Sprachassistent Alexa Verbraucherschützer attackiert Amazon wegen Lauscherei

Düsseldorf/Seattle · Der US-Konzern lässt weltweit Sprachbefehle von Mitarbeitern abtippen – angeblich, um die Sprachsteuerung zu verbessern. Der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen reagiert erbost.

 Ein smarter Lautsprecher von Amazon. (Archiv)

Ein smarter Lautsprecher von Amazon. (Archiv)

Foto: dpa/Elaine Thompson

Millionen Deutsche nutzen den Sprachassistenten Alexa von Amazon und denken, dass sie ihre Fragen und Befehle nur einem Computer-System anvertrauen. Doch nun steht fest, dass es oft menschliche Mitlauscher gibt: Amazon beschäftigt weltweit Tausende Mitarbeiter, die Aufnahmen von Alexa abtippen und die Texte dann in den Computer eingeben. Das berichtet die US-Nachrichtenagentur Bloomberg und Amazon räumt die Praxis ein.

Man setze menschliche Hilfskräfte in begrenztem Ausmaß ein, um Alexa weiter zu verbessern, heißt es als Begründung. Empört darüber ist Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen: „Das sind schon dubiose, wenn nicht unsägliche Praktiken.“ Er fordert: „Ohne eine explizite Einwilligung darf es ein Abhören nicht geben.“

Tatsächlich kann von Transparenz nicht die Rede sein. In den Datenschutzeinstellungen von Alexa ist voreingestellt, dass Kunden „bei der Entwicklung neuer Funktionen mithelfen“ sollen. Dies wird dann so erläutert: „Das Training von Alexa mit Aufnahmen von vielfältigen Kunden trägt dazu bei, dass Alexa für alle gut funktioniert. Wenn diese Einstellung aktiviert ist, werden ihre Sprachaufnahmen möglicherweise bei der Entwicklung neuer Funktionen verwendet.“

Doch während die Nutzer annehmen müssen, dass das Computer-System eigenständig Sprachaufnahmen auswertet, kommt nun die Wahrheit heraus: In Boston, Indien, Costa Rica oder auch in Bukarest sitzen Tausende Mitarbeiter, die jeder täglich viele hundert Sprachaufnahmen abhören müssen, um ihren Sinn zu entschlüsseln.

Ein Beschäftigter aus Boston sagte, er habe zum Beispiel Aufzeichnungen mit den Worten „Taylor Swift“ analysiert und sie mit der Anmerkung versehen, dass die Nutzer die Sängerin meinten.

Amazon erklärt nun, die menschlichen Lauscher des Konzerns würden nicht erfahren, wessen Sprachbefehle sie aktuell analysieren. Alle Daten seien verschlüsselt. Bloomberg berichtet dagegen, auf einem Screenshot zu einem Transkriptions-Auftrag seien eine Account-Nummer, der Vorname des Nutzers sowie die Seriennummer des Geräts aufgeführt gewesen.

Wie sensibel die Vorgänge sind, zeigen Details des Berichtes: Wenn Alexa aufgenommen hatte, wie die Bankdaten eines Kunden lauten, sollten die Zuhörer wegklicken. So lautet eine interne Anweisung von Amazon, berichtet Bloomberg. Überprüfen kann das Wegklicken aber niemand. In hunderten Fällen nahm Alexa Gespräche auf, die gar nicht für das System gedacht waren. Es reicht manchmal, wenn das Name Alexander gesagt wird und Alexa schaltet sich ein.

In zwei Fällen hatten die Mitarbeiter Sorge, dass sie einen sexuellen Übergriff wahrnahmen. Die Polizei wurde allerdings nicht informiert, weil es nicht Amazons Job sei, sich in das Leben der Nutzer einzumischen. Der Datenschutz müsse eingehalten werden.

Dabei zeigen die Vorgänge, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz ohne Unterstützung durch Menschen noch nicht realistisch ist. „Computer können das gesprochene Wort noch nicht ausreichend eigenständig verstehen“, sagt der Düsseldorfer Unternehmensberater Holger Neinhaus, „sie brauchen menschliche Trainer, die ihnen helfen, Aussagen richtig zu interpretieren. Alles was einmal trainiert wurde sitzt dann aber auch für immer.“

Dies wissen auch Apple und Google: Laut Bloomberg helfen Menschen auch dort den Sprachassistenten Siri und Google Assistant, aufgenommene Befehle besser zu verstehen. Beide Unternehmen erklären, die Daten restriktiv zu kontrollieren, eine persönliche Identifikation der Kunden sei unmöglich.

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