Kolumne „Total digital“ Youtube - die Brutstätte des Hasses

Düsseldorf · Kein Ort im Netz zieht mehr Hass und Hetze an, als die Videoplattform Youtube. Das liegt auch daran, dass der Mutterkonzern Google wenig unternimmt, um daran etwas zu ändern.

 Kolumnist Richard Gutjahr.

Kolumnist Richard Gutjahr.

Foto: Mathias Vietmeier

Noch im März sprach Youtube-Chefin Susan Wojcicki öffentlich davon, wie wichtig es ihr sei, Hass und Missbrauch auf ihrer Plattform einzudämmen. Das war, bevor ein Mann mit einer halbautomatischen Waffe in Neuseeland 50 Menschen tötete und seine Blutorgie live im Internet übertrug.

Moment mal, werden Sie jetzt sagen, was hat denn Youtube damit zu tun? Lief das 17-Minuten-Video mit den Live-Hinrichtungen nicht auf Facebook? Richtig, und dennoch falsch. Denn verbreitet hat sich das Video in Windeseile über alle sozialen Medien. Und wenn man noch etwas genauer hinsieht, dann wird man nicht umhin können, sich die Frage zu stellen, wo der Hass im Netz seinen Anfang nimmt. Und schon sind wir bei Youtube.

Kein Ort im Netz ist ein größerer Nährboden für Volksverhetzung und Verschwörungstheorien - eine Petrischale des Hasses. Es beginnt bei einer harmlosen Suchanfrage, sagen wir, nach einem Urlaubsort. Von dort wird man weitergeleitet zu einem Video über den Klimawandel. Und auf einmal ist man mitten drin, in einer Kloake aus volksverhetzenden und menschenverachtenden Verschwörungstheorien.

Trotz vieler Warnungen und Klagen, sogar flehender Hilferufe der Opferfamilien, diesen Automatismus abzustellen, die Hass und Hetz-Videos aktiv und frühzeitig von der Plattform zu verbannen, ist es Google über Jahre hinweg gelungen, das Thema zu ignorieren. Wie wir dank einer Recherche von Bloomberg jetzt wissen, hat das ganze System. Hass ist Engagement. Und Engagement sind Dollar. Opfer haben keine Lobby und erst recht keinen Einfluss.

Anders die Konzernbosse aus dem Silicon Valley. Erst letzte Woche wieder reiste Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nach Berlin, um sich dort bei der Polit- und Medienelite - man kann es gar nicht anders nennen - einzuschleimen. Ein Hintergrundgespräch hier, ein Minister-Selfie dort. Google und Facebook geben mehr Geld für Lobbyarbeit in Washington, Berlin und Brüssel aus, als die größten US-Rüstungskonzerne.

Und während man so nett beisammen sitzt, abstrakt über Themen wie “Verantwortung” fabuliert oder die Lizenzzahlungen für Urheberrechts-Verstöße verhandelt, werden bei Facebook und Google die nächsten Gewalt und Hetzvideos hochgeladen. Allein auf Youtube 500 Stunden Videomaterial pro Minute. Die Opfer der nächsten Blutorgie - nicht mehr, als bedauerliche Kollateralschäden.

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