Total Digital Ja, ich habe Ihre E-Mail bekommen

Düsseldorf · Digitales Vordrängeln wird bei vielen Berufen zu einem Problem, wie unser Autor feststellt. Diese Marotte verhindert das, was sie eigentlich bezwecken soll: Dass E-Mails in einer angemessenen Frist beantwortet werden.

Kolumne "Total Digital": Ja, ich habe Ihre E-Mail bekommen
Foto: Fiene

"Guten Tag Herr Fiene, Ich komme auf Sie bezüglich meiner E-Mail zurück, welche ich Ihnen gestern geschickt hatte. Haben Sie diese erhalten?" Eine E-Mail von Frau Neumann. Ich kenne weder sie noch ihre Firma. Es ging um eine Studie und ob ich diese veröffentlichen möchte. Nur: Ihre erste E-Mail hatte ich tatsächlich nicht erhalten. Eine technische Panne, oder vielleicht einfach ein Trick, um eine Antwort zu provozieren? Letzteres wäre die nächste Eskalationsstufe im immer intensiver werdenden Kampf um Aufmerksamkeit in den elektronischen Posteingängen.

Diese Frage jemanden ausgerechnet als Mail zu schicken, ist natürlich höchst absurd. Ich habe mich bei Kollegen in der Redaktion und bei anderen Düsseldorfern umgehört, die im Kommunikationsbereich arbeiten. Mein Gefühl wurde dabei bestätigt. Das "ich wollte mal fragen, ob meine E-Mail angekommen ist"-Fieber greift um sich. Wer teilweise nicht innerhalb von wenigen Stunden auf eine Mail reagiert, bekommt diese Nonsense-Frage wahlweise elektronisch oder noch schlimmer per Telefon. Was der Fragensteller wirklich wissen will: Warum habe ich noch keine Antwort erhalten?

Letztens hat eine andere Vertreterin —sie wollte unserer Redaktion eine neue Software verkaufen— eine ganz andere Taktik ausprobiert: Sie hat angefangen ganz viele unterschiedliche Kollegen anzuschreiben. In der Hoffnung, dass irgend ein Mikado-Stäbchen schon wackeln werde. Ich habe sie ganz offen gefragt, warum sie uns zuspamt, statt einfach auf eine Antwort zu warten. Sie schrieb: "Aus Erfahrung wissen wir, dass die meisten Leute Mails die Älter als 3 Tage sind nicht mehr beantworten, weshalb ich davon ausging nicht mehr von dir zu hören. Deshalb auch die verschiedenen Kontaktversuche bei euch." So sehr mich ihre Antwort geärgert hat, desto schlauer macht diese Erkenntnis einer Vertrieblerin, was das E-Mail-Verhalten angeht.

Einige sortieren ihre Mails in ein ausgeklügeltes Ordnersystem ein. Andere nutzen ihren Posteingang als Aufgabenliste. Es bleibt nur das, was noch zu erledigen ist. Wieder andere lassen ihren Posteingang einfach volllaufen und fischen das raus, was sie gerade anspringt. Nach dem Motto: Wenn etwas wichtiges kommt, wird sich die Person schon noch mal melden. Leider wächst die letztere Gruppe. Immer mehr Menschen kapitulieren vor der Mailflut. Die Nebenwirkungen bekommen auch andere zu spüren.

Ich habe viel über das Problem nachgedacht: Es gibt tatsächlich einige Ausnahmen, bei denen man sich noch einmal in Erinnerung bringt. In einigen Fällen kann das sogar rücksichtsvoll sein. Wenn Sie aber regelmäßig fragen, ob eine Mail angekommen ist, dann fragen Sie sich, ob Ihr Anliegen so wichtig ist, dass das digitale Vordrängeln lohnt. Sie wirken nicht nur selbstsüchtig, sondern blockieren Zeit, in welcher Sie eine Antwort erhalten könnten, die sie wirklich verdient hätten.

(dafi)
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