Freundschaftsmaschine Wie Facebook die Welt erobert

Düsseldorf (RPO). Soziale Netzwerke im Internet boomen. Facebook ist das weltweit größte Portal mit 400 Millionen Nutzern. Doch neben dem Austausch über Alltägliches und Privates dient das Netzwerk auch als Plattform für politische Interessen.

Unser Leben mit und ohne Facebook
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Mit Facebook ist man weniger allein. Wer sich bei dem Internetnetzwerk einloggt, hat das Gefühl, unter Freunden zu sein. Freundschaft, eigentlich ein großes Wort. Der Begriff für die tiefgehende und langfristige Beziehung von Menschen. Im Internet ist befreundet, wer sich gegenseitig das Einverständnis gibt, sein persönliches Profil einzusehen. Bei Facebook, das ursprünglich als eine Kontaktseite für Studenten der Elite-Universität Harvard gedacht war, machen mittlerweile Millionen Menschen mit, junge und alte. Sie wühlen in der Vergangenheit, zelebrieren die Gegenwart und mobilisieren manchmal sogar die Massen. "Facebook.com" ist mit rund 400 Millionen aktiven Nutzern nicht nur das größte soziale Internetnetzwerk, sondern eine der größten Webseiten der Welt. Auch hierzulande gehört Facebook zu den meist besuchten Webseiten. Öfter klicken die Deutschen nur auf Google, das Auktionshaus Ebay, die Enzyklopädie Wikipedia oder das Videoportal Youtube.

Noch vor einigen Jahren herrschte große Skepsis in weiten Teilen der Bevölkerung gegenüber dem, was sich da bei Internetnetzwerken abspielt. Mittlerweile wird diese von einer Neugier abgelöst, gepaart mit dem Gefühl, dabei sein zu müssen. "Für Jugendliche ist es spannend, sich im Internet zu präsentieren. Sie haben dort einen Raum, in dem sie sich ausleben können", sagt Martin Müsgens von der Landesanstalt für Medien NRW. Doch neben Identitätsfindung ist auch Wettbewerb die Triebfeder der Zwölf- bis 19-Jährigen — nach dem Motto: Wie beliebt bin ich, wie viele Freunde habe ich? Wer sich dem Gruppendruck nicht beuge, der gerate schnell ins Abseits, so Müsgens.

Freunde lassen einander an ihrem Leben teilhaben, verabreden sich, gratulieren per virtueller Geburtstagskarte, zeigen ihre Babyfotos. Wenn Sandra sich von ihrem Freund Tim trennt, erfahren ihre Schulfreundinnen es als erstes im Internet. Prominente machen auch mit: Moderator Kai Pflaume schreibt, dass er seinen Flieger verpasst. Tennisspielerin Anna-Lena Grönefeld sucht einen Mixedpartner, findet Mark Knowles von den Bahamas und gewinnt mit ihm in Wimbledon.

Facebook verändert auch das Verhalten in Beziehungen. Das Telefonat wird durch Chats ersetzt, die Freundschaft der Verlobten mit einem fremden Mann kritisch beäugt. Früher waren Beziehungspartner keiner täglichen Kontrolle ausgesetzt, sagt die Psychologin Amy Muise. Mehrdeutige Informationen können leichter fehlinterpretiert werden — Facebook mache eifersüchtiger, so ihre These.

Doch Facebook ist nicht nur privat. Als im Mai 2009 im Iran der amtierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad zur Wahl stand, nutzte die Opposition Internetplattformen wie Facebook, um die Positionen des Herausforderers Hussein Mussawi zu verbreiten. Als Ahmadinedschad die Wahl gewann, gaben die Oppositionellen nicht auf. Sie organisierten den Protest gegen das aus ihrer Sicht gefälschte Wahlergebnis über die sozialen Netzwerke — Tausende gingen daraufhin auf die Straße. Als ausländische Journalisten des Landes verwiesen wurden, blieb den Medien nur der Blick in die Internetnetzwerke, um etwas über die Lage im Iran zu erfahren.

Auch in Deutschland nutzen Politiker Facebook. Fast 32 000 Menschen vereint Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem Profil hinter sich, ein bisschen mehr als Emmerich Einwohner hat. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bedankt sich nach turbulenten Wochen in Afghanistan bei seinen 24 000 Facebook-Freunden per Video. Mit Hilfe von Facebook werden nun Verbrecher festgenommen, Mafiabosse überführt, Musikcharts beeinflusst.

Doch es gibt auch die andere Seite bei Facebook. Rechtsradikale, die versteckt auf Mitgliedersuche sind, Menschen, die andere Menschen öffentlich denunzieren. "Das Internet ist kein geschützter Raum", warnt Müsgens.

Derzeit verändert das Facebook-Team die Webseite, um noch mehr Menschen zu erreichen. Mit neuen Funktionen versuchen die Macher, die Plattform zur riesigen Kommunikationszentrale umzubauen. "Facebook will der Ausgangspunkt für unsere Welt sein", sagt der Internetanalyst Jeremiah Owyang.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner warnt derweil vor Facebooks Umgang mit privaten Daten, Verbraucherzentralen raten von der Nutzung ab. Gegner entwickeln die Vision, wonach Facebook Google den Rang als größte Datenkrake im Internet abläuft. Doch Facebook sammelt weiter Daten, weil es Geld verdienen will. Je mehr Informationen über einen Nutzer verfügbar sind, desto feiner wird sein Profil und desto wertvoller ist er für die Werbewirtschaft.

Das Ziel von Facebook ist vergleichbar mit dem Aufstieg der Suchmaschine Google. Gigantische Gewinne und eine Marktbeherrschung, die im Netz ihresgleichen sucht. Mit einem Service, der Millionen begeistert.

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