Wikipedia-Sperrung Linke distanziert sich von Heilmann

Berlin (RPO). Die Linkspartei ist deutlich auf Distanz zum Vorgehen ihres Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann gegen das Internetportal "Wikipedia.de" gegangen. "Wir kämpfen seit Jahren gegen immer wieder mal geäußerte Bestrebungen, das Internet zu zensieren", erklärte die Bundestagsvizepräsidentin der Linken Petra Pau

Fünf Fakten zu Wikipedia
Infos

Fünf Fakten zu Wikipedia

Infos
Foto: wikipedia.de/Screenshot

Der Fortschritt des Wikipedia-Prinzips bestehe darin, "dass es dort keinen Ober-Zensor gibt und keine Chef-Redaktion, die eine politische Linie vorgeben kann". Den Namen Heilmann erwähnte Pau in dem Beitrag aber nicht.

Heilmann hatte sich gegen den Wikipedia-Eintrag zu seiner Person gewehrt und durch eine Einstweilige Verfügung beim Landgericht Lübeck erreicht, dass die Internetadresse "Wikipedia.de" vorübergehend gesperrt wurde. Am Sonntag kündigte er an, auf weitere Schritte gegen den Verein "Wikimedia" zu verzichten, nachdem "die falschen, ehrabschneidenden und deshalb mein Persönlichkeitsrecht verletzenden Inhalte" weitgehend aus dem Artikel entfernt worden seien. Am Montag wurde "Wikipedia.de" dann wieder freigeschaltet.

Gerade gegen konkrete Falschmeldungen könne im Internet auch konkret vorgegangen werden, erklärte Pau. "Wenn ich eine Falschmeldung zum Maßstab für die Existenzberechtigung eines Mediums nehmen würde, dann müsste ich ja in derselben Logik fast alle Printmedien verbieten", fügte sie hinzu.

Sperrung traf nur die Nutzer

Heilmann fehle offenbar das technische Verständnis für das Internet, außerdem arbeite er juristisch oberflächlich, erklärte der Medienexperte der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Heiko Hilker. Er sei gegen einen Verein vorgegangen, der für die Inhalte gar nicht verantwortlich sei. "Damit kappte er eine Weiterleitung, doch die Inhalte blieben unverändert im Internet." Zudem habe er mit er Verfügung nicht diejenigen getroffen, die die Informationen ins Internet stellten, sondern all jene, die Wikipedia-Informationen nutzten.

Internet-Nutzer konnten seit Freitag nicht mehr über die Domain wikipedia.de nach Begriffen in der Enzyklopädie suchen. Das Landgericht Lübeck hatte dem deutschen Verein Wikimedia verboten, auf die deutschen Wikipedia-Inhalte zu verweisen. Wikipedia.de dient lediglich als Portal, das Anfragen auf die Adresse wikipedia.org umleitet. Dort war der beanstandete Eintrag immer zu lesen.

"Gregor Gysi war natürlich nicht erfreut"

Heilmann erklärte bereits am Wochenende zu dem Verfahren: "Mir ging es dabei keineswegs um Zensur, sondern schlicht um eine wahre Tatsachen-Darstellung." Der juristische Weg habe sich aber als problematisch erwiesen, weil Wikipedia-Nutzer in Mitleidenschaft gezogen worden seien.

Dem Abgeordneten zufolge gibt es auch in seiner Partei Kritik an seinem Vorgehen. "Gregor Gysi war natürlich nicht erfreut", sagte Heilmann am Montag der AP. Gysi ist Chef der Linksfraktion im Bundestag.

Wikimedia Deutschland legte bereits in der vergangenen Woche Widerspruch gegen die Verfügung ein. Der Verein ist nach eigenem Bekunden nicht für Wikipedia-Inhalte verantwortlich, sondern will lediglich über die Internet-Enzyklopädie informieren. Seit der vergangenen Woche wurde der Eintrag über Heilmann laut Wikipedia-Protokoll mehrfach überarbeitet. "Der Artikel war nicht perfekt", sagte Moleski.

Spendenaufkommen verfünffacht

Dem Vorstand zufolge bekam Wikipedia viel Unterstützung von Nutzern, etwa in E-Mails, Blogs und Spenden. Die Summe der Spenden habe sich am Wochenende im Vergleich zu normalen Tagen verfünffacht, sagte Moleski.

Heilmann sitzt seit 2005 für die Linkspartei im Bundestag. Er wurde über die Landesliste Schleswig-Holstein gewählt. Der gebürtige Sachse war von 1986 bis 1989 Mitglied der SED und bis 1992 in der Nachfolgepartei PDS. Nach acht Jahren Pause trat Heilmann im Jahr 2000 wieder in die PDS ein, die nach der Fusion mit der WASG unter dem Namen Die Linke fungiert.

Der 42-Jährige ist Diplom-Jurist und arbeitete als Referendar am Landgericht Lübeck, das in der vergangenen Woche auch die einstweilige Verfügung erließ. Einen Zusammenhang mit dem Wikipedia-Fall gebe es nicht, betonte Heilmann.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort