Die Domain Wikileaks.org wurde vom US-Betreiber everydens.net nach angeblichen Massenangriffen gekillt", twitterte Wikileaks. Zugleich wurde zu Spenden für Wikileaks aufgerufen, um die Seite weiter betreiben zu können.

Everydns.net teilte mit, auf die Wikileaks-Website sei eine Flut von Angriffen vom Typ Destributed Denial of Service (DDoS) verübt worden. Bei diesen DDoS-Attacken handelt es sich in der Regel um das massenhafte Aufrufen einer Website, das diese zusammenbrechen lässt. Sie werden von Computern verübt, die mit einem entsprechenden Virus infiziert sind.

Wikileaks ist derzeit verstärkt Opfer von Cyber-Attacken. Die Enthüllungsplattform hatte sich zuletzt mit der Veröffentlichung von brisanten Dokumenten des US-Außenministeriums Feinde gemacht. Mit der Veröffentlichung der mehr als 250.000 Dokumente hatte Wikileaks am Sonntag begonnen.

Europaparlamentarier verurteilt Wikileaks-Veröffentlichungen

Als "mengenmäßig größten Vertrauensbruch in der Geschichte" mit fatalen Folgen hat der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz, die Wikileaks-Veröffentlichungen kritisiert. Die Welt sei dadurch "jedenfalls nicht sicherer geworden", schreibt Schulz in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau".

Die "selbst ernannten Enthüller" ließen Verantwortung vermissen und verletzten die Schutzräume des Vertrauens und der Verschwiegenheit, deren auch die Politik bedürfe. "Diplomatie auf Tratsch und Klatsch zu reduzieren, wie es Wikileaks tut, ist nicht im öffentlichen Interesse." Wikileaks habe den Unterschied von Interesse der Öffentlichkeit und öffentlichem Interesse nicht verstanden.

Der deutsche Sozialdemokrat im Europaparlament zeigt sich besorgt, dass es infolge der Veröffentlichungen "zumindest zur Selbstzensur von Diplomaten" kommen werde. Wikileaks gefährde mit seiner unüberlegten Veröffentlichungspraxis die globale Kommunikation. "Ohne Vertraulichkeit kein offenes Gespräch, weniger Information und vielleicht mehr falsche Entscheidungen."

(apd/AFP//felt)
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