Wunsch und Wirklichkeit Wie digital ist NRW?

Düsseldorf · NRW ist bei der Digitalisierung gut aufgestellt, sagt die Landesregierung. Experten sehen das jedoch ganz anders. Ein Faktencheck.

So muss NRW auf den digitalen Wandel reagieren
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So muss NRW auf den digitalen Wandel reagieren

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Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will NRW zum digitalen Vorreiter machen. Zuletzt erklärten fünf Experten - vom Telekom-Vorstand bis zum Gründer - unserer Redaktion, was NRW tun muss, um den digitalen Wandel zu meistern. Nun antwortet das Land auf ihre Vorschläge. Ein Überblick.

MEHR DIGITALKOMPETENZ

Das sagen die Experten: Die digitale Kompetenz in Firmen und Politik muss gestärkt werden.

Das sagt das Land: Gar nichts. Fragt man nach Verantwortlichen, verweist einen die Staatskanzlei an die Pressesprecher in den Ministerien.

Fakt ist: Mit Tobias Kollmann hat Wirtschaftsminister Duin (SPD) einen Digitalbeauftragten ernannt. In anderen Ministerien und der Staatskanzlei gibt es den Posten nicht.

Fazit: NRW braucht mehr Digitalkompetenz. Jedes Ministerium braucht einen Digitalbeauftragten.

START-UPS FÖRDERN

Das sagen die Experten: Der Austausch zwischen Gründern, Kapitalgebern und Firmen muss enger werden - so wie im Silicon Valley.

Das sagt das Land: Im Juni hat Garrelt Duin die Strategie für die Digitale Wirtschaft NRW vorgestellt.

Fakt ist: Es gibt gute Start-ups in NRW. Doch die Szene ist im Flächenland zersplittert. Das soll durch die Digitalstrategie anders werden. Inkubatorzentren, Digitalkonferenz und Anreize für Investoren - die Vorschläge kamen aus der Szene. Land und NRW.Bank stellen 42 Millionen Euro bis 2020 zur Verfügung.

Fazit: Mini-Budget, Maxi-Hoffnungen - die Digitalstrategie bietet Antworten auf die bisherigen Schwierigkeiten. Weil kaum Geld zur Verfügung steht, setzen die Verantwortlichen auf Hebelwirkungen. Bleiben sie aus, muss nachjustiert werden.

MEHR FACHKRÄFTE

Das sagen die Experten: MINT-Fächer, also Naturwissenschaften, Informatik und Mathematik, müssen stärker gefördert werden.

Das sagt das Land: Bei Studienanfängern in MINT-Fächern zeige das Engagement von Land und Wirtschaft Erfolge. Seit 2010 habe sich deren Zahl um über 50 Prozent gesteigert (von 55 008 auf 84 477).

Fakt ist: Stimmt. Während die Zahl der Studienanfänger zwischen 2010 und 2013 um 31,7 Prozent zunahm, stieg die Zahl in den MINT-Fächern um 53,6 Prozent. Allerdings: Das Statistische Landesamt fasst unter dem Begriff "MINT" auch Fächer wie Architektur oder Geografie zusammen. In Informatik (plus 43,7 Prozent) und Maschinenbau (plus 32,6 Prozent) steigt die Zahl der Studienanfänger schwächer.

Fazit: Die hohen Abbrecherquoten müssen stärker bekämpft werden. Außerdem braucht es mehr weibliche Studienanfänger.

DIGITALE VERWALTUNG

Das sagen die Experten: Das Land braucht einen Chief Information Officer (CIO), der Standards setzen kann. Bürger und Behörden sollten per Smartphone kommunizieren können.

Das sagt das Land: Die Landesregierung hat bereits 2013 einen CIO als Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnik eingesetzt.

Fakt ist: Stimmt.

Fazit: Ein Posten braucht auch ausreichend Einfluss. Die Smartphone-Kommunikation von Bürgern und Behörden ist noch weit entfernt.

PROGRAMMIERSPRACHE

Das sagen die Experten: Programmiersprachen sollten als zweite Fremdsprache angeboten werden.

Das sagt das Land: Im Interview sprach Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zuletzt nur von Grundkompetenzen, die vermittelt werden müssten. Außerdem sei Informatik bereits Wahlpflichtfach.

Fakt ist: An den Gesamt- und Realschulen ist Informatik ab diesem Schuljahr als mögliches Wahlpflichtfach in der Sekundarstufe I vorgesehen. Damit könnten die Schulen das Fach als Alternative zur zweiten Fremdsprache anbieten. Am Gymnasium gibt es diese Möglichkeit nur in der Oberstufe.

Fazit: In England oder Estland ist Informatik Pflicht in der Unterstufe. NRW hinkt den Entwicklungen hinterher. Ärgerlich: Der Erlass zur Einführung kam kurz nach Ferienbeginn - zu kurzfristig für viele Schulen. Bis zur tatsächlichen Einführung wird es also noch dauern.

BREITBAND-AUSBAU

Das sagen die Experten: Es muss dort schnelles Internet geben, wo die Unternehmen es brauchen.

Das sagt das Land: NRW soll bis 2018 flächendeckend mit schnellem Internet versorgt sein.

Fakt ist: Mehr als 70 Prozent der Haushalte können schon jetzt mit mehr als 50 Mbit pro Sekunde surfen. Im Ländervergleich steht NRW gut da. Allerdings: Die gute Quote entsteht durch die vielen Ballungszentren. In ländlichen Gebieten am Niederrhein oder Ost-Westfalen gibt es noch viel zu tun. Das Land will den Ausbau fördern.

Fazit: NRW hat Glück, dass es so viele Zuschüsse vom Bund und Europäischer Union gibt, anders wäre der Breitband-Ausbau wohl zum Scheitern verurteilt. Denn eigenes Geld gibt das Land kaum aus.

(frin)
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