Kolumne: Total Digital Unsere Daten außer Kontrolle

In einem überraschenden Urteil hat der EuGH den freien Datenaustausch zwischen der EU und den USA für unzulässig erklärt. Nur einen Tag später kassierte das Bundesverfassungsgericht die staatliche Bestandsdatenauskunft.

 Der Europäische Gerichtshof hat erneut über das Datenschutzabkommen zwischen der EU und der USA entschieden.

Der Europäische Gerichtshof hat erneut über das Datenschutzabkommen zwischen der EU und der USA entschieden.

Foto: dpa-tmn/Ole Spata

Der Europäischer Gerichtshof (EuGH) kippt das US-EU-Datenschutzabkommen „Privacy Shield“. Der  sollte EU-Bürgern garantieren, dass ihre Daten auch in den USA vor fremden Augen sicher sind. Weil US-Behörden als Reaktion auf die Terroranschläge von 9/11 de facto unkontrolliert Zugriff auf die Server von Facebook, Google oder Microsoft haben, erklärten die Richter den freien Datentransfer zwischen der EU und den USA für unzulässig. Nur einen Tag später kassierte das Bundesverfassungsgericht mehrere Regelungen zur Bestandsdatenauskunft. Im Grundsatz geht es um die Frage, wer über persönliche Nutzerdaten verfügen darf: Konzerne, Behörden oder die Nutzer selbst?

Mit Verweis auf die Strafverfolgung predigen Sicherheitspolitiker gerne, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Richtig. Aber dann zu verlangen, dass Konzerne und Behörden Zugang auf Nutzerdaten haben sollen, gleicht totalitären Systemen, nicht aber einem Rechtsstaat.

Foto: RP Grafik/RP, Phil Ninh

Bei dem EuGH-Urteil geht es um das massenhafte Abfischen intimster Daten und privater Unterhaltungen von arglosen Bürgern auf Verdacht. Otto Schily war der erste deutsche Bundesinnenminister, der in der rot-grünen Koalition die Unschuldsvermutung mit einem Handstreich über den Haufen warf: „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten“. Eine Umkehrung eines der höchsten Rechtsprinzipien westlicher Demokratien.

Demokratien sind verwundbar, dazu müssen wir nicht in die Türkei oder nach Amerika schauen. Wer meint, dass wir immun sind gegen problematisches Personal in Spitzenpositionen, der sollte sich doch einfach mal zurückerinnern, wer bis vor kurzem noch Chef der mächtigsten Geheimdienstbehörde unseres Landes war.

Richard Gutjahr ist Moderator und Blogger. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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