Youtube-Video versetzt Nahen Osten in Aufruhr Israelische Soldaten tanzen zu Kesha

Jerusalem · Für die einen ist es ein harmloser Bubenstreich gelangweilter Soldaten, für die anderen der Versuch, das Leid der Palästinenser vergessen zu machen. Ein Hip-Hop Tanz israelischer Elitesoldaten sorgt im Nahen Osten für Aufruhr.

Kesha mag's grell und derb
9 Bilder

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Anfangs zeigt das Video eine Szene, wie sie sich im besetzten Westjordanland tagtäglich abspielt: Ein israelisches Kommando marschiert in voller Montur in die menschenleere "Schuhada" (Märtyrer) Straße im Zentrum von Hebron. Im Hintergrund ruft der Muezzin die Gläubigen zum Gebet. Vorsichtig schreiten die Soldaten vorwärts, Gewehre im Anschlag, und suchen misstrauisch ihre Umgebung nach Gefahren ab.

In der Stadt, in der der Überlieferung nach der Stammesvater Abraham begraben ist, ist der Anblick bis an die Zähne bewaffneter Elitesoldaten keine Seltenheit: Im heiklen Zusammenleben rund ums Heilige Grab kommt es oft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Doch dann geschieht plötzlich etwas Überraschendes. Der Muezzin verstummt und das das Lied "Tik Tok" von Kescha plärrt durch die Straße. Die Kampfeinheit wird zur Tanztruppe: Hüfteschwingend und mit Springpirouetten demonstrieren die israelischen Kämpfer, dass auch sie etwas von Choreographie verstehen. Bis sie am Ende, Händchen haltend, aus dem Bild hüpfen.

Das Video, das die israelischen Wehrpflichtigen in eigener Initiative inszenierten und auf Youtube stellten, wurde innerhalb von Stunden zu einem Internethit. Mehr als anderthalb Millionen Zuschauer lachten Tränen, als aus den grausamen Besatzern unerwartet gelangweilte, drollige Teenager wurden. Nachrichtensendungen in aller Welt haben die anonymen Soldaten international berühmt gemacht.

Nicht alle sind von dem Streich angetan. Der arabische Bürgermeister Hebrons, Khaled Osaili, war nicht zum Lachen zu Mute: "Die Leute sollten sich mal fragen, warum die Straße so leer ist, und was die Soldaten mitten in einer arabischen Stadt überhaupt zu suchen haben", sagte er im israelischen Radio.

Etwa 160.000 Palästinenser leben in der Stadt, neben wenigen hundert militanten israelischen Siedlern, die von Soldaten beschützt werden. Die Armee hat Hebron in zwei Zonen aufgeteilt: Araber dürfen nicht in die Siedlerzone, Israelis nicht in die arabische. Die Schuhada Straße, im Stadtzentrum direkt neben Abrahams Grab, ist für Palästinenser gesperrt: "Wir müssen deswegen stundenlange Umwege machen. Selbst die Bewohner der Straße müssen übers Dach in ihre Häuser klettern", sagt Osaili. Das Video vertusche die Unmenschlichkeit der Besatzung.

Auch die Armee war über das Video verärgert. Sie hat gegen die Rekruten wegen "unangemessenen Verhaltens" ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Doch die meisten Israelis lachten herzlich. Im Außenministerium war man vom Scherz und der internationalen Aufmerksamkeit sehr angetan: "Mit diesem kurzen Video wurde der negative Stereotyp des grausamen, anonymen israelischen Soldaten gebrochen", sagte eine Quelle im Amt. "So etwas zeigt der Welt, dass auch wir nur Menschen sind. Unsere Soldaten sind Wehrpflichtige, die dienen müssen, um unser Überleben zu sichern. Wenn sie die Wahl hätten, würden auch sie genau dasselbe tun wie andere Jugendliche in ihrem Alter in aller Welt: tanzen und das Leben genießen."

(RP)
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