DLD-Konferenz in München Alles wird digitalisiert - auch die Jobs
München · Unternehmer, Investoren und Medienvertreter diskutierten auf der DLD-Konferenz den Einfluss der Digitalisierung auf die Gesellschaft. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage: Was wird aus Menschen, deren Jobs Maschinen übernehmen?
Der New Yorker Journalistikprofessor Jeff Jarvis zitiert deutsche Geschichte, um die Schwierigkeiten der weltweiten Digitalisierung zu erklären. "Die erste Zeitung ist 150 Jahre nach Gutenbergs Buchdruck-Erfindung auf den Markt gekommen." Das Internet sei noch zu jung, um alle Entwicklungen bereits jetzt abzuschätzen. "Wir sind ganz am Anfang."
Damit deutet Jarvis an, was hinter dem Motto "Es ist nur der Anfang" der diesjährigen DLD-Konferenz steckt, die bis Dienstag zum elften Mal in München stattfand. Rund 1000 Gäste aus der Wirtschafts-, Start-up- und Kreativszene diskutierten drei Tage über die Branchen, die sich als nächstes dem Digitalwandel stellen müssen.
Oettinger kündigt Tempo an
Die Kandidaten stehen bereits fest: Die Lebensmittel- und Finanzbranche sowie der Arbeitsmarkt stehen vor den größten Umbrüchen ihrer Geschichte. Hinzu kommt der Kampf zwischen der europäischen Wirtschaft und den neuen Technik-Mächten aus den USA.
EU-Digitalkommissar Günther Oettinger kündigte deswegen Tempo an. Im Mai will er ein Konzept für einen einheitlichen Digital-Markt in Europa vorlegen, um die Teilung der 28 nationalen Märkte zu überwinden. "Heute ist der europäische Markt nicht besonders attraktiv für Startups, für Investoren", so Oettinger. Ein Vorbild sei der riesige und einheitliche amerikanische Markt.
Doch die Meinungen über die Ursachen für den Rückstand Europas gehen auseinander. Laut Telekom-Chef Timotheus Höttges gibt es in Europa zwar genügend Wohlstand, aber zu wenig Risikokapital. Das sieht auch Investor Ben Horowitz, der Milliarden mit Unternehmen wie Facebook und Twitter verdient hat, so. Er kam extra aus dem Silicon Valley, um für mehr Unternehmertum in Europa zu werben. Horowitz sucht Gründer mit Mut, eine Idee bis zur absoluten Marktreife zu treiben. Schwächen dürfen sich Gründer nicht leisten: "Wer nicht entlassen kann, gehört selbst entlassen."
Und was machen dann die Menschen?
Womit der Silicon-Valley-Veteran ein Thema anspricht, das sich durch viele Diskussionen zog: Was bedeutet die Digitalisierung für den Arbeitsmarkt? US-Investor Joe Schoendorf brachte es auf den Punkt: "Was machen wir mit all den Leuten, deren Jobs wir mit Maschinen und Programmen ersetzen?" Letztlich würden Unternehmer ihre eigene Kundschaft abschaffen.
Internet-Kritiker Andrew Keen befürchtet die Entstehung eines neuen Prekariats. Er kritisierte Internet-Milliardäre wie Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg oder Amazon-Gründer Jeff Bezos. "Das Internet reflektiert die derzeitige Gesellschaft. So wie sie aufgebaut ist und sich zur Überwachungsgesellschaft entwickelt hat, so ist auch das Internet kaputt und antisozial." Zuckerberg und Co. müssten sich dafür einsetzen, dass sich die Lebensumstände der Menschen verbesserten.
Millenials sind ein Problem für die Finanzbranche
Digitalisierung als eine gigantische Jobvernichtungsmaschine — diese Befürchtung legte sich wie ein dunkler Schatten über die optimistischen Debatten der DLD. Doch wieso sollte sich Geschichte nicht wiederholen? Auch beim Übergang von der Agrarwirtschaft in die Industriewirtschaft gingen zahlreiche Arbeitsplätze verloren - aber durch Innovationen entstanden auch zahlreiche neue. "Ich fürchte, dieses Mal ist es anders", sagt Jeff Jarvis im Gespräch mit unserer Redaktion. "Technologie führt zu Effizienz, aber nicht zu Wachstum."
PayPal-Mitgründer Max Levchin präsentierte eindrucksvoll, vor welchen Herausforderungen allein die Finanzbranche steht. Sie wird unter Druck gesetzt von der Generation der Millenials. Das sind rund 85 Millionen Amerikaner, die zwischen 1981 bis 2000 geboren wurden. Sie würden der Finanzbranche sehr stark misstrauen, 63 Prozent hätten nicht mal mehr eine Kreditkarte. "Die Erwartungen, das Konsumverhalten und die Nachfragen unterscheiden sich fundamental von denen der vorigen Generationen." Deswegen hat er das Start-up Affirm gegründet, um Finanzierungskonzepte für die junge Generation anbieten zu können.
Für Jarvis ist Levchins Konzept spannend: "Er kann den Bankensektor verändern, weil er Big Data nutzt, um das Risiko von Krediten zu minimieren." Auch für diese Branche gilt: Der große Wandel kommt erst noch.