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20 Jahre World Wide Web Wie das Web die Welt revolutionierte

Düsseldorf (RPO). Vor 20 Jahren stellte Tim Berners-Lee das "World Wide Web" der Öffentlichkeit vor. Der Dienst verhalf dem freien Internet zum Durchbruch gegenüber anderen Konzepten. Heute sehen es einige wieder bedroht.

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Foto: dapd

Düsseldorf (RPO). Vor 20 Jahren stellte Tim Berners-Lee das "World Wide Web" der Öffentlichkeit vor. Der Dienst verhalf dem freien Internet zum Durchbruch gegenüber anderen Konzepten. Heute sehen es einige wieder bedroht.

Die Revolution begann mit bescheidenen Worten: "Das WorldWideWeb (WWW)-Projekt soll es ermöglichen, jede Information jederzeit und überall zu verlinken", verkündete WWW-Erfinder Tim Berners-Lee am 6. August 1991 in der Newsgroup alt.hypertext. "Das WWW-Projekt wurde gestartet um unter Physikern aus dem Bereich der Teilchenphysik Daten, Nachrichten und Dokumentationen zu teilen. Wir sind daran interessiert, dass das Web auch in anderen Bereichen eingesetzt wird. Mitarbeiter erwünscht", so der Kernphysiker weiter.

Der Link war geboren

Berners-Lee hatte das System zum Informationsaustausch ab 1989 für die Physiker am Kernforschungszentrum Cern in Genf entwickelt — doch schnell sein Potential erkannt. Das deutete sich schon damals im gewählten Namen World Wide Web an — ein Dokumenten-Netz mit globalem Geltungsanspruch. Ursprünglich hatte er seine Pläne noch unter dem Namen "Mesh" (Gewebe) entwickelt.

Erst Berners-Lees World Wide Web brachte entscheidende Vereinfachungen im damals vor allem an Universitäten genutzten Internet: Internetfähige Rechner kommunizierten dort in einer gemeinsamen Sprache, die ihnen automatische Kommunikation und Datenaustausch ermöglichte. Diese Sprache - das Hypertext Transfer Protocol (http) - ist bis heute in Gebrauch. Abgerufen werden darüber Dokumente, die in der Auszeichnungssprache HTML geschrieben sind. Diese ist mit einem Browser lesbar, egal auf welchem System dieser ausgeführt wird.

Die entscheidende Innovation war der Einbau von sogenannten Hypertext-Links in die Dokumente, die auf Internet-Servern lagen - digitale Querverweise auf weitere Dokumente. Auf diese Weise konnten Nutzer leicht von einem Dokument zu einem anderen weitergeleitet werden. Es genügte, wenn sie den Link auf der ersten Seite anklickten, die der Browser anzeigte, und sie kamen zu einer anderen, die sie vielleicht noch gar nicht kannten. Das "Surfen" war geboren.

Das offene Internet verdrängt geschlossene Netze

Bis Mitte der 90er Jahre dominierten allerdings bei Privatnutzern noch Online-Dienste in abgeschlossenen Netzwerken, nicht das offene Internet. Bei den damals populären Diensten Compuserve, AOL oder dem deutschen Post-Dienst BTX gab es eigene Chat-Rooms und eigene Seiten, ohne dass die Netze untereinander vernetzt waren. Bei BTX beispielsweise mussten Inhalte-Anbieter noch Gebühren an die Post bezahlen.

Mit dem Siegeszug des World Wide Web öffneten sich auch die Anbieter der alten proprietären Netze wie AOL dem Internet — und macht sich damit selbst langfristig überflüssig. In Deutschland geriet das BTX-System in die Defensive, in Frankreich wurde das staatlich geförderte Minitel durch das freie Internet verdrängt.

Dotcom-Blase als Rückschlag

Die rasante Verbreitung des Internets rund um den Globus weckte aber auch überzogene Erwartungen. Wie viele neue Technologien führte auch das Internet zu einer Flut von Unternehmensgründungen, der "New Economy". Zahlreiche Aktionäre und Venture-Kapital-Geber wetteten auf den Erfolg der aus dem Boden sprießenden Firmen, die fleißig Kapital einsammelten — und vernichteten. 2001 wurde klar, dass viele der neuen Unternehmen kein funktionierendes Geschäftsmodell hatten. Der Zukunftsforscher Matthias Horx spekulierte damals: "Das Internet wird kein Massenmedium, weil es in seiner Seele keines ist."

