Kolumne Total Digital Die Seele von Facebook

München · Mark Zuckerberg ist unter Beschuss, weil er Holocaust-Leugnungen in seinem sozialen Netzwerk Facebook nicht löschen will. Wie tickt der Mann, der über die Bildschirminhalte von zwei Milliarden Facebook-Nutzern entscheidet?

 Das Logo von Facebook auf dem Schirm eines Handys.

Das Logo von Facebook auf dem Schirm eines Handys.

Foto: AP/Matt Rourke

Facebooks Ruf ist katastrophal. Man nutzt es, weil alle es tun und weil weit und breit keine Alternative in Sicht ist, auf die man ausweichen könnte. Facebook ist sich dessen durchaus bewusst. Nach dem Cambridge-Analytica-Skandal hat der Konzern eine Imagekampagne („Ein besseres Facebook“) geschaltet, in der man Besserung gelobt. Wie so oft.

Wie Facebook hinter seiner gut geölten PR-Maschine tickt, offenbart ein Interview, das Firmenchef Mark Zuckerberg letzte Woche dem Branchenblog Recode gegeben hat. Auf die Frage, weshalb er Seiten, die den Holocaust leugnen, nicht einfach löscht, entgegnet Zuckerberg: Er denke nicht, dass man Dinge entfernen sollte, „bei denen verschiedene Menschen falsch liegen“. Er glaube nicht, dass diese „absichtlich falsch liegen“.

Nicht nur in den USA schlug diese Aussage hohe Wellen. Zuckerberg verharmlost den Holocaust, indem er den millionenfachen Judenmord als falsche aber durchaus zulässige Meinung bezeichnet, die man vertreten könne? Wie naiv kann ein Mensch sein, noch dazu einer, der darüber bestimmt, was zwei Milliarden Menschen tagtäglich auf ihren Bildschirmen zu sehen bekommen?

Man täte Zuckerberg Unrecht, hinter seinen Aussagen historisches Unwissen oder gar unternehmerisches Kalkül zu vermuten. Tatsächlich ist der Facebook-Chef beseelt von einer Technikgläubigkeit, die unsere Weltsicht bei weitem übersteigt. Sein Geist ist geprägt von einem aufrichtigen Glauben, dass sich sämtliche Menschheitsprobleme, egal wie komplex sie uns heute erscheinen, letztlich durch den richtigen Programmiercode lösen lassen.

 Unser Kolumnist Richard Gutjahr.

Unser Kolumnist Richard Gutjahr.

Foto: grafik/Mathias Vietmeier

Vielleicht werden Computer tatsächlich bald in der Lage sein, Hass und Hetze selbständig zu erkennen und aus dem Netz zu tilgen. Vielleicht werden Maschinen sogar eines Tages nicht nur klüger sein als wir Menschen, sondern auch eine Art „Bewusstsein“ besitzen. Das Letzte, was eine Künstliche Intelligenz entwickeln muss, um wahrhaft menschlich zu werden, hat nichts mit Bits und Bytes, mit Big Data oder Algorithmen zu tun. Es nennt sich: Gewissen.

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