Deutsche Digitale Bibliothek Ein Millionenprojekt ist gescheitert

Düsseldorf · 24 Millionen Euro hat der Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek bisher gekostet — acht Millionen digitalisierte Bücher, Musikaufnahmen und Filme sollen das digitale Kulturgedächtnis der Deutschen werden. Doch für die Zielgruppe ist die Webseite schlicht unbrauchbar. Wir erklären warum.

Deutsche Digitale Bibliothek: Ein Millionenprojekt ist gescheitert
Foto: dpa, pil lof

In dieser Woche haben Bund und Länder die Deutsche Digitale Bibliothek offiziell gestartet. Bei der Eröffnung am Montagabend in Berlin ist die Datenbank explizit auch für Nicht-Wissenschaftler vorgestellt worden. Junge Menschen und Nicht-Museumsgänger sollen für die deutsche Kultur begeistert werden. Jedoch ist für eben diese Zielgruppen das Millionenprojekt unbrauchbar, wie unser Test zeigt:

Ungenaue Suchfunktion Ein schickes und aufgeräumtes Design hilft nicht, wenn die Suchergebnisse beim Nutzer Ratlosigkeit auslösen. Will sich ein Schüler beispielsweise über Thomas Mann informieren, erhält er auf der ersten Suchergebnisseite lediglich unzählige Fotos mit einem Portrait des Schriftstellers oder von seinen Wirkungsstätten. Seine wichtigsten Werke wie etwa "Buddenbrooks" werden nicht aufgelistet. Selbst der Klick auf die Personenseite führt nicht zu den Standardwerken von Thomas Mann. Ohne Vorwissen über den Autor helfen gerade jungem Publikum die Suchergebnisse vermutlich nicht weiter.

Versteckte Inhalte Wenn etwa ein Oberstufenschüler nach Goethes Faust sucht, liefert die erste Suchergebnisseite zwar einen Verweis auf eine Fassung in der Bayerischen Staatsbibliothek. Auf der Webseite ist jedoch nur ein Foto der ersten Seite der Tragödie in altdeutscher Schrift abgebildet. Nur wer zufällig auf den Link neben der nicht erklärten Bezeichnung "URN" klickt, gelangt auf eine externe Webseite. Dort kann der Leser dann endlich Goethes Faust lesen. Wer allerdings einen deutlich lesbaren digitalen Text erwartet, wird enttäuscht; er muss die altdeutsche Schrift auf den Fotos entziffern.

Fehlende Ansprache der Zielgruppe Die Bibliothek richtet sich nicht nur an Wissenschaftler und Hobby-Historiker. Gerade junge Menschen sollen erreicht werden, wie Staatsministerin Monika Grütters (CDU) am Montag beim offiziellen Start der Webseite in Berlin erklärte. "Es ist mir dabei ein wichtiges Anliegen, dass via Internet nun auch diejenigen angesprochen werden können, die Museen, Bibliotheken, Konzertsäle und andere Kultureinrichtungen eher selten oder gar nicht besuchen." Doch wird das funktionieren? Beim ersten Besuch wirkt die Seite lediglich wie eine Mischung aus Internet-Suchmaschine und aufgehübschtem Online-Katalog der örtlichen Bücherei. Eine spezielle Einführung oder Anleitung erhält die junge oder bibliothekarisch ungeübte Zielgruppe nicht.

Datenflut Zum offiziellen Start am Montag sind rund acht Millionen Datensätze von über 100 Kultur-Einrichtungen aufgenommen worden. 2.100 Institute haben sich bereits registriert und wollen in Zukunft ihre Kulturgüter durchsuchbar machen. 300.000 könnten es am Ende werden. Die digitale Bibliothek arbeitet zwar professionell, aus der Menge der Suchergebnisse jedoch relevantes zu filtern, ist für Laien fast unmöglich. Zudem vergibt die Bibliothek selbst keine Bewertung, sondern überlässt dies ausschließlich den Lesern.

Lernen nach der Betaphase. Seit Ende 2012 befand sich die Deutsche Digitale Bibliothek im öffentlichen Beta-Test. Während dieser Phase haben sich 100 Kultur-Einrichtungen angeschlossen und ihre Inhalte digitalisieren lassen. Was positiv ist: Inzwischen können Nutzer ein eigenes Profil erstellen, eigene Sammlungen anlegen und Favoritenlisten der Inhalte abspeichern.

Die Deutsche Digitale Bibliothek ist der Beitrag Deutschlands zur europäischen digitalen Plattform Europeana. Diese versammelt seit 2008 digitalisierte Kulturgüter aus allen EU-Mitgliedsstaaten und will damit ein europäisches kulturelles Gedächtnis schaffen. Bis Ende 2013 hat das Projekt rund 24 Millionen Euro gekostet. 19 Millionen Euro hat bisher der Bund übernommen.

(ham)
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