IT-Berater in der Provinz "UZB auf der Rechnung heißt: User zu blöd"

Düsseldorf · Philipp Spielbusch kann jeden Tag zum Helden werden. Er ist IT-Berater in der westfälischen Provinz – und hat darüber ein Buch geschrieben.

 Mit Windows XP sollte man laut Philipp Spielbusch höchstens noch seine Modelleisenbahn betreiben.

Mit Windows XP sollte man laut Philipp Spielbusch höchstens noch seine Modelleisenbahn betreiben.

Foto: dpa, fpt kno ole jhe

Philipp Spielbusch kann jeden Tag zum Helden werden. Er ist IT-Berater in der westfälischen Provinz — und hat darüber ein Buch geschrieben.

 "Nix" - wenn IT-Berater Philipp Spielbusch seine Kunden fragt, was sie gemacht haben, kennen sie nur eine Antwort.

"Nix" - wenn IT-Berater Philipp Spielbusch seine Kunden fragt, was sie gemacht haben, kennen sie nur eine Antwort.

Foto: Sylvia Witt

Wann haben Sie zuletzt in die Tastatur gebissen?

Philipp Spielbusch Heute Morgen.

Erzählen Sie.

Spielbusch Der klassische Fall. Kunde ruft an: Hier geht nix mehr. Ich frage: Was geht nicht mehr? Ja, alles. Techniker fährt hin und stellt fest: Batterie der Funkmaus leer.

Wann verzweifeln Sie sonst noch?

Spielbusch Wenn ich frage: Was haben Sie denn gemacht? Dann lautet die Antwort immer "Nix". Und wenn ich frage "Auf welchen Webseiten surfen Sie denn so?" - dann heißt es "Äh… Google".

Können Sie Ihre Kunden nicht erziehen?

Spielbusch Das haben wir versucht. In größeren Unternehmen versuchen wir uns immer einen Mitarbeiter heranzuziehen, der unser erster Ansprechpartner ist und die ganz einfachen Dinge abarbeiten kann.

Rufen die Leute auch an, wenn bloß kein Papier im Drucker ist?

Spielbusch Das haben wir auch schon erlebt. Oder der Kunde ruft an und sagt: Der Drucker druckt nicht. Steht was im Display? Nein. Ich fahre hin und auf dem Display steht "Toner wechseln". Diese Leute wollen sich mit der Materie einfach nicht auseinandersetzen.

Und dann stellen Sie eine Rechnung dafür aus, dass Sie die Druckerpatrone gewechselt oder Papier nachgefüllt haben?

Spielbusch Natürlich. Wir leben von der Dienstleistung. Wenn es sich um Lappalien handelt, schreiben wir manchmal bei besonders engen Kunden "Fehler: UZB" auf die Rechnung. Dann weiß die Buchhaltung Bescheid, wo oder was der Fehler war: "User zu blöd".

In Ihrem Buch berichten Sie von einem besonders schlauen Apotheker.

Spielbusch Eines Tages rief ein Kunde an und sagte, wir sollten an unserem Fax mal die Tinte tauschen, wir hätten ihm eine leere Seite geschickt. Im ersten Moment habe ich gedacht, dass der uns verarscht. Dann habe ich es noch mal gefaxt, aber die Seite kam wieder leer raus.

Wie erklärt man so jemandem, dass er an seinem Fax die Tinte tauschen muss?

Spielbusch Unser Techniker hat sich was überlegt. Er rief ihn später an und beschuldigte den Mann, dass wir durch die Geräte, die bei ihm zuhause stehen, hier im Büro Stromschwankungen hätten. Das hat er zuerst für bare Münze genommen. Wir lachen heute noch über den Vorfall. Alle drei.

Wann zeigen sich die Kunden resistent?

Spielbusch Wenn es um Updates, Sicherheit und neue Geräte geht. Häufig wenn die alten Haudegen noch was zu sagen haben, die mit der IT-Materie nichts zu tun haben. Dann sagt ein Maurer: Ich verdiene Geld damit, dass meine Leute Mauern hochziehen, nicht mit der EDV. Wenn ein Mitarbeiter vor einem XP-Rechner sitzt, der fünf Jahre nicht gewartet worden ist, und der eine Dreiviertelstunde warten muss, bis der Rechner hochgefahren ist, muss ich dem Haudegen begreiflich machen, dass er Geld rauswirft. Gerne sagt der Chef dann: Aber der geht doch noch.

Haben die Kunden auch mal ernstzunehmende Probleme?

Spielbusch Wenn zum Beispiel ein Server in einem Unternehmen ausfällt, ist höchster Alarm. Aber ein Riesenproblem sind in letzter Zeit die Krypto-Trojaner…

… die was?

Spielbusch Schadsoftware, die den Computer solange sperrt, bis man einen Betrag überwiesen hat.

Wie passiert das?

Spielbusch Beispiel: Irgendein Mitarbeiter öffnet eine E-Mail, Sicherheitswarnung durch das Sicherheitsprogramm kommt, wird nicht gelesen und weggeklickt. Anhang wird geöffnet und ausgeführt, Sicherheitswarnung poppt auf, wird nicht gelesen und weggeklickt. Dann ist der Computer verschlüsselt. Den letzten Fall hatten wir vor zwei Wochen. Da hat es der Krypto-Trojaner geschafft, in weniger als fünf Minuten das komplette Unternehmen zu verschlüsseln. Dann ruft der Kunde an und sagt, er könne seine pdf nicht öffnen. Wir schauen uns das an und sagen: Oh.

Und dann hilft nur noch zahlen?

Spielbusch Nein, aber wenn sie ein intelligent geführtes Backup haben, dann ist der Schaden relativ gering.

In welchem Fall sollte ich als Privatnutzer besser mal Sie anrufen?

Spielbusch Da geht es meist um Virenbefall, weil der Kunde meint, mit seinem kostenlosen Virenschutz sei er bestens bedient.

Ich meine das auch.

Spielbusch Wir haben mal mit einem Kunden eine Wette abgeschlossen: Dein Rechner hat Viren, das kann ich schon riechen. Und er sagte: Nein, ich habe seit Jahren einen kostenlosen Schutz. Ich hatte noch nie ein Problem. Aber nur weil ein Programm nicht sagt, dass es ein Problem gibt, heißt es nicht, dass es kein Problem gibt. Nach zehn Minuten hatten wir 600 Viren gefunden und zwei Kästen Bier gewonnen.

Wie schütze ich mich dann vor Viren?

Spielbusch Nehmen Sie auf jeden Fall eine Bezahlsoftware, die bei den Tests immer vorne mitmischt.

Es mag ja sein, dass ich Viren habe, von denen ich nicht weiß, aber mein PC hat es bisher immer noch überstanden. IT-Experten in Internetforen klingen da sehr dramatisch und sagen, ich bräuchte eine Strategie gegen Viren.

Spielbusch Natürlich, auch im privaten Bereich reicht ein kostenloser Schutz nicht aus. Fragen Sie sich doch mal, warum es von einem Hersteller ein kostenloses und ein kostenpflichtiges Produkt gibt.

Aber ich habe noch eine Firewall von Windows.

Spielbusch Die nennt sich nur Firewall. Stellen Sie sich ein 20 Meter breites Tor vor, und ein kleiner Junge kontrolliert die Ein- und Ausgänge.

Aber wenn ich bestimmte Seiten wie Youporn einfach nicht besuche.

Spielbusch Früher hätte das geholfen, aber die Viren und Trojaner springen heute unterwegs auf. Wie Schnupfen im Bus. Das kann Ihnen auch auf renommierten Seiten passieren. Heute werden mit Viren auch ganz andere Ziele verfolgt. Früher hat sich der Virus schnell bemerkbar gemacht, weil der Programmierer nur mal seine Eier zeigen wollte. Heute laufen die so lange wie möglich im Hintergrund. Die sind scharf auf Benutzernamen, Kennwort und andere Daten. Die warten nur darauf, dass Sie sich irgendwo anmelden.

Wie energisch versuchen Sie, einen Kunden davon zu überzeugen, sich von Windows XP zu verabschieden?

Spielbusch Das machen wir einmal, zweimal — und dann lassen wir ihn mit dem Rechner alleine. Es sei denn, er braucht sein XP ausschließlich offline, um seine Modelleisenbahn zu betreiben. Aber sobald er damit auch nur Homebanking machen will, lehnen wir das ab. Wer heute noch XP nutzt, steht nackt im Internet.

Sagen Sie auf Partys eigentlich, was Sie beruflich machen? Dann müssen Sie ja nur noch Fragen beantworten.

Spielbusch Wir leben hier auf dem Dorf, uns kennt im Prinzip jeder. Manchmal wird es schon lästig. Meine Frau weiß ganz genau: Wenn sie mich kurz zum Milch holen in den Supermarkt schickt, dauert es eine Dreiviertelstunde, bis ich zurück bin. Natürlich kommen dann die Fragen. "Mensch, ich hab da mal ein Problem." Auf der anderen Seite hilft uns das natürlich auch — die Leute vertrauen uns. Der PC ist schließlich wie die eigene Sockenschublade.

Sie haben einen Beruf, bei dem Sie schnell zum Helden werden können.

Spielbusch Eine Kunde ruft an und sagt: Du, mein Schwager Paul hat den PC neu gemacht. Da weiß ich sofort: Da ist was schiefgelaufen. Er hat ihm das Betriebssystem neu installiert. Und dann fragt er Paul: Wo sind denn meine Kinderfotos? Und Paul hat keine Ahnung. In dem Fall haben wir Glück gehabt und 60 Prozent der Fotos retten können. Da liefen ihm die Tränen über die Wangen.

Wie darf ich mir Ihren Computer vorstellen?

Spielbusch Zuhause nutze ich nur noch das Tablet. Das ist das höchste, was ich nach einem Arbeitstag bedienen möchte.

Wohin gehen Sie, wenn Sie ein Computerproblem haben, das Sie nicht lösen können?

Spielbusch Zu meinem Techniker. Oder in spezielle Internetforen, also nicht gerade gutefrage.de. Aber es gibt Probleme, die kannst du nicht erklären. Dann sitzt ein böser Geist im Gerät.

(seda)
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