Kolumne "Total Digital" Die Hotel-Revolution begann auf Luftmatratzen

Düsseldorf · Die Online-Plattform Airbnb vermittelt Wohnungen - mehr als 800 000 Betten sind im Angebot. Das geniale Rezept: massenkompatibler Nonkonformismus.

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Im Frühjahr war ich für ein paar Tage in San Francisco zu Besuch. Ich habe mir mit zwei Freunden für wenig Geld eine sehr kleine, aber genial gelegene Wohnung geteilt. Ein bezahlbares Hotelzimmer in dieser Gegend zu finden, wäre bestimmt schwierig gewesen. Aber ich gestehe: Das habe ich gar nicht erst probiert, denn mittlerweile führt bei der Zimmersuche mein erster Klick im Netz stets zur Zimmervermittlungs-Plattform Airbnb.

In San Francisco habe ich auch die Zentrale von Airbnb besucht. Dort werden Mythen und Meilensteine des Unternehmens zelebriert, zum Beispiel mit dem Nachbau des Wohnzimmers der beiden Gründer Brian Chesky und Joe Gebbia. Die ersten zahlenden Gäste schliefen dort auf Luftmatratzen und bekamen ein Frühstück - "Air, Bed and Breakfast" (bald zu "Airbnb" abgekürzt) war geboren. Außerdem zu bestaunen: eine Teeküche, die detailgetreu nach einer echten Küche in Reykjavik gebaut wurde. Büros, die genauso eingerichtet sind wie einige originelle Unterkünfte auf der Plattform - "Listings" in der Airbnb-Sprache. Und Fotos mit Pfahlbauten, Leuchttürmen, Hängematten und den Menschen, die solch ungewöhnliche Unterkünfte vermieten. Nonkonformismus massenkompatibel zu vermarkten, ist eine geniale Strategie von Airbnb.

Darüber kann man für einen Moment vergessen, dass das einstige Matratzen-Startup nach Schätzungen von Analysten zehn Milliarden Dollar wert ist. In 190 Ländern stehen bereits mehr als 800 000 Betten zur Verfügung. Das sind mehr, als die internationalen Hotelketten Hilton und Intercontinental anbieten, ohne dass Airbnb auch nur ein einziges Bett selbst besitzt. Allein 2013 verbuchte die Plattform mehr als zwölf Millionen Übernachtungen. Mittlerweile spürt Airbnb - ähnlich wie der Fahrtenvermittlungsdienst Uber - zwar auch heftigen Widerstand; Hotels klagen gegen die immer stärker werdende Konkurrenz, Vermieter müssen in San Francisco neuerdings Hotelsteuer zahlen. Und der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates New York hat gerade drei Viertel aller Vermietungen in Manhattan für illegal erklärt.

Doch Airbnb greift unbeirrt neue Branchen an. Zum Beispiel Taxis (und Uber) und Restaurants. In einigen Testmärkten können sich Besucher über Airbnb vom Flughafen abholen oder Mahlzeiten in die Wohnung bringen lassen.

Solch kostenpflichtigen Luxus haben wir in San Francisco zwar nicht genossen. Dafür habe ich den Gründergeist von Airbnb gehört und gespürt, als mitten in der Nacht die Luft aus meiner Matratze entwich und ich auf dem Fußboden lag.

Ulrike Langer ist freie Korrespondentin an der US-Westküste und Digital-Expertin. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de - Sie ist auch auf Twitter unter @UlrikeLanger und in ihrem persönlichen Blog erreichbar.

(RP)
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