Simulation im Spiele-Test SimCity: Wenn ich einmal Bürgermeister wäre

Düsseldorf · Entwickler Maxis und Publisher Electronic Arts haben sich das Leben schwergemacht. Die Neuauflage von SimCity kämpfte nach der Veröffentlichung mit massiven Serverproblemen. Mittlerweile