Eric Schmidt in Berlin Mister Google besucht die Deutschen

Berlin · Der Google-Chef ist in heikler Mission nach Berlin gekommen. Er muss die löschwütigen Bürger hierzulande davon überzeugen, dass der Internetkonzern nicht das personifizierte Böse ist.

 Sigmar Gabriel (links) und Eric Schmidt.

Sigmar Gabriel (links) und Eric Schmidt.

Foto: dpa, kno

Eric Schmidt reist in letzter Zeit häufiger nach Deutschland. Der Google-Verwaltungsratschef gibt den Außenminister des mächtigen Internet-Konzerns. An den vergangenen beiden Tagen war er wieder in einer delikaten Mission unterwegs: Schmidt muss den Ruf von Google in Deutschland retten. Bei seinem zweitägigen Aufenthalt stand auch ein Treffen mit Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) auf dem Programm. Der Sozialdemokrat hat sich jüngst als scharfer Google-Kritiker präsentiert.

Die erste Etappe von Schmidts Besuch führte ihn gestern zu einem Startup in der deutschen Hauptstadt. Dort versucht der Google-Manager, die Rolle des eigenen Unternehmens herunterzuspielen. Google habe trotz des großen Marktanteils durchaus mit Konkurrenz zu kämpfen. "Unser größter Konkurrent im Suchmaschinenbereich ist Amazon", so Schmidt. Wer etwas kaufen wolle, schaue meist bei Amazon nach.

Doch der Online-Händler ist nicht die einzige Herausforderung für Google. Eine ganz große lautet: Das Internet in Europa darf jetzt vergessen. Deutschland spielt hierbei eine führende Rolle. Fast jede sechste Lösch-Anfrage kommt aus Deutschland. Nach der Prüfung durch Google liegt die Lösch-Quote höher als in anderen Ländern. Doch sowohl Kritiker als auch Befürworter haben sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht angefreundet.

Dies führt unmittelbar zum nächsten Termin von Eric Schmidt. Unter seinem Vorsitz hat der erste Experten-Beirat von Google in Deutschland stattgefunden. Externe Sachverständige wiesen auf das öffentliche Interesse an bestimmten Informationen hin, selbst wenn betroffene Bürger in der Europäischen Union diese aus den Ergebnislisten entfernen lassen wollen. Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin und Verfassungsrechtler, sagte, in Europa gebe es die Tendenz, zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten auszugleichen: "Das EuGH-Urteil fügt eine neue Ebene in diesem Balanceakt hinzu, nämlich, wie mit bereits veröffentlichtem Material umgegangen wird." Dies könne auch die Frage beeinflussen, was überhaupt noch veröffentlicht werden dürfe.

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Am Abend wartete der wichtigste Termin auf Schmidt, sein Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel. Gerade aus der Bundespolitik ist in jüngster Zeit die schärfste Kritik an Google aus Europa laut geworden. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat Google zur besseren Erklärung seines Suchalgorithmus aufgefordert. Die Sortierung habe einen Einfluss auf die Wirtschaft. Er suche eine Einigung, als "letzter Ausweg" sei aber auch eine Zerschlagung des Konzerns möglich. Auch Gabriel hatte in der Vergangenheit eine "Entflechtung" von Konzernen wie Google erwogen. Das Resultat: Ein laufendes Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission gegen Google stand zwar kurz vor einer Einigung, ist aber durch den Druck der Bundesregierung noch einmal verschärft worden.

"Es ist noch kein Fall bekannt, dass Google das Ranking für eigene Zwecke missbraucht", kommentiert Professor Mario Fischer, zuständig für E-Commerce an der FH Würzburg, das laufende Verfahren. Zwar seien einzelne Google-Produkte unter guten Suchergebnissen zu finden. Das liege aber daran, dass viele Kunden die Angebote nutzten. Auch sieht er im Werbeprogramm von Google keinen Marktmissbrauch, da der Konzern die Preise für Anzeigen nicht vorgebe, sondern durch ein Auktionsverfahren die Teilnehmer selbst bestimmen lasse.

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Trotz solcher eher positiven Einschätzungen entsteht der Eindruck, dass Google in der meinungsmachenden Öffentlichkeit in Deutschland unerwünscht ist. Tatsächlich sind keine Umfragen unter Deutschen bekannt, die eine "Google-Angst" andeuten. Nur woher kommt das Unwohlsein? "Google ist eine Metapher", erklärt Igor Schwarzmann, Gründer der Strategieberatung Third Wave in Berlin. "Google steht für das Neue im Internet, dem sich die Nutzer ausgeliefert sehen. Tatsächlich bringt die Technologie Kontrollverlust mit sich, und davor haben die Menschen Angst." Die Macht haben wenige Manager und Entwickler der großen Netz-Firmen. Einen Ausweg sieht Schwarzmann in der Aufklärung über Technologie. Tatsächlich würde es Google gut zu Gesicht stehen, wenn der Konzern sich und seine Ideen besser erklärt.

Das sichert vielleicht auch seine Zukunft. "Die Geschichte hat gezeigt, dass Größe und vergangene Erfolge kein Garant für die Zukunft sind", sagte Schmidt gestern in Berlin. Beispiel: Microsoft. Der Internet Explorer spielt keine nennenswerte Rolle mehr. Zeitweise hatte der Browser eine Nutzerquote von mehr als 90 Prozent. Seine Bedeutung verloren hat er durch neue Konkurrenz wie Googles Browser Chrome. Google muss also selbst gewarnt sein. Irgendwo in einer Garage könnte bereits heute irgendjemand an einer neuen Technologie tüfteln, die Google überflüssig macht. Die Garage kann sogar hier in Deutschland stehen.

(RP)
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