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Essay zum Weltfrauentag Frauen und Technik

Frauen werden Frisörin, Erzieherin, Sekretärin – Männer reparieren Autos, warten Maschinen, programmieren Software. Alles olle Klischees, denken Sie? Leider nein. Das zeigt der Frauenanteil unter den Besuchern des "Mobile World Congress" – und auch die Rednerliste. Und nun?

 Männer auf dem Mobile World Congress 2017.

Männer auf dem Mobile World Congress 2017.

Foto: ap, MF

Frauen werden Frisörin, Erzieherin, Sekretärin — Männer reparieren Autos, warten Maschinen, programmieren Software. Alles olle Klischees, denken Sie? Leider nein. Das zeigt der Frauenanteil unter den Besuchern des "Mobile World Congress" — und auch die Rednerliste. Und nun?

Sie stehen dicht an dicht in der Metro in Barcelona. Männer in grauen Anzügen strömen Richtung Messehallen, das rote Anmeldungsbadge für den "Mobile World Congress" um den Hals. "Wir bieten…", "Wir planen…", "Wir verkaufen…", Gesprächsfetzen unter Entscheidern.

Frauen in roten Jacken weisen mit Schildern den Weg zur Fira Nova in Barcelona, Frauen in schwarzen Anzügen verteilen lächelnd den Messekatalog, Frauen in hautengen, gelben Overalls machen Espresso. Frauen als Besucher, Aussteller, Unternehmensrepräsentanten sind auf der weltgrößten Handymesse in Spanien Ende Februar spürbar in der Unterzahl. Sichtbar wird das auch im Kongressprogramm: Unter 45 Hauptrednern sind fünf Frauen gelistet. Noch immer gibt es wenige Frauen in technischen Berufen, erst recht in den Führungsetagen.

"Habt eine Stimme!"

 Und wo sind hier die Frauen? Besucher auf dem Mobile World Congress.

Und wo sind hier die Frauen? Besucher auf dem Mobile World Congress.

Foto: ap, MF

Auch den Veranstaltern ist dieses Missverhältnis offenbar aufgefallen, so wird die Konferenz durch das "Women4Tech"-Programm ergänzt. Wer am vierten Messetag noch nicht abgereist ist und den Weg in den hinteren Konferenzbereich findet, kann dort Patricia Milligan reden hören. "Ich kann einfach nicht glauben, dass ich nach 40 Jahren im Job immer noch das Gleiche erzählen muss", sagt die Managerin aus der Chefetage des US-Unternehmens Mercer.

Seit Jahren spreche sie auf Veranstaltungen über Inklusion von Frauen in Technik-Berufen, über die Gleichstellung der Geschlechter, über Karrieremöglichkeiten für Mütter. Dass sich noch immer kaum etwas geändert habe, mache sie wütend, sagt sie auf der Bühne. Doch ihre Ungeduld richtet sich nicht nur an die Männer in den Vorstandsetagen, sondern auch an die Frauen selbst: "Es ist Eure Aufgabe, Eure Chefs auf Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen anzusprechen", sagt Milligan. Sie weiß: Ihr Publikum besteht — untypisch für den gesamten "Mobile World Congress" — vornehmlich aus Frauen. "Habt eine Stimme!", mahnt sie.

Auch Lorena Boix-Alonso zeigt sich bei der "Women4Tech" ernüchtert: "Ich mag 'Diversity', weil es bei dem Ansatz nicht immer heißt, dass wir Frauen uns ändern müssen und uns männlicher verhalten sollen", sagt die Vertreterin der Europäischen Kommission. Das Problem sei aber: Diversity funktioniere nicht. Die Arbeitsbedingungen hätten sich zu wenig geändert. Auch in Medienberichten würden Frauen nur in 25 Prozent der Artikel auftauchen, häufig seien sie darin Opfer, nicht aktiv Handelnde. Boix-Alonso fragt: "Wie sollen sich die Rollenbilder da ändern?"

