Interview mit Klemens Skibicki "Facebook ist das Internet-Betriebssystem"

Düsseldorf · Facebook wird in diesen Tagen zehn Jahre alt. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht der Wirtschaftshistoriker Professor Klemens Skibicki über die Zukunft des sozialen Netzwerkes Facebook und seine Bedeutung für den Menschen.

 Professor Klemens Skibicki ist Wirtschaftshistoriker und Partner bei Convidera, Beratung für digitale Transformation.

Professor Klemens Skibicki ist Wirtschaftshistoriker und Partner bei Convidera, Beratung für digitale Transformation.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Welche Bedeutung hat die Erfindung von Facebook?

Skibicki So wie Henry Ford, der legendäre Autobauer, hat auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg es verstanden, neue Grundprinzipien zu schaffen: Während der eine Millionen Menschen auf den Straßen mit dem Auto mobil machte, hat Zuckerberg eine Milliarde im Netz mobilisiert. Er hat das Grundprinzip der Öffnung verstanden, das darin besteht, Daten zugänglich zu machen und Schnittstellen zu schaffen. Vor allem hat er erkannt, dass die Bedeutung von Informationen in hohem Maße davon abhängt, ob diese Inhalte von Menschen stammen, die wir kennen.

Was macht Facebook so erfolgreich?

Skibicki Während es bei Google um die relevante Vernetzung von Informationen geht, findet bei Facebook eine relevante Vernetzung von Menschen statt. Das ist gewissermaßen die DNA von Facebook. Wir alle haben ein Grundbedürfnis, uns an Gesprächen zu beteiligen und selbst im Gespräch zu bleiben. Früher war das an einen Ort und an einen Anlass gebunden. Facebook hat diese Bindung aufgelöst. Unsere soziale Reflexion kann nun überall und zu jeder Zeit stattfinden. Dabei spielen Bildung oder Herkunft keine Rolle. Es zählt allein, ob andere gut finden und darüber reden wollen, was man mitzuteilen hat.

Ist es nicht auch gefährlich, wenn man Persönliches online von sich preis gibt?

Skibicki Das hängt natürlich davon ab, wie intim die Inhalte werden. Die meisten Facebook-Nutzer aber haben längst begriffen, was einem zum Nachteil gereichen kann und was nicht. Selbstverständlich kann es unangenehm werden, wenn man zum Beispiel bei der Einladung zu einer Party nicht darauf achtet, dass sie nur den erreicht, den sie erreichen soll. Aber das ist ein Bedienungsfehler, der passieren kann. Grundsätzlich sind Verabredungen durch Facebook viel leichter geworden als früher, wo man nur Telefonketten hatte oder an Türen klingeln musste.

Wo ist die Grenze zwischen privat und öffentlich?

Skibicki Gerade bei Facebook werden die Unterschiede zwischen den Generationen in dieser Frage besonders deutlich: Die Jüngeren definieren privat und öffentlich ganz anders als Ältere, die historisch bedingt zum Teil schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, wie mit ihren persönlichen Daten umgegangen wurde. Die Jüngeren haben insgesamt ein viel unkomplizierteres Verhältnis zu Kommunikatio. Das bedeutet aber nicht, dass sie sorgloser sind. Viele inszenieren sich sogar sehr gekonnt.

Manche sagen Facebook den Niedergang voraus. Glauben Sie daran?

Skibicki Es wird schwer sein, das System zu verdrängen, weil es ein offenes System ist. Ich gehe sogar so weit zu sagen: Facebook ist das Betriebssystem des Internet. Der Einzelne ist darin der Schlüssel zu allem. Er ist es, der auswählt, was für ihn wichtig ist. Das ist ein epochaler Schritt für die Menschheit. Aber selbst wenn Facebook an Bedeutung verlieren sollte, die Grundprinzipien bleiben und wurden längst zu elementaren Regeln des Web.

Wie sieht die Zukunft der sozialen Netzwerke aus?

Skibicki Der Prozess der Vernetzung ist unumkehrbar. Facebook ist die größte Datensammlung von Menschen über Menschen, die wir an einem Ort finden. Diese Datenfülle ist nach einem Jahrzehnt so immens, dass niemand sie mehr als ansatzweise überblicken kann. Sie fragen mich nach der Zukunft? Wir können im Moment nicht einmal den Anfang ermessen.

Martin Bewerunge führte das Interview

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(RP)
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