"Yeah"-Rufe im Wahlkampf CDU hat keine Angst vor Flashmobs

Frankfurt/Main (RPO). Sie kommen aus dem Nichts, veranstalten ohrenbetäubenden Dauer-Applaus und quitttieren jeden Satz der Kanzlerin mit "Yeah"-Rufen. Auftritte von Angela Merkel im Wahlkampf werden immer wieder von sogenannten Flashmobs aufgemischt. Was auf viele störend wirkt, sorgt bei der Union indes für wenig Aufregung. Auch Protestforscher halten den Einfluss dieser spontanen Aktionen für gering.

Flashmob bei Merkel-Auftritt in Hamburg
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Flashmob bei Merkel-Auftritt in Hamburg

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) brauchte starke Nerven, als sie kürzlich in Hamburg Wahlkampf machte. "Meine Damen und Herren", setzte die CDU-Chefin an, nur um von einem lautstarken "Yeah" aus dem Publikum unterbrochen zu werden. Und so ging es weiter. Egal, welches Thema sie anschnitt, das Publikum kommentierte "Yeah" und zwar so oft und so laut, dass von der Merkel-Rede letztlich nur noch ein paar Wortfetzen übrig blieben.

Ausgeheckt wurde die Aktion im Internet. Während die Spontis der 70er und 80er Jahre noch Telefonketten in Gang setzen und Flyer drucken mussten, genügt heute ein Eintrag auf Twitter oder ein Mausklick, um Zehntausende über eine Aktion oder Demonstration zu informieren.

Partei plant keine Gegenmaßnahmen

Es wird erwartet, dass es auch bei der Abschlussveranstalung der Kanzlerin am Samstag in der Berliner Treptow-Arena zu Störungen kommen könnte. Die Union sieht dem aber gelassen entgegen. Maßnahmen, um Flashmobs zu verhindern plane die Partei nicht, erklärte Parteisprecherin Ina Diepold auf Anfrage unserer Redaktion. Auch die Kanzlerin gehe mit den Aktionen gelassen um.

Bei einem Auftritt in Wuppertal hatte Merkel am Mittwoch erstmals selbst auf die Aktionen reagiert. "Die jungen Leute sollten einfach ein bisschen besser zuhören. Dann könnten sie was fürs Leben lernen. Aber wir setzen das ins Internet. Dann können sie's später nachlesen", konterte die CDU-Chefin die Rufe und das Dauerklatschen.

Flashmobs werden indes zu einem weltweiten Phänomen. Der Verein "Campact", der unter anderem für den Atomausstieg kämpft, hat beispielsweise 140.000 Sympathisanten im Verteiler. Allerdings wollen die Anhänger anders als die "Yeah"-Rufer eine konkrete politische Botschaft an den Mann bringen.

Wie kürzlich in Mainz, als rund 150 Aktivisten sich unter die Zuhörer einer Merkel-Wahlkampfveranstaltung mischten. "Schwarz-Gelb" prangte da ganz harmlos auf den Transparenten. Doch dann schlugen die Demonstranten Merkel ein Schnippchen - entfalteten zuvor verdeckte Schriftzüge: "Atomtod" und "Atomprofite".

Hemmschwelle der Teilnehmer niedrig

Doch nicht immer handelt es sich bei Flashmobs, die vor einigen Jahren aus den USA nach Europa gekommen sind, um Störaktionen. Beim "Radioballett" zum Beispiel verabredeten sich vor einiger Zeit Aktivisten im Hamburger Bahnhof über einen Radiosender.

Sie formten stumm eine offene Hand wie ein Bettler - um gegen ein Bettelverbot zu demonstrieren. Und das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich gerade mit einer Aktion der gewerkschaft Verdi auseinandersetzen, die Anhänger per SMS aufgefordert hatte, in bestreikten Einzelhandelsfilialen, in denen Streikbrecher arbeiteten, einkaufen zu gehen. Eine Aktion die rechtlich in Ordnung ist, entschieden die Richter.

"Campact"-Sprecher Christoph Bautz ist begeistert von solchen Aktionen, bei denen wildfremde Menschen für eine kurze Zeit für ein gemeinsames Ziel kämpfen. "Auch wer viel um die Ohren hat, Familie hat oder tief im Job steckt, kann sich hier einsetzen", sagt er. Die Hemmschwelle, sich zu engagieren, sei niedriger als in Parteien, wo man sich durch lange Sitzungen quälen müsse.

Protestforscher ist skeptisch

Der Protestforscher Dieter Rucht hält den Einfluss von Flashmobs auf die Politik allerdings für gering. "Bislang gibt es nur relativ wenige solcher Aktionen", sagt er. Zwar sei es möglich, binnen kürzester Zeit viele Menschen über eine Aktion zu informieren. Doch die die Zahl solcher Aufrufe im Internet nehme stetig zu, so dass längst nicht mehr jeder Appell auch wirklich gelesen werde.

Der Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) glaubt auch nicht, dass das Internet mehr Menschen Lust auf politisches Engagement macht. Schließlich sei die Zahl der Protestierenden in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, sagt Rucht. "Die Leute, die angesprochen werden, sind ohnehin politisch interessiert oder engagiert." Das Video des Hamburger Merkel-Auftritts allerdings erfreut sich großen Interesses. Rund 200.000 Mal wurde es auf "Youtube" schon angeklickt.

(AFP/csi)
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