Missstände aufzeigen, Rechte einfordern

Natürlich haben die beiden Rednerinnen recht: Frauen können nicht nur darauf warten, dass sich etwas ändert. Sie müssen selbst aktiv werden, ihren Chefs Missstände aufzeigen, die Rechte etwa auf familienfreundlichere Arbeitsbedingungen (auch für Männer) einfordern. "Nur durch die Frauen in meinem beruflichen und privaten Umfeld, die mich immer wieder aufgeweckt haben, bin ich am Ball geblieben und habe mein Handeln wieder und wieder hinterfragt", sagt Bob Sell, Manager bei Accenture.

Das stimmt. Außerdem ist sicherlich nicht nur die Männergesellschaft in Firmen der Grund, dass wenige Frauen sich mit autonomen Fahren, Smartphone-Entwicklung oder Netztechnologie beschäftigen. Obwohl auch in Deutschland seit vielen Jahren etwa der "Girls Day" Mädchen dazu motivieren soll, technische Ausbildungen zu machen oder etwa Ingenieursstudiengänge zu absolvieren, ist der Frauenanteil dort noch immer gering.

Trotz der besseren Schulabschlüsse entscheiden sich Mädchen noch immer überproportional häufig für "typisch weibliche" Berufsfelder wie Kauffrauen, medizinische Fachangestellte oder Frisörin. Immerhin: In den vergangenen Jahren beobachten die Veranstalter des "Girls Day" einen überproportionalen Zuwachs weiblicher Beschäftigter etwa in der Mechatronik oder Automatisierungstechnik. Der Beschäftigtenzuwachs von 2012 auf 2014 liege in diesem Bereich bei mehr als 19 Prozent. Die absoluten Zahlen jedoch bleiben düster: Der Frauenanteil liegt trotz Zuwachs nur bei sechs Prozent.

"Den Mädchen fehlen eindeutig die Vorbilder"

"Es tut sich etwas — wenn auch langsam", sagt Sabine Mellies, Geschäftsführerin vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit. Je jünger die Mädchen seien, desto begeisterungsfähiger und offener seien sie. "Also: Mädchen möglichst früh und möglichst oft die Gelegenheit bieten, solche Berufe kennenzulernen." Auch Jennifer Reker, Pressesprecherin für den "Girls Day", sagt: "Den Mädchen fehlen eindeutig die Vorbilder." Nur so könnten Mädchen erfahren: "Mensch, Frauen können das ja auch werden!"

Und dennoch sollten auch die Männer in der Branche aktiv werden und sich hinterfragen. Die Messe in Barcelona ist nur ein Beispiel dafür, dass in Sachen Gleichberechtigung noch viel zu tun ist. Deutlich wurde das etwa beim amerikanischen Taxi-Konkurrenten Uber: Die ehemalige Mitarbeiterin Susan J. Fowler machte in einem Blog-Post öffentlich, sie sei von einem Vorgesetzten belästigt worden.

Eindeutige Angebote vom Chef

Als Programmiererin habe sie bereits an den ersten Tagen eindeutige Angebote von ihrem Vorgesetzten bekommen. Sie sei in Chats aufgefordert worden, mit ihm ein Verhältnis zu beginnen, schildert sie. Sie habe den Vorgang der Personalabteilung gemeldet, diese habe jedoch abgewunken: Der Beschuldigte sei ein Leistungsträger, hieß es. Sie selbst könne aber das Team wechseln, wenn sie wolle.

Nach Veröffentlichung des Erlebten reagierte zumindest Unternehmensgründer Travis Kalanick eindeutig. Er ordnete eine Untersuchung an und schrieb in einem Firmen-Blog: Es sei kein Platz für diese Art von Verhalten bei Uber. "Jeder, der sich so verhält oder denkt, dass es in Ordnung ist, wird gefeuert."

Der Weg an die Öffentlichkeit als Betroffene ist mutig. Im Fall Uber zeigte sich nach dem ersten Post, dass das Erlebte in der Firma offenbar keine Seltenheit war, als weitere Mitarbeiterinnen ähnliche Erlebnisse schilderten. Die Branche hat also nach wie vor ein Sexismus-Problem, das es in den Griff bekommen sollte. Sonst wird sie niemals attraktiv für Frauen. Der Weltfrauentag ist ein guter Tag, darüber zu reden. Reden wir.

(vek)
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