Total digital Kriegserklärung aus dem Netz

Rückzug aus dem Internet ist keine Antwort auf die neuartigen Bedrohungen. Stattdessen müssen wir die digitale Welt mit Hochdruck erschließen.

Total digital: Kriegserklärung aus dem Netz
Foto: Mathias Vietmeier

Meine Jugend war geprägt von Sponti-Sprüchen wie diesem: Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Ich habe einen neuen: Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner kriegt's mit. Im Ernst: Wenn Daten das Erdöl des 21. Jahrhunderts sind, werden die Kriege der Zukunft dann unsichtbar, unhörbar im Internet ausgetragen?

Wie wir jetzt erfahren, sind letztes Jahr feindliche Trojaner in 17 Rechner der Bundesverwaltung eingedrungen und haben dort über ein Jahr lang spioniert. Im Außenministerium sollen die Angreifer einige Dokumente erbeutet haben. Vermutet werden dahinter russische Hacker. "Wir nehmen mit Bedauern zur Kenntnis, dass alle Hackerangriffe in der Welt mit russischen Hackern in Verbindung gebracht werden", ätzte ein Kreml-Sprecher im Zusammenhang mit der Attacke. Damit trifft er einen Nerv. Es wäre naiv zu glauben, nur Russen oder Chinesen nutzten diese moderne Form der Kriegsführung. Stuxnet lässt grüßen - dahinter werden die USA und Israel vermutet.

Wir spotten über Bundeswehr-Helikopter, die nicht fliegen, oder U-Boote, die nicht tauchen. Doch gerade virtuelle Angriffe treffen uns auf einem Gebiet, wo wir in Deutschland am meisten hinterherhinken: im Digitalen.

Zyniker feixen, zum Glück hätten wir eines der langsamsten Netzwerke der Welt, da könne weniger passieren. Doch sind museumsreife Kupferdrähte die Antwort auf eine solche Bedrohung?

Es gibt eigentlich nur zwei Optionen: Stecker raus und zurück in die analoge Steinzeit, nach dem Motto: Wo kein Internet, da auch keine Gefahr. Oder aber: Lasst uns die digitale Welt mit Hochdruck erschließen und besser gewappnet sein für alles, was kommt. Jetzt den Stecker zu ziehen und sich abzuschotten, wäre fatal - Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Richard Gutjahr ist Moderator für das Bayerische Fernsehen und Blogger. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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