Virtuelles Bollwerk Chinas große Internet-Mauer

Düsseldorf (RP). Chinas Große Mauer hat einen Bruder: ein virtuelles Internet-Bollwerk, das die Meinungsvorherrschaft der Kommunistischen Partei auch im digitalen Zeitalter sichern soll. Mit einer Technik, die "Goldener Schild" oder "Große Online-Mauer" genannt wird.

Cyber-Demo gegen die Feinde des Internets
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Und die Experten für das wahrscheinlich am weitesten fortgeschrittene System der Welt halten, um Zugriffe auf Daten zu kontrollieren. Dieses Bollwerk existiert indes nicht in einem Stück, sondern ist in den chinesischen Verteilerknoten integriert. Über diese Schlüsselstellen sind die kleineren regionalen bis nationalen Netze mit der Welt verbunden. Und eben dort greift die Zensur.

Der einfachste Weg: In den Knoten ist eine Liste von Adressen hinterlegt, die nicht aufgerufen werden dürfen. Jeder Versuch, eine Verbindung herzustellen, wird prompt abgelehnt. Das ist simpel, hat aber Nachteile. Die hinterlegte Liste muss ständig aktualisiert werden. Schließlich können die Adressen wechseln.

Zum anderen können so auch wichtige Wissenschaftsseiten blockiert werden. Schließlich sind fast 70 Prozent aller Internet-Adresse mittlerweile weit verzweigt und bieten so verschiedene, unterschiedliche Online-Inhalte an, die nichts mit den unerwünschten Themen zu tun haben. Darum wird diese Methode nur angewandt, um einen bestimmten Anbieter tatsächlich vollständig zu sperren.

Suche nach Schlüsselwörtern

Etwas selektiver arbeitet die nächste Sicherheitsstufe: Sie kontrolliert angewählte Adressen wie "www.freies-tibet.de". Bei Schlüsselwörtern oder deren Kombinationen wird keine Verbindung hergestellt,

Die letzte Stufe dagegen greift noch tiefer in den Online-Verkehr ein: Alles, was durch die Netze fließt, wird zunächst in kleine Pakete geteilt, die unabhängig voneinander ihren Weg durch die Leitungen finden — jedoch immer über einen Verteilerknoten geleitet werden.

Dort aber werden diese Datenpakete nach "verbotenen" Wörtern durchsucht. Wird in einem Päckchen das Wort "Dalai" gefunden, reagiert der Knoten sofort: Es sendet standardisierte Internet-Befehle, mit denen die Verbindung zwischen Sender- und Empfänger-Rechner unterbrochen wird — für bis zu einer Stunde.

Doch das System hat auch Schwächen: Sind die Daten so klein verschnürt, dass sie nur einzelne Buchstaben enthalten — also statt "Dalai" nur ein "D" oder "A" — kann der Datenstrom ungehindert fließen. Schließlich nehmen die Pakete alle verschiedene Wege und werden über unterschiedliche Knoten geleitet, die sich nicht austauschen und darum die Datensätze nicht wieder zusammensetzen können; zumindest noch nicht.

Die einfachste Methode aber für einen ungehinderten Online-Zugriff ist die Verschlüsselung der Daten. Dann bleibt ihr Inhalt verborgen. Allerdings hat die chinesische Führung bereits reagiert: Codierte Informationen genießen bei der Weiterleitung nicht immer die höchste Priorität. Die Verbindung wird so langsam, dass sie für geschäftliche Transaktionen noch ausreicht. Komplexe Webseiten dagegen bauen sich in Zeitlupe auf.

(RP)
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