Internet-Projekt "We feel fine" Am Valentinstag ist das Internet einsam

Düsseldorf (RPO). Millionen Menschen schreiben jeden Tag über ihr Privatleben ins Internet. Sie schreiben, wie sie sich fühlen, was sie lieben und was sie hassen. Der US-Amerikaner Jonathan Harris hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Gefühlsäußerungen in einer großen Datenbank zu sammeln. Wie das Internet fühlt, darüber sprachen wir mit ihm.

We feel fine: Wie das Internet fühlt
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We feel fine: Wie das Internet fühlt

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Sie betreiben das Projekt "We feel Fine". Was verbirgt sich dahinter?

Harris Wir sammeln seit 2005 Gefühle aus dem Internet. Für das Projekt scannen wir alle neuen englischsprachigen Blogposts der Welt und suchen darin alle zwei bis drei Minuten nach den Worten "I feel" oder "I am feeling". Alle Sätze, die diese Phrasen beinhalten, werden in unserer Datenbank gespeichert. Insgesamt kommen so pro Tag 15.000 solcher Sätze zusammen. Die Datenbank hat mittlerweile rund 13 Millionen Gefühle gesammelt.

Warum nutzen Sie das Internet für Emotionen?

Harris Traditionell würde ein solches Projekt wie folgt ablaufen: Ein Psychologieprorfessor führt Interviews. Aber wenn man jemanden nach seinen Gefühlen befragt, weiß er, dass er jetzt eine Frage beantwortet und die Antwort ist nicht unbedingt die ehrlichste. Das Internet hat den Vorteil, dass die Menschen sich bereits ausgedrückt haben — in ihren privaten Tagebüchern. Da sind sie sehr ehrlich.

Gab es überraschende Ergebnisse?

Harris Der stärkste emotionale Trend, den wir entdeckt haben, war, dass die Menschen im Internet bis zum 60. Lebensjahr immer glücklicher werden. Dann geht dieses Glück ein bisschen zurück. Spannend ist auch, dass die Blogger in den vergangenen Jahren glücklicher geworden sind — der Grund dafür: Sie sind älter geworden. Wir haben auch einen Vergleich der US-Staaten gemacht und herausgefunden, dass die Staaten mit einem hohen Anteil an Menschen, die sich dick fühlen, am dünnsten sind. Und in den Staaten, in denen ein hoher Anteil an Menschen lebt, die sich nicht dick fühlen, gibt es sehr viele Dicke.

Werden die Daten auch aktuell noch gesammelt?

Harris Das Projekt wächst jede Minute. Und solange die Leute weiter im Internet über ihre Gefühle sprechen, geht es auch weiter.

Welche unbeantworteten Fragen gibt es?

Harris Es gibt viele Fragen, für die man mit dieser Methodik Antworten findet. Wir können nicht beantworten, warum Leute auf eine bestimmte Weise empfinden. Wir können nur Rückschlüsse machen. Ein Beispiel: Wenn Leute schreiben, dass sie glücklich sind, können wir den Satzzusammenhang analysieren. Wenn Worte wie "Liebe", "Kinder kriegen" oder "Zeit mit den Kindern verbringen" im Zusammenhang mit Glück stehen.

Hat die Finanzkrise im vergangenen Jahr die Gefühle der Menschen beeinflusst?

Harris Ja, was auffällt: Worte wie "Wirtschaft", "Geld" und andere Finanzbegriffe wurden mehr im Zusammenhang mit ihren Gefühlen benutzt.

Gab es auch eine Veränderung in den Gefühlen?

Harris Nicht wirklich. Aber wir fanden heraus, dass Ereignisse wie Urlaub, Nachrichtenevents oder das Wetter sich nicht besonders auf die Gefühlslage auswirken. Alltägliche Dinge wie ein Date, eine Trennung, Krankheit, Müdigkeit, Aufregung, Hunger haben einen viel größeren Einfluss auf die Gefühle und verändern diese ständig. Das fällt besonders am Valentinstag auf, wo Einsamkeit überdurchschnittlich weit verbreitet ist, aber auch das Gefühl, geliebt zu werden.

Haben Sie das erwartet?

Harris Ich persönlich kenne dieses Gefühl und es ist nett, wenn die Datenbank eigene Erfahrungen bestätigt.

Hat Sie das Projekt auch in ihrer Persönlichkeit verändert? Achten Sie mehr auf ihre eigenen Gefühle?

Harris Ich weiß nicht, ob das so einfach ist. Ich studiere meine eigenen Gefühle derzeit stärker, aber nicht unbedingt wegen des We-feel-fine-Projekts, sondern eher weil ich ein neues Projekt gestartet habe. Dabei dokumentiere ich mein Leben jeden Tag mit einem Foto und einer Geschichte — das hat meine Eigenbetrachtung viel stärker beeinflusst und so nehme ich auch viel stärker war, was ich fühle. Ich schaue nicht mehr durch ein Fenster, sondern in einen Spiegel. Das Fenster ist zu einem Spiegel geworden.

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