Total Digital Vom Vinyl bis in die Cloud

Meinung | Seattle · Warum ich meine CDs loswerden will, bevor es zu spät ist? Streaming erobert den Musikmarkt. Ich kaufe auch kaum noch Songs per Download und liege damit ebenfalls im Trend.

Musik-Streaming-Dienste in Deutschland in der Übersicht
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Das ist Musikstreaming in Deutschland

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Foto: Shutterstock/ollyy

Manchmal stehe ich vor meiner Musik-Sammlung und frage mich, ob ich nicht alle 300 bis 400 CDs einfach in Kisten packen und zum Plattenladen in West Seattle bringen soll. Der zahlt mir vielleicht noch einige Hundert Dollar für die verstaubten Hüllen mitsamt Inhalt, wahrscheinlich aber nicht. Mit dem Verkauf meiner Langspielplatten, von denen ich mich vor vier Jahren getrennt habe, habe ich noch einen guten Schnitt gemacht. Doch das war Vinyl und dafür gibt es einen Sammlermarkt. Diesmal bin ich skeptischer. Denn ebenso wie ich schon seit Ewigkeiten keine CD mehr in den Player gelegt habe, tun das auch die Amerikaner immer weniger. Warum also sollte jemand meine CDs kaufen?

Der Grund dafür sind Streamingdienste wie Spotify, Pandora oder iTunes Radio. Im vergangenen Jahr wurden in den USA 164 Milliarden Musiktitel aus dem Netz gestreamt, zwei Drittel mehr als im Vorjahr. Während ich in meiner Küche sitze und diese Kolumne schreibe, höre ich gerade nebenher über die Spotify App auf meinem iPhone eine wilde Mischung von alten Songs aus meiner Jugend - von der Ur-Boyband Bay City Rollers und der exaltierten Rockband Jethro Tull bis hin zur Irish Folk Band The Dubliners. Deren Alben habe ich alle schon längst nicht mehr. Was aber überhaupt nichts ausmacht, denn solange ich zehn Dollar im Monat für mein werbefreies Spotify Premium Abo bezahle, kann ich online und offine so viele Titel hören, wie ich will, egal ob ich gerade auf dem Nostalgietrip bin oder neue Musik entdecken will.

Manchmal lasse ich mich von einem Song in eine grob vorgegebene Richtung treiben und die App schlägt neue Titel vor, die dazu passen. Diese Funktion nennt sich "Radio". Mit "Daumen rauf" oder "Daumen runter" kann ich meinen persönlichen Radiosender immer weiter verfeinern oder auch immer wieder neue Sender einstellen, wenn ich in der Stimmung für etwas ganz anderes bin. Spotify ist per Bluetooth mit meinem kleinen, aber leistungsstarken Bose Lautsprecher verbunden. Und wenn ich verreise, nehme ich meine gesamte Musiksammlung mitsamt Hardware einfach mit. Sie nimmt im Koffer weniger Platz weg als mein Kulturbeutel.

Worauf ich hinaus will: Musik hören ist eine der Tätigkeiten, die ich nahezu vollständig in die Datenwolke verlagert habe. Ich kaufe auch kaum noch Songs per Download und liege damit ebenfalls im Trend. Weshalb Apple mit seinem neuen kostenpflichtigen Angebot Apple Music lieber seinen eigenen iTunes Store kannibalisiert als sich das Milliarden schwere Geschäft mit dem Streaming entgehen zu lassen. Apple sieht das ganz nüchtern, ich auch. Datenträger kommen und gehen. Musik bleibt.

Ulrike Langer ist freie Korrespondentin an der US-Westküste und Digital-Expertin. Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin: kolumne@rheinische-post.de. Oder folgen Sie ihr auf Twitter.

(RP)
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