Wie der Moderator das Netz aufmischt Böhmermann, der Twitter-Flüsterer
Düsseldorf · Kein TV-Moderator nutzt das Netz so virtuos für seine Zwecke wie Jan Böhmermann. Nonchalant mischte sich der 33-Jährige jetzt in die Debatte um Youtube-Star Simon Unge ein. Eine Mischung aus (Selbst-)Ironie und kalkulierter Provokation macht Böhmermann zum Star der Generation Twitter - und zu einem ihrer großen Kritiker.
Am 13. Oktober schlägt Jan Böhmermann den Teil der Twitter-Community, der stets nach Peinlichkeiten hechelt und immer zu beißendem Spott bereit ist, mit seinen eigenen Waffen: Der Moderator twittert seine (scheinbar echte) Handynummer. Angeblich will er einer gewissen Saskia mitteilen, dass er nun auch über Whatsapp zu erreichen sei - und schickt dabei seine Nummer gleich mit ins Netz, an seine weit über 100.000 Follower.
Alles sieht nach einer echten Panne aus: Der Tweet ist kurze Zeit später wieder gelöscht, es folgen scheinbar hektisch verfasste Einträge zur Schadensbegrenzung.
Liebe Leute, bitte löscht die NUmmer, das war ein veershene!!! EPICFAIL!
Bei Facebook kommentierte Böhmermann, der für seine eigene Panne flugs die Hashtags #boehmigate und #nummergate einführte, scheinbar erzürnt: "Ich muss mich kurz mal aufregen! Ich habe aus Versehen bei Twitter meine Handynummer gepostet, und ALLE rufen an! In was für einer Welt leben wir denn????!?!?!?!"
Eine Panne? Sicher nicht. Eher eine virtuose Mischung aus Selbstironie und Provokation der teils leicht zu erregbaren Twitter-Gemeinde. Nur wenige Wochen zuvor war dem Noch-Chefredakteur des "Spiegel", Wolfgang Büchner, eine ähnliche Panne unterlaufen. Der hatte tatsächlich seine echte Handynummer getwittert, die er eigentlich als Direktnachricht hatte verschicken wollen. Böhmermann gehörte damals zu den ersten, die auf die Panne aufmerksam wurden.
.@wbuechner, Sie haben nicht gerade wirklich Ihre Handynummer GETWITTERT, oder? Dann hätte ich nämlich mehrere direkte Fragen an Sie! @niggi
Scheinbar naiv schlittert Böhmermann bei Twitter von einem #boehmigate ins nächste. Am Sonntag wurde er zum Ziel der teils erschreckend fanatischen Anhänger des Youtube-Stars Simon Unge, der in einem Video seine Zusammenarbeit mit seinem Vermarkter "Mediakraft" aufgekündigt hatte.
Böhmermann weiß, dass es nur eines sehr leisen Anstoßes Bedarf, um die (größtenteils jugendlichen und größtenteils sehr aufregten) Unge-Fans in Aufruhr zu versetzen. Und so reicht ein eigentlich unspektakulärer Satz, um einen Shitstorm zu entfachen und das nächste #boehmigate zu starten.
Ich mag es, wenn Internetstars mit der Wirklichkeit zusammenstoßen.
Genüsslich retweetet Böhmermann die Reaktionen der Unge-Fans.
@janboehm Darf ich vorstellen, Jan Hurensohn. ausgezeichent als grösste missgeburt und nominiert für die rolle bestes arschloch 2014!
Und er provoziert weiter.
Ich träume so lang schon von einem echten eigenen Shitstorm! Der aktuelle zählt leider nicht: bloß Youtubestars und ihre Fans.
Die umstrittenste Aktion startete Böhmermann im November: Bei Twitter verbreitete er das Hashtag #HelmutkohlRlP - wobei es sich bei dem "I" um ein kleines "L" und kein "I" wie in "Rest in Peace" handelt. Zwar fielen nicht allzu viele Twitter-Nutzer auf die angebliche Todesnachricht herein, doch der (sicher mitkalkulierte) Aufschrei war groß.
#helmutkohlRlP <- not funny.. nicht mal mario bart legt die niveaulatte so tief
Schon zuvor hatte sich der Moderator mit den Fans des Youtube-Stars Sami Slimani angelegt, indem er sich selbst in ein Video montieren ließ und mit einem Gewehr auf dessen Kopf zielte, der sich dann in Konfetti auflöste. Auch hier war die Wut der Fans groß.
Wer Böhmermann vorwirft, er betreibe Provokation nur um des Auffallens wegens, tut ihm unrecht. Böhmermann hält der teils extrem leicht aufzuscheuchenden Online-Community den Spiegel vor. Er beweist, wie zuverlässig die Erregungs-Mechanismen im Netz funktionieren. Dass er und sein Bekanntheitsgrad davon nur profitieren, macht den Moderator, dessen Sendung "Neo Magazin" im neuen Jahr ins ZDF-Hauptprogramm wechselt, zurecht erfolgreicher.
