Zahl der Angebote stieg um 50 Prozent Rechte ködern Jugendliche über Social Media

Berlin · Sie bieten rechtsextreme Musikkanäle als App an oder tarnen Rassismus in sozialen Netzwerken als Satire: Neonazis nutzen Social Media immer mehr für ihre Propaganda. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl solcher Angebote um 50 Prozent, wie die Organisation jugendschutz.net bei der Vorstellung ihres Berichts 2012 mitteilte.

Der Verfassungsschutzbericht 2012 - Hintergründe und Infos
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"Moderne Neonazis präsentieren sich als Menschenfreunde, die sich 'kümmern' und der jungen Generation modische Styles, Action und Events bieten. Andererseits suchen sie sichere Häfen im Netz, wo sie ungehindert und immer aggressiver gegen Minderheiten hetzen", erläutert Stefan Glaser, Leiter des Extremismusbereich, bei jugenschutz.net bei der Vorstellung ihrer Jahresberichts am Dienstag. Und das in zunehmendem Maße.

Laut dem Bericht wurde im vergangenen Jahr ein Drittel mehr rechtsextreme Angebote im Internet registriert. Der größte Anstieg war allein im Bereich der sozialen Netzwerke zu sehen. Dort verzeichnete die Organisation einen Zuwachs um 50 Prozent. So wird in dem Bericht darauf aufmerksam gemacht, dass die Zahl der rechtsextremen Seiten zwar gesunken sei (die meisten Seiten aus dem Kameradschaftsspektrum gab es übrigens in NRW), sich die Neonazi-Propaganda aber vermehrt auf die sozialen Kanäle konzentriert.

196 rechsextreme Kanäle auf Twitter

So hat das Team von jugendschutz.net etwa auf Twitter 196 rechtsextreme Kanäle dokumentiert, aber auch auf Facebook sind die Neonazis aktiv oder bieten sogar eigene Apps an — ein neuer Trend, wie es in dem Bericht heißt. Auch mit QR-Codes wird für die braune Propaganda geworben. Doch das nicht immer offensiv.

Wie es in dem Bericht heißt, wird über die sozialen Netzwerke versucht, Anschluss an den Mainstream zu finden. Der rechtsextreme Bezug sei oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Ein Beispiel, das immer wieder in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielt, sind etwa Seiten, die sich gegen Kinderschänder richten.

Ein weiteres Beispiel, das nun von jugendschutz.net genannt wurde, sind die "Identitären". Im deutschsprachigen Raum seien diese derzeit vor allem ein Internetphänomen. Die Protagonisten würden nationalsozialistisch geprägte Begriffe vermeiden, präsentierten sich zukunftsorientiert und suchten so die Akzeptanz eines breiten gesellschaftlichen Spektrums. "Slogans wie '100 % Identität, 0 % Rassismus' stehen dabei in Widerspruch zum eigentlichen Ziel: Erhalt der 'ethnokulturellen Identität'", heißt es in dem Bericht.

Das Problem der Satire bei Facebook

Auch über Blogs versuchen die Neonazis, vermehrt Jugendliche anzusprechen. Die seien oft sehr modern gestaltet, verwendeten Symbole mit leichtem Wiedererkennungswert, etwa Pinsel oder Flammen. Dabei würden etwa rassistische und demokratiefeindlichen Statements verbreitet.

Zahlreiche Beschwerden habe jugendschutz.net zudem über rassistische Witze bei Facebook erhalten. Dabei handele es sich meist um Profile, auf denen unter der Kategorie "Umstrittener Humor" Juden, Behinderte oder Homosexuelle herabgewürdigt würden. Das Problem: In Deutschland ist Satire als eine Form der Meinungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützt. Auch ein Einschreiten von Facebook bei solchen Seiten gebe es kaum, so die Organisation.

Ebenfalls zugenommen hätten im vergangenen Jahr die islamfeindlichen Webseiten — und zwar um 60 Prozent. "Auf multimedialen Blogs wie Zukunftskinder und ähnlich ausgerichteten Facebook-Seiten wurden Muslime pauschal verunglimpft", heißt es in dem Bericht.

Internationale Zusammenarbeit nötig

Jugendschutz.net lobt aber auch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und großen Providern, wenn es um die Löschung solcher rechtsextremen Inhalte geht (mit Ausnahme des Satire-Problems auf Facebook). So heißt es, dass insbesondere durch die Kooperation mit den US-Diensten die meisten Hassinhalte gelöscht werden konnten. Kritisiert wird allerdings, dass es noch keine technischen Möglichkeiten gebe, etwa schon einmal gelöschte Videos auf Youtube noch einmal hochzuladen.

Die internationale Zusammenarbeit ist auch ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, rechtsextreme Inhalte zu löschen. Denn, so wird in dem Bericht auch festgestellt, zwar sind die meisten rechtsextremen Webseiten in Deutschland registriert, bei den Social-Media-Angeboten ist das Gros allerdings in den USA beheimatet. Und auf US-Servern hätten im vergangenen Jahr auch die meisten strafbaren Inhalte gelegen. Deren Zahl nahm übrigens 2012 ebenfalls zu — um 13 Prozent.

(das)
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