Emojis Die niedliche Weltsprache

Düsseldorf · Emojis sind Symbole, die in der digitalen Kommunikation immer beliebter werden. Wörter braucht man künftig jedenfalls nicht mehr.

Emoji-Fans beim Welt-Emoji-Tag 2017 in London, drei Jahre nach Entstehen dieses Texts.

Emoji-Fans beim Welt-Emoji-Tag 2017 in London, drei Jahre nach Entstehen dieses Texts.

Foto: dpa, da pil

Eine neue Weltsprache ist entstanden, und sie kommt ohne Worte aus. Man muss sie nicht erlernen, denn jeder, der ein Smartphone oder einen Computer besitzt, kann sie sprechen - oder besser: schreiben. Und zwar sofort und intuitiv, allein durch Verwendung der sogenannten Emojis. Das sind Symbole, die den Emoticons ähneln, aber sie zeigen eben nicht nur lachende und weinende Gesichter. Es geht nicht ausschließlich um Gefühle, sondern auch um Gegenstände: Häuser, Obstsorten, Diamantringe und Geburtstagstorten. Es gibt eine eigene Tastatur dafür auf fast jedem Handy und auch bei Nachrichtendiensten und sozialen Netzwerken wie WhatsApp und Facebook: 722 dieser Mini-Zeichnungen sind derzeit etwa auf dem iPhone, dem meistverkauften Smartphone der Welt, hinterlegt. Sie bilden das Alphabet der Zukunft, das Schattenkabinett der Kommunikation, das Esperanto der Digitalisierung.

Wer nun meint, das sei doch etwas hoch gegriffen, die kindlichen Sticker würden doch wohl zumeist in Japan und dort vor allem von Jugendlichen zum Zeitvertreib benutzt, liegt falsch. Dreiviertel aller Smartphone-Besitzer weltweit verwenden sie bereits, bei Twitter wird das lachende Gesicht, das als der Emoji-Klassiker gilt, häufiger verwendet als die Zahl 5 und der Bindestrich. Und im Sommer hat das Unicode-Consortium, das Codierungssysteme weltweit vereinheitlicht, damit Nachrichten, die auf einem iOS-Handy geschrieben wurden, auch mit dem Betriebssystem Android gelesen werden können, 250 weitere Emojis lizensiert. Wann die neuen Emojis von den Technikfirmen auf unsere Geräte geschickt werden, ist unklar - theoretisch könnte jedes Update sie liefern. Es gibt denn auch Sprachwissenschaftler, die prognostizieren, dass wir künftig keine Buchstaben mehr brauchen, jedenfalls in der digitalen Kommunikation. Die Emojis sind eine Cartoon-Armee, die die Herrschaft der Wörter beenden könnte.

Erfunden hat sie der Japaner Shigetaka Kurita. Es waren die späten 90er Jahre, und damals suchte der Angestellte einer Telekommunikationsfirma nach Symbolen für Pager, die Teenager ansprechen sollten und also zum Kauf der Geräte animieren. Er gestaltete zunächst 176 Symbole, und die wurden in Asien so erfolgreich, dass Apple sie dort für die Tastatur der ersten iPhones übernahm. Auf Geräten für die westlichen Märkte waren sie unsichtbar, aber einige Nutzer besorgten sich eine App, mit der man an die Bildchen herankam. So begann das, und seither wurden allein bei Twitter 470 Millionen Emojis verschickt - am beliebtesten ist das lachende Gesicht, danach das Herz. Herman Melvilles "Moby Dick" gibt es neuerdings als Transkription, ein Roman ausschließlich mit Emojis erzählt - er heißt "Emoji Dick". Im Internet übersetzen die Nutzer ziemlich lustiger Seiten Songs von Beyoncé und Taylor Swift in Emojis. Und Netzwerke wie Emojicate und Emoji.li verzichten völlig auf Buchstaben.

