Einkaufen im Netz Menschen bummeln lieber online

Düsseldorf · Bislang zeigten sich Großstädte krisenfest gegenüber dem Online-Handel. Der Handelsverband warnt: Diese Zeiten sind vorbei.

 Der Online-Handel wächst, und damit auch die Shoppingmeile Internet.

Der Online-Handel wächst, und damit auch die Shoppingmeile Internet.

Foto: Anna Radowski

Wie sehr sich die Online-Händler auch anstrengen - den Schaufensterbummel können sie bislang nicht ersetzen. Es war eine der letzten Gewissheiten, die den Einzelhändlern in Innenstädten geblieben war, seit Zalando, Amazon und Co. sie mit ihrem riesigem Warenangebot herausfordern. Doch nun zieht selbst das Schaufenster nicht mehr, in Kleinstädten wissen sie das schon länger, nun trifft es auch die Metropolen.

"Wir sehen in den vergangenen drei Jahren, dass auch die großen Städte mit Spitzeneinkaufslagen betroffen sind", sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). 70 Prozent der Geschäfte klagen demnach über rückläufige Besucherzahlen. Als Antwort auf das Internet fordert der Verband auch von den Kommunen mehr Einsatz, wenn es darum geht, die Innenstädte attraktiver zu machen.

Das klingt paradox, denn gleichzeitig ist die Geschäftslage so gut wie zuletzt vor fünf Jahren, für das aktuelle Jahr rechnet der Verband mit einem Wachstum von zwei Prozent auf 481 Milliarden Euro - der Anteil des Online-Handels beträgt daran nur knapp zehn Prozent. Aber es gibt eben auch noch die anderen Zahlen: Die Frequenz in den Fußgängerzonen oder auch die Wachstumsraten. Der Online-Handel wächst deutlich schneller, elf Prozent werden es 2016 im Vergleich zum Vorjahr laut HDE sein.

"Die Läden werden nicht verschwinden"

Den Fortbestand des Einzelhandels in Innenstädten gefährdet das nicht. "Der überwiegende Einkauf wird weiter im stationären Handel gemacht", sagt Genth. Und auch Karl-Erivan Haub, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Tengelmann, sagte zuletzt bei einer Veranstaltung: "Die Läden werden nicht verschwinden." Allerdings müssen sie sich angesichts der Online-Konkurrenz weiter modernisieren.

Die Messlatte ist nicht der Online-Shop XY, sondern Amazon: Schon jetzt entfällt ein Viertel des Online-Umsatzes auf das US-Unternehmen. Nach Berechnungen des "Handelsblatt" verdiente der Online-Händler 2015 umgerechnet knapp 12,3 Milliarden Euro in Deutschland. Zum Vergleich: Der gesamte Umsatz im Online-Handel lag bei 41,7 Milliarden Euro. "Amazon ist inzwischen die Produktsuchmaschine im Internet", beschrieb es der Handelsforscher Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung zuletzt. Er schätzt, dass das Unternehmen bald in Deutschland auch eigene Geschäfte eröffnet: "Amazon ist nicht dogmatisch."

Es wäre ein weiterer Schritt in Richtung Vernetzung von Online- und Offline-Welt. Das Unternehmen dürfte genau beobachten, welche Erfahrungen Konkurrenten machen. Hudetz beobachtet jedenfalls: "Es gibt immer mehr stationäre Händler, die mit sogenannten Cross-Channel-Konzepten punkten können." Statt wild in eigene Online-Shops zu investieren, geht die Branche offenbar inzwischen gezielter vor. "Die Händler schauen genau, was sie dort machen und was sich lohnt", sagt Genth.

Überträgt man den Satz auf den stationären Handel, könnte er auch als Warnung gelten: "Vermieter sollten den Bogen nicht überspannen", sagt Genth: "Und ohne Investitionen der Kommunen wird sich der Handelsstandort nicht entwickeln können."

(frin)
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