Vom Konsum-Medium zum "Mitmachnetz"

Ein fundamentaler Irrtum: Das Internet setzt sich auf breiter Front durch. Mit der Popularisierung ging aber auch eine zunehmende Kommerzialisierung einher. Den ursprünglichen Charakter als Many-to-Many-Medium, indem jeder Nutzer grundsätzlich die Chance hat, mit einer Vielzahl anderer Nutzer zu kommunizieren, trat dabei in den Hintergrund. Normale Internetnutzer waren seinerzeit meist reine Konsumenten von Informationen im Web, von einigen meist statischen privaten Websites abgesehen.

Doch um das Jahr 2005 wendete sich das Blatt erneut: Dienste wie Wordpress.com ermöglichten jedem, binnen Sekunden ein Blog zu erstellen. Podcasts wurden ebenso populär wie die ersten sozialen Netzwerke, in denen Nutzer sich mit anderen austauschen können. Das bereits 2001 gegründete Wikipedia wurde weltbekannt, eine kostenlose Sammlung des Weltwissens, an der sich jeder beteiligen kann.

Im Mittelpunkt standen bei dieser Entwicklung die von normalen Internetnutzern generierten Inhalte. Sie werden von rein passiven Konsumenten der Netzinhalte zu Produzenten. Web-Visionär Tim O'Reilly taufte das Phänomen "Web 2.0".

Das Web wird mobil — und weniger frei?

Die mobile Nutzung des Internets ist der jüngste Trend der IT. War unter Geschäftsleuten das Lesen von E-Mails über ein Blackberry-Smartphone schon lange üblich, erfolgte der Durchbruch des mobilen Netzes für die Massen erst mit der Vorstellung von Apples iPhone 2007. Es folgten zahlreiche Smartphones mit Googles Android-Betriebssystem und Microsofts System Windows Phone 7.

Den Siegeszug der Apps sehen dabei manche aber auch als Bedrohung für das freie und offene Internet: App-Inhalte laufen nur auf den Geräten, für die die Apps verfügbar sind, während Websites als universelle Dokumente für alle Internet-fähigen Geräte erfunden wurden. Besonders fatal im Auge der Kritiker: Anders als das offene Internet werden die Apps vom Unternehmen kontrolliert — im Falle des iPhones beispielsweise allein durch Apple. Apple bestimmt hier auch, welche Apps in den eigenen Store aufgenommen werden — und redet dabei sogar bei den Inhalten mit. So müssen deutsche Verlage beispielsweise nackte Haut zensieren — Apples amerikanischer Prüderie sei Dank.

Auch der Erfolg des großen, für die Außenwelt geschlossenen Netzwerks Facebook, sehen Verfechter des Internet-Gedankens teilweise als Bedrohung. Informationen erreichen einen großen Teil der Internet-Nutzer inzwischen vor allem über Facebook — und in Einzelfällen hat der Konzern dabei durchaus auch schon in Inhalte eingegriffen. So unterband das größte soziale Online-Netzwerk beispielsweise zeitweise die Verwendung des Wortes "Lamebook" - einer Facebook-kritischen Website, der der Konzern eine Markenrechtsverletzung vorwirft.

Die Zukunft: Das denkende Netz

Für die Zukunft sagen viele Experten ein semantisches Web voraus, in dem Bedeutungen und Sinnzusammenhänge zunehmend maschinenlesbar gespeichert werden. Dadurch könnten Suchmaschinen nicht nur Informationen auf Grundlage des Suchbegriffs finden. Stattdessen wären dann beispielsweise Suchanfragen wie "Colleges mit Studiengebühren unter 30.000 Dollar" oder "Schauspieler über 40, die zumindest einen Oskar gewonnen haben" möglich. Dazu müssten allerdings die entsprechenden Websites von den Autoren mit nur für Maschinen bestimmten Meta-Informationen versehen werden.

Auch WWW-Erfinder Tim Berners-Lee sieht darin die ferne Zukunft des Webs. 1999 schrieb er in dem Buch "Weaving the Web": "Ich habe den Traum für das Web, dass Computer lernen, die Daten des Webs zu analysieren — die Inhalte, die Links und den Austausch zwischen Menschen und Computer. Ein 'semantisches Web', welches das ermöglichen würde, muss noch entstehen. Doch wenn es soweit ist, werden die Mechanismen des Handels, der Bürokratie und unser gesamtes alltägliches Handeln durch Maschinen bestimmt werden, die mit anderen Maschinen sprechen."

(AFP/sdr)
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