Total digital Wenn Influencer raten, was man nicht kaufen soll

Meinung · De-Influencing: Die chinesische Social-Media-Platform TikTok hat einen neuen Ansatz entwickelt, der Schule machen könnte. Leider ist er ein Etikettenschwindel.

Die meisten „Deinfluencing“-Videos leiten ihre Follower auf andere Produkte um (Symbolbild)

Die meisten „Deinfluencing“-Videos leiten ihre Follower auf andere Produkte um (Symbolbild)

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Obwohl die meisten es nicht zugeben würden, ist fast jeder Internetnutzer schon einmal beeinflusst worden. In diesem werbeüberladenen Umfeld sind Enttäuschungen unvermeidlich. Der kalorienarme Snack von Fitness-Influencern schmeckt eben nicht wie die Lieblingsschoki. Der Trend, der seit Januar die App TikTok erobert hat, heißt „De-Influencing“. Während Influencer in ausgiebigen „Shopping Hauls“ zeigen, warum man ein Produkt jetzt unbedingt braucht, überzeugen De-Influencer einen vom Gegenteil. Es ist ermüdend, wenn man hört, dass alles ein Wundermittel ist.

Die weltweite Rezession hat bereits die Art und Weise beeinflusst, wie Werbetreibende an Influencer-Kampagnen herangehen, da das Publikum in Zeiten der Lebenshaltungskostenkrise zunehmend empfindlich auf Angeberei reagiert. Aber die Abkehr vom Influencing ist auch eine Reaktion auf die App TikTok selbst. Vor ein paar Jahren fühlte sich TikTok authentisch an, weil es Entertainment pur und nicht seriös war. Ende 2022 führte TikTok seinen TikTok Shop ein, der es den Nutzern ermöglicht, in der App einzukaufen, ohne zu einem Drittanbieter weitergeleitet zu werden. Natürlich sind die „Must-Have“-Produkte jetzt überall auf der App zu finden und Produktplatzierungen überschatten jedes Katzenvideo.

De-Influencing sollte ursprünglich die Menschen davon abhalten, ihre Identität an das zu binden, was sie kaufen und unnötig Geld zu verschwenden – jetzt wird bereits kritisiert, dass der De-Influencing-Trend die Negativität in der Gesellschaft nährt. Ich halte De-Influencing einfach für eine andere Form von Influencing. Die meisten „Deinfluencing“-Videos leiten ihre Follower auf andere Produkte oder deren „Duplikate“ um. Im Grunde genommen sind die meisten „Deinfluencer“ doch Influencer im Schafspelz. Während der übermäßige Konsum eigentlich bekämpft werden soll, werden doch andere Arten des Konsums angeregt.

Es ist möglich, dass dieser ganze Trend nur ein Strohfeuer ist, aber selbst wenn der Hashtag #deinfluencing stirbt – der Appetit auf Authentizität und brutale Ehrlichkeit wird bleiben.

Unsere Autorin ist Start-up-Gründerin und Sprecherin der Initiative NRWAlley. Sie wechselt sich hier mit Blogger Richard Gutjahr ab.

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