Für Sprachwissenschaftler ist der Boom der Zeichen faszinierend. Manche vergleichen das Phänomen mit dem Beginn der menschlichen Kommunikation, als Logogramme auf die Wände der Höhlen gezeichnet wurden. Rückkehr auf eine frühe Entwicklungsstufe also? Der Vergleich passe, findet Tyler Schnoebelen, Linguist in Stanford. Er sagt im "New York Magazine", das den Emojis eine Titelgeschichte gewidmet hat: "Wir versuchen gerade, in der Geschwindigkeit zu schreiben, in der wir sprechen." In dieser Hinsicht seien wir auf dem Sprachstand von Babys, denn mit den Daumen über winzige Tasten zu fliegen, um in Echtzeit einen kleinen Monitor zu füllen, sei eben schwierig. Und so viel Übung haben wir ja noch nicht.

Die Emojis verkürzen die Sprache durch Symbolik, aber sie beschränken nicht ihre Sinnhaftigkeit. Je nachdem, mit wem man kommuniziert, verändert ein und dasselbe Symbol seine Bedeutung. In Amerika werden SMS-Dialoge oft mit einem Shrimp beendet. Jedes Emoji hat einen offiziellen Namen, er ist auf der Seite Emojipedia verzeichnet, und dieser als "Fried Shrimp" bekannte Emoji bedeutet so viel wie: Das war es, es gibt nichts mehr zu sagen, und tschüss.

Falls sich jemand wundert, dass es auch einen Kothaufen mit lächelndem Mund namens "Pile of Poo" gibt: In Japan ist das Versenden dieses Motivs eine beliebte Art, Glück zu wünschen. Das ist das Geniale an den Bildern: dass sie einen weiten Bedeutungsraum haben, universell einsetzbar sind, Sprachgrenzen überwinden und als Informationsträger gerade konkret genug sind, gleichzeitig aber so allgemein wie möglich.

Nach einer Studie des Psychologen Albert Mehrabian aus den 60er Jahren vollzieht sich die Kommunikation einander gegenüberstehender Menschen so: Sieben Prozent werden über die Worte vermittelt, 38 Prozent über die Art, wie sie sie sagen, und 55 Prozent über Mimik und Gestik. Das heißt: Bei Textmitteilungen würden per se 93 Prozent der Informationen verloren gehen. Aber zum Glück gibt es Emojis. "Surrogate Faces" werden sie genannt, Ersatz-Gesichter.

Ein Jugendlicher von 16 Jahren kommuniziert heute in erster Linie per Textnachricht, danach per Telefonanruf und erst dann in persönlichen Begegnungen. Man sieht daran, wie wichtig Emojis noch werden dürften. Soll man nun kulturpessimistisch auf diese Entwicklung blicken? Geht das Abendland bunt zugrunde? "Fried Shrimp" also für die Kunst der Konversation?

Wer diese Sorge hat, möge sich beruhigen. Denn im Grunde wird das Internet, das sprachlich ja zumeist wenig Romantik zu bieten hat, durch Emojis zu einem besseren Ort. Die Menschen werfen sich Kusshände zu, Herzen fliegen von Server zu Server. "The Internet gets softer", heißt das Fazit im "New York Magazine": Das Netz wird milder und freundlicher. Zumal es so gut wie keine bösen Emojis gibt. Selbst das zornige und rot eingefärbte Gesicht mutet niedlich an, und man muss sich nur mal eine Drohung vorstellen, die durch Emojis ausgesprochen würde. Vielleicht so: zorniges Gesicht plus Pistole. Angsteinflößend? Harmlos. Drohen kann man nicht mit Emojis.

Das ist eine gute Nachricht.

Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Jahr 2014. Teile sind deshalb stark veraltet. Anlässlich des Welt-Emoji-Tags 2017 haben wir uns aber entschieden, ihn als Dokument der Zeit noch einmal zu verbreiten.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort