Nach den Gerüchten um Bettina Wulff Wie Google zum Pranger wird

Düsseldorf · Der Verwaltungsratschef von Google, Eric Schmidt, hat einmal etwas Entlarvendes gesagt: Die Menschen sollten bestimmte Dinge nicht einmal denken, denn man würde sie über das Internet dann doch erfahren – also über Google. Wie der jetzige Streit mit Bettina Wulff nun zeigt, geht es dabei keineswegs nur um Fakten oder eigene Handlungen, die bekannt werden.

Der Verwaltungsratschef von Google, Eric Schmidt, hat einmal etwas Entlarvendes gesagt: Die Menschen sollten bestimmte Dinge nicht einmal denken, denn man würde sie über das Internet dann doch erfahren — also über Google. Wie der jetzige Streit mit Bettina Wulff nun zeigt, geht es dabei keineswegs nur um Fakten oder eigene Handlungen, die bekannt werden.

Google, die größte Such- und Rechenmaschine der Welt, hilft auch hemmungslos, fast jedes schlechte Gerücht der Welt zu verbreiten. Der Marktanteil für Suchanfragen in Deutschland liegt bei 96 Prozent und weltweit bei mehr als 70 Prozent — Google-Ergebnisse in der Suchmaschine dominieren also das Bild der Welt, das wir uns machen.

Google drängt fast wöchentlich in neue Geschäfte vor — der Konzern ist unersättlich und wird nur von Apple in wichtigen Gebieten halbwegs gut gekontert. Und obwohl das Unternehmen sich der angeblichen Objektivität seiner Suchergebnisse rühmt, sieht die Realität anders aus: Geht es um mächtige Wirtschaftsinteressen, greift auch Google einmal zur Zensurschere, geht es um Individuen wie die 38-jährige Bettina Wulff, zeigt der Gigant eine gewisse Arroganz. Wir erklären die wichtigsten Streitpunkte rund um Google, beschreiben die Strategie des Konzerns — und geben Ratschläge, wie man seine "Internet-Reputation" retten kann.

Google: Keinen Einfluss auf Vorschläge

Schon vorweg lässt sich sagen: Egal wie der juristische Streit zwischen Bettina Wulff und Google ausgeht, hat die erfahrene PR-Expertin an sich das Richtige gemacht: Indem sie nun für extreme Publizität rund um ihren Kampf gegen Google sorgt, werden Berichte zu diesem Thema künftig ganz vorne bei der Google-Suche stehen. "Ein guter Ruf ist das wichtigste Kapital der meisten Menschen in Politik und Wirtschaft", sagt der Düsseldorfer Kommunikationsberater Frank Wilmes, "darum müssen Menschen ihr Image auch gezielt und selbstbewusst pflegen."

Der Streit Bettina Wulff fordert von Google, dass die Suchmaschine bei der Eingabe ihres Namens nicht mehr Ergänzungsbegriffe wie "Escort" oder "Prostituierte" vorschlägt und genau damit neugierig auf entsprechende verleumderische Internetseiten macht.

Google-Sprecher Kay Oberbeck sagt dagegen, dass Google keinen Einfluss auf diese Vorschläge nehme — darum könne man auch nicht auf Unterlassung verklagt werden. "Die bei der Google-Autovervollständigung sichtbaren Suchbegriffe spiegeln die tatsächlichen Suchbegriffe aller Nutzer wider", sagt er. Die Begriffe seien "das algorithmisch (also rein mathematisch, die Redaktion) erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren".

Tatsächlich gibt es Beweise dafür, dass Google in die Suche eingreift. Als 2009 die Vorgabe von Suchvorschlägen eingeführt wurde, wurden bei der Suche nach Liedern oder Videos oft Vorschläge gemacht, die einen auf Raubkopie-Anbieter hinwiesen. Mittlerweile macht Google solche Vervollständigungs-Vorschläge nicht mehr und bekennt sich auch dazu. "Wir wollen nicht, dass unsere Suchergebnisse die Menschen auf Stellen im Netz lenken, wo die Urheberrechte verletzt werden", sagte der Google-Manager Fred von Lohmann noch im Mai.

Google will bereits gelöscht haben

Das Filtern: Zumindest wegen des Jugendschutzes sortiert Google gelegentlich bestimmte Begriffe aus der Vorschlagsliste heraus — und macht gleichzeitig offensichtlich auf eigene Produkte jenseits der reinen Mathematik aufmerksam: So wird der Name eines bestimmten Schauspielers nicht auf die Vorschlagsliste geschaltet, obwohl er in vielen Erotik-Filmen vorkommt.

Wer dagegen eine Person sucht, die bei Google +, dem Gegenstück zu Facebook, angemeldet ist, bekommt einen Hinweis auf dessen Eintrag bei Google +, wenn man selbst in dem Netzwerk ist. "Das dient in erster Linie Googles Interessen, ist sicher nicht das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren", folgert der Autor Konrad Lischka von "Spiegel Online".

Juristische Bewertung: Google hat nach eigenen Aussagen in rund einem Dutzend Fällen bereits Inhalte aus den eigenen Zwischenspeichern gelöscht, nachdem diese Inhalte wegen beleidigender Aussagen über Frau Wulff von den entsprechenden Internetseiten verschwunden waren. Der Konzern behält sich also nicht vor, Texte weiterhin zu verbreiten, die sowieso aus dem Internet getilgt sind.

Bezüglich der Such-Vervollständigung sieht die Lage differenzierter aus. "Ein spannendes Phänomen", urteilt der Leiter der Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln, Rolf Schwartmann. Vor "einer Form von Zensur" warnt der Jurist. "Wie das Verfahren gegen Google ausgeht, ist offen", ergänzt der Anwalt Thorsten Feldman aus Berlin. Er glaubt eher an einen Erfolg der früheren First Lady, weil Google mehr als "bloße Links" anbiete, sondern "schlagwortartig zusammengefasste Fremdinhalte".

Der Konzern schaffe also eigene Inhalte — wenn auch maschinengesteuert — und könnte dafür möglicherweise verantwortlich gemacht werden. Aus diesem Grunde will Bettina Wulff der "Süddeutschen Zeitung" zufolge auch prüfen lassen, ob sich Google als "Mittäter" für Beleidigungen gegen sie verantworten muss — dann wären massive Schadenersatzzahlungen fällig.

Google hält dagegen, man habe in fünf Fällen durchgesetzt, dass man die Autovervollständigung in Deutschland nicht zensieren müsse, in einem Fall habe man sogar in der zweiten Instanz gewonnen. Zum Beispiel wollte ein Kläger stoppen, dass sein Name weiterhin mit dem Begriff "Scientology" in Verbindung gebracht wird — anscheinend ohne Erfolg.

Im Ausland hat das Unternehmen allerdings bereits einige Rückschläge mit seiner Haltung gehabt: Ein Italiener setzte sich durch, weil hinter seinem Namen immer wieder Begriffe wie "Betrug" oder "Betrüger" vorkamen. Auch in Frankreich gab es ein wegweisendes Urteil: Einem Mann wurde Nähe zu Satanisten unterstellt. Das wurde verboten.

Zehntausende Bücher digitalisiert

Googles Mission: Der weltweit führenden Internetkonzern hält mit einem Standardargument dagegen: Er wolle nicht zensieren. "Google kann und darf nicht als Zensor im Internet auftreten", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" aus einem Schriftsatz eines deutschen Anwaltes in Sachen Bettina Wulff. Google wolle alle Informationen der Welt möglichst vielen Menschen zur Verfügung stellen, lautet denn auch das inoffizielle Firmenmotto.

Damit wurde gerechtfertigt, Zehntausende Bücher ohne Zustimmung der Autoren digitalisiert zu haben, damit wird auch der Zugriff auf Medieninhalte aller Art (bisher) ohne Bezahlung begründet, doch im Kern der Strategie geht es um das Geschäft: Passend zu Suchanfragen schaltet Google inhaltlich passende Anzeigen. Dies bedeutet: Je besser und spannender die Suchergebnisse, umso mehr Anfragen, umso höhere Werbeeinnahmen und damit umso mehr Geld für neue Entwicklungen.

Das Ergebnis: 2011 machte Google bei einem Umsatz von rund 38 Milliarden Dollar knapp zehn Milliarden Dollar Gewinn. Der Börsenwert liegt bei mehr als 100 Milliarden Euro. Der Einzige, der sich mit gewissem Erfolg dieser Macht entgegenstellt, ist neben Microsoft Apple: Apple bietet Nutzern an, mit der Software Siri Antworten auf gesprochene Fragen zu bekommen — auf Dauer wird dies das entscheidende Gegenmodell zu Google als Suchmaschine.

Reputations-Schutz: Das entschlossene Vorgehen von Bettina Wulff gegen verleumderische Internetseiten ist sicher ungewöhnlich — aber wohl auch gut, um in einer extremen Situation ein Exempel zu statuieren. Aber auch "Normalbürgern" raten Experten, auf ihre Reputation im Internet zu achten. Als Erstes zählt dabei natürlich, vorsichtig mit eigenen Äußerungen im Internet zu sein — wer sich bei Facebook oder einem anderen Netzwerk negativ zum eigenen Arbeitgeber äußert, kann sowohl intern wie bei künftigen Bewerbungen Probleme bekommen.

Wichtig ist auch, private Äußerungen im Internet unbedingt auch privat zu halten — wer seine Facebook-Seite fast öffentlich macht, kann sich angreifbar machen. Wichtig ist gleichzeitig, überhaupt mitzubekommen, was andere über einen berichten. Ausgerechnet Google kann helfen: Mit der Funktion "Google-Alert" kann man von jeder Meldung im Internet über sich selbst erfahren.

(RP/das/csr)
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