Gerichtsentscheidung Sedlmayr-Mörder haben kein Recht auf Vergessen im Netz

Straßburg · Die Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr wollen erreichen, dass ihre Namen aus alten Artikeln im Internet gelöscht werden. Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt: Nein, die Namen bleiben.

 Der Volksschauspieler Walter Sedlmayr (Archivbild von 1989).

Der Volksschauspieler Walter Sedlmayr (Archivbild von 1989).

Foto: dpa/Frank Mächler

Die Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr haben kein Recht darauf, dass ihre Namen aus online archivierten alten Pressetexten getilgt werden. Das entschied am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (Beschwerdenummern 60798/10 und 65599/10).

Die beiden Beschwerdeführer waren im Mai 1993 wegen des Mordes an Sedlmayr verurteilt worden, die Halbbrüder kamen 2007 und 2008 aus der Haft frei. Ihre Beschwerde richtete sich gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser hatte ihre Unterlassungsklagen gegen drei deutsche Medienhäuser abgewiesen: den „Spiegel“, das Deutschlandradio und den „Mannheimer Morgen“. Über deren Webseiten konnten Internetnutzer archivierte Artikel oder Beiträge einsehen, in denen die Namen der Mörder genannt oder Bilder von ihnen gezeigt wurden.

Die beiden Beschwerdeführer sahen dadurch ihr Menschenrecht auf Achtung des Privatlebens verletzt - und das gerade zu einem Zeitpunkt, als sie sich wieder in die Gesellschaft eingliedern wollten. Dieser Argumentation folgten die Straßburger Richter nicht. Die Pressefreiheit erlaube es Journalisten, selbst zu entscheiden, welche Details sie veröffentlichen - zumal dann, wenn wie beim Mord an Sedlmayr ein großes öffentliches Interesse bestehe, urteilten sie. Bedingung dafür sei, dass die Medien nicht gegen ethische Normen verstoßen. Zweifel an der Wahrhaftigkeit der betreffenden Texte gebe es nicht. Auch seien die Beiträge nur beschränkt für Leser zugänglich gewesen - ein Teil verbarg sich hinter einer Paywall, ein anderer war Abonnenten vorbehalten. Die Männer hätten außerdem einst selbst Medien um Berichterstattung in eigener Sache gebeten.

Der „Spiegel“ begrüßte die Entscheidung. „Die im öffentlichen Interesse liegende Funktion eines Online-Archivs als "historisches Gedächtnis" einer Gesellschaft bleibt damit erhalten“, erklärte ein Sprecher des Unternehmens. Im Netz seien rund 1,5 Millionen „Spiegel“-Texte gespeichert, darunter auch weiterhin die Artikel, gegen die sich die Mörder wehrten. Der Medienrechtler Karl-Nikolaus Peifer von der Universität Köln erklärte dazu, das Urteil bewahre die Medienbetreiber vor sehr aufwendigen Tätigkeiten, „die erhebliche Kapazitäten gebunden und vermutlich auch beträchtliche Kosten erzeugt hätten“.

Das Straßburger Gericht schloss sich in weiten Teilen der Meinung des BGH an. Dieser hatte in seinem Urteil das Recht auf Vergessen im Internet gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abgewogen. Den Männern bei ihren Unterlassungsklagen Recht zu geben, hätte nach Ansicht der Karlsruher Richter Medien möglicherweise davon abschrecken können, Texte zu archivieren. Mit solchen Archiven wirkten die Medien aber an der demokratischen Willensbildung mit und erfüllten so ihre Mission.

Beide Seiten können innerhalb von drei Monaten gegen das Urteil aus Straßburg vorgehen. Der bayerische Schauspieler Sedlmayr war im Juli 1990 tot in seiner Wohnung in München-Schwabing aufgefunden worden.

(wer/dpa)
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