Protest gegen Markus Lanz Muss es denn gleich eine Online-Petition sein?

Düsseldorf · Ein Shitstorm kommt schnell im Netz auf, wenn ein Politiker oder Promi daneben greift. Im Fall von Markus Lanz gibt es nun aber eine ganz andere Art des Protests: Eine Online-Petition fordert die Absetzung des Moderators, Zehntausende unterstützen sie. Dabei wurde diese Instrument bislang vor allem dazu genutzt, sich etwa kommunalpolitisch einzusetzen. Es droht die Bagatellisierung der Online-Petitionen.

Fremdschäm-Momente bei "Wetten, dass..?"
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"Der im expliziten Fall miserable Stil im Umgang mit Sahra Wagenknecht spiegelt in drastischem Maße wider, dass politische Neutralität für Lanz ein Fremdwort ist", heißt es in der Online-Petition, die seit Tagen im Netz die Runde macht. Und am Ende: "Ich forderte das ZDF daher auf sich von Markus Lanz zu trennen." Schon fast 130.000 Unterschriften hatte die Petition am Donnerstagmittag. Mehr Unterschriften erhielt bislang nur die Petition aus Baden-Württemberg gegen das Thema Homosexualität im Unterricht.

Es geht um den Talk "Markus Lanz", in der Studiogast Sahra Wagenknecht von der Linken kaum eine Chance hatte, ihre Sätze auch zu beenden. Dass es nun gegen Lanz nach dem schon klassischen Shitstorm nun auch eine Petition gibt, ist eine neue Dimension. Bislang waren Pevor allem ein Instrument, um sich im politischen Bereich Gehör zu verschaffen. Doch im digitalen Zeitalter verschieben sich die Achsen des Möglichen.

"Wir werden Grenzen stärker herausarbeiten müssen"

"Deutlich wird am Beispiel einer so plötzlich aufflackernden Erregung, dass wir uns im Übergang von der Mediendemokratie zur Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters befinden", sagt etwa Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen im Gespräch mit Zeit Online. "Das Publikum selbst ist zu einem mächtigen Player geworden, besitzt selbst die Instrumente, um ohne größeren Aufwand auf Sendung zu gehen. Auf diese neuen Empörungsverhältnisse müssen wir uns einstellen."

Fürwahr bietet das Netz genug Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Gerade in den sozialen Netzwerken wird dies schon seit Jahren ausgiebig genutzt — mit mal mehr, mit mal weniger ernsthaften Diskussionen. Die Online-Petition ist somit eine von vielen, und auch sie gibt es vielfach. So gibt es etwa diese Möglichkeit bei avaaz.org, einem Kampagnennetzwerk, das sich überwiegend mit Themen wie Korruption, Armut, Krieg und Klimaschutz beschäftigt. Man nutze das Netz, so heißt es auf der Webseite, um individuelle Aktionen zu bündeln und mit vereinten Kräften zu kämpfen.

Auch Fritz Schadow, Plattformsprecher von openpetition.de, hat ähnliche Argumente. Im Interview mit der "Südwest-Presse" sagt er: "Die Grundidee von openpetition.de ist, dass wir Kommunikation und Austausch ermöglichen wollen, um mehr demokratische Teilhabe und Diskussion möglich zu machen." Aber er sagt auch: "Wir können ja keine Listen erstellen mit Themen, die unzulässig oder zulässig sind." Das Interview wurde allerdings nicht im Zusammenhang mit Lanz, sondern im Zusammenhang mit der umstrittenen Petition aus Baden-Württemberg geführt. Und zumeist sind auf der Webseite auch eher kommunalpolitische Petitionen zu sehen.

Auf die Frage, ob Schadow das Petitionsinstrument in Gefahr sehe, sagt er: "Wir müssen Wege finden, damit wir in Einzelfällen schneller entscheiden können, ob eine Petition zulässig ist." Aber er gibt auch zu: "Den goldenen Wurf sehen wir noch nicht. Aber wir werden Grenzen stärker herausarbeiten müssen und dem Nutzer diese rote Linie klar machen."

Der klassische Weg über die Parlamente

Diskutiert wird also in jedem Fall, mitunter sinnvoll, mitunter sinnfrei. Und man kann sich mit Online-Petitionen durchaus Gehör verschaffen — ob nun in der kleinen Gemeinde oder im ganz großen Rahmen wie jetzt bei Lanz. Manchmal kann man damit durchaus Erfolg haben, wenn der öffentliche Druck groß genug ist. So dürfte sich etwa auch der Gymnasiast freuen, der damals eine Online-Petition gegen die Flatrate-Beschränkungen der Telekom initiiert hatte und Zehntausende Unterstützer fand. Das allein hat sicher nicht dazu geführt, dass die Telekom ihre Pläne änderte, aber es war sicherlich ein Puzzle-Stück auf dem Weg dorthin.

Und wer sich doch lieber für den eher klassischen Weg der Petition entscheidet, hat noch immer die Möglichkeit, eine solche bei den Landesparlamenten und dem Bundestag einzureichen. Inzwischen nicht mehr nur mit der klassischen Unterschriftensammlung, sondern auch auf dem digitalen Weg. Bei einer e-Petition, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt, hat der Einreichende vier Wochen Zeit, um etwa im Bundestag die erforderlichen 50.000 Unterschriften zu sammeln, damit sein Anliegen auch Gehör im Petitionsausschuss findet. Diese Form wird auch viel reger genutzt als die klassische Petition.

(das)
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