Festival vor dem Düsseldorfer Landtag 11.000 diskutieren beim Campfire über Medien und digitale Zukunft
Düsseldorf · Das erste Open-Air-Medienfestival am Rhein war ein Erfolg. 11.000 Besucher informierten sich über die Trends und Themen der digitalen Medienlandschaft. 2019 will Campfire wieder nach Düsseldorf kommen.

Das Campfire 2018 in Bildern
Ruhig, sachlich, konstruktiv und stets mit einem zuversichtlichen Blick nach vorne. Dass sich auch so in diesem Land diskutieren lässt, zeigte das größte deutsche Open-Air-Festival für Medien und die digitale Gesellschaft, das von Freitag bis Sonntag mehr als 11.000 Besucher an das Düsseldorfer Rheinufer holte.
In 15 Zelten und bei mehr als 150 Programmpunkten diskutierten die Bürger mit Medienvertretern, Politikern, Kulturschaffenden und Unternehmern über Trends, Technologien und die Zukunft der digitalen Gesellschaft. Eingeladen zu dem „Campfire-Festival“ hatten das Recherchezentrum Correctiv, die Rheinische Post und die Stadt Düsseldorf. Unterstützt wurde die Veranstaltung von den Telekommunikations-Unternehmen Sipgate und Vodafone.
Gut besucht war etwa die Gesprächsrunde mit Facebook-Manager Guido Bülow. Der Europa-Chef für Medienthemen räumte im Gespräch mit dem Moderator, Journalist und Blogger Richard Gutjahr ein, dass das soziale Netzwerk beim Thema Falschnachrichten vor der US-Präsidentschaftswahl und bei der vielfachen Hetze im Netz nicht immer genau genug hingeschaut habe, „was auf unserer Plattform geteilt wird“. In einem Vortrag erklärte der Medienrechtler Elmar Schuhmacher, warum Journalisten Demonstranten filmen dürfen, wie unlängst in Chemnitz geschehen, und Correctiv-Reporter Jonathan Sachse stellte eine beeindruckende Studie zur kommerziellen Bedeutung von Youtube vor. Die Videoplattform entwickelt sich immer mehr zum wichtigsten Medium für die Unter-25-Jährigen. Ob es eine Vertrauenskrise der Medien gibt, diskutierten Julia Bönisch (Chefredaktion „Süddeutsche Zeitung“), Marion Horn (Chefredakteurin „Bild am Sonntag“), Gudrun Engel (WDR, Tagesschau) und RP-Reporterin Kristina Dunz auf der Bühne von Correctiv. Ihr Fazit: Es gibt keine Vertrauenskrise, wenn sich der Journalismus auf sein Handwerk besinnt. Fakten prüfen, sorgfältig recherchieren, die Gegenseite hören. Berichten, was ist. Markus Feldenkirchen, „Spiegel“-Autor, hatte bereits am Freitag über seine publizistische Begleitung des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz gesprochen, ebenso wie Kai Diekmann (früher „Bild“-Herausgeber) und Gabor Steingart (Ex-„Handelsblatt“-Chefredakteur) über das Phänomen der Journalisten, die selbst zur Marke werden.
Das große Zirkuszelt, das die Rheinische Post zu einer Diskussionsarena in Lagerfeuer-Atmosphäre umgebaut hatte, war bei vielen Runden bis auf den letzten Platz gefüllt. Etwa, als der frühere Chefredakteur des Magazins „Max“ und heutige Buchautor Hajo Schumacher sowie Ex-„Bild“-Chefredakteur Udo Röbel (heute Madsack Mediengruppe) ihre größten Fehler beichteten. Röbel war der Reporter, der beim Gladbecker Geisel-Drama in das Auto des Entführers stieg. „Totales Medienversagen“, sagte er rückblickend. Außerdem ging es im Zelt um den Einzug der künstlichen Intelligenz in Medienhäusern (Dürfen Maschinen Nachrichten schreiben?), die Frage, wie nah der Lokaljournalismus in die kleinsten örtlichen Einheiten vordringen sollte (möglichst nah!) und ob Kinder schon früh programmieren lernen sollten (Ja!). Politische Neuigkeiten gab es auch: Auf der Correctiv-Bühne erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), dass er das umstrittene Polizeigesetz des Landes korrigieren werde und der Begriff der „drohenden Gefahr“, bei dem Polizisten künftig schon aktiv werden dürfen, ersetzt werden soll.
Weniger umstritten die Ankündigung des Digital-Chefs von Borussia Mönchengladbach, Andreas Cüppers, am Sonntagvormittag. Er will es Fans künftig ermöglichen, die Stadion-Bratwurst und das Bier per App vorzubestellen, damit es in der Halbzeitpause nicht so eng wird. Und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) versprach in seinem Vortrag, die Zellproduktion für E-Auto-Batterien in NRW möglich machen zu wollen.
Nachdenkliches kam vom türkischen Journalisten Can Dündar, der sich wegen seiner kritischen Arbeit den Unmut des türkischen Präsidenten Erdogan und seiner Partei AKP zugezogen hat, eine Rückkehr in die Türkei bisher vermeidet und mit sechs Personenschützern zum Festival in die Landeshauptstadt gekommen war. „Wie wertvoll eine Rechtsordnung ist, können Sie verstehen, wenn Sie aus einem Land kommen, in dem sie zerstört wurde“, sagte Dündar.
Fazit: Das Campfire-Festival etabliert sich als ein Festival für all jene, die neugierig in die digitale Zukunft blicken und sie mit gestalten wollen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Correctiv-Gründer und Veranstalter David Schraven. „Leute, die sonst selten miteinander zu tun haben, etwa Journalisten, IT-Experten und normale Leser, sind beim Campfire miteinander ins Gespräch gekommen.“ Der Journalismus habe beim Festival aus seiner Blase gefunden. Und auch ein neues Projekt ist entstanden: „Wir werden eine digitale Ausbildungsstätte gründen, um Entwickler und Programmierer auszubilden“, kündigte Schraven an. 2019 soll das Campfire auf jeden Fall wieder stattfinden - „gerne hier in Düsseldorf“.
Mehr im Festival-Blog
Sie wollen mehr darüber erfahren, was alles auf dem Campfire diskutiert wurde? In einer eigenen RP-Live-Redaktion hat ein sechsköpfiges Team intensiv über die drei Festival-Tage berichtet. Die Ergebnisse lesen Sie auf campfire.rp-online.de.