Kolumne: Total Digital Kulturwandel durch Foto-Apps

Eltern reagieren mitunter kopfschüttelnd auf den Fotowahn ihrer Kinder. Oft wird geraunt: "Und dann sind das nicht mal schöne Fotos." Die "Generation Smartphone" hat einen Kulturkampf ausgelöst. Es geht um das Foto. Stellvertreter der unterschiedlichen Konzepte sind die Foto-Apps Instagram und Snapchat. Beide erleben in Deutschland großen Zulauf.

Hierzulande ist bereits jeder vierte Teenager bei Snapchat. Es könnten noch mehr sein, wenn die App nicht so kompliziert wäre. Snapchat hat zu einer Umdeutung des Fotos geführt: "Wenn Kinder etwas fotografieren, was man selber nie ablichten würde, dann liegt es daran, dass sie Fotos benutzen um zu reden", sagt Snapchat-Gründer Evan Spiegel. "Früher wurden Fotos gemacht, um Erinnerungen festzuhalten. Heute werden sie zur Kommunikation eingesetzt." Bisher definierte die Summe der Fotos, wer man war. Bei der heutigen Foto-Flut ist das nicht mehr möglich. Fotos sind so flüchtig wie das gesprochene Wort, weswegen man sich private Bilder auf Snapchat auch nur einmal ansehen kann.

Für Instagram-Liebhaber ist dieser Umgang mit Fotos unverständlich. Neun Millionen deutsche Nutzer gibt es. Der ältere Teil der "Millennials", zu dem ich (Jahrgang 1982) Wikipedia zufolge noch gehöre, hat das Konzept "Foto" erlernt, als es weder Smartphones, noch Digitalkameras gab. Der Aufschwung von Snapchat verdrängt Instagram aber nicht, sondern verändert es. Nutzer veröffentlichen weniger Momentaufnahmen. Es wird mehr inszeniert. Die Foto-Chronologie der Instagrammer wird zum Portfolio des eigenen Lebens. Mein Lieblingsessen, mein Lieblingsselfie vor dem Spiegel, mein Lieblingssonnenuntergang.

Wenn Sie sich das nächste Mal wundern, was die Jugend alles fotografiert, machen Sie sich keine Sorgen. Ihr fehlt nicht der Geschmack für schöne Fotos, sie will nur reden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor unter kolumne@rp-online.de

(RP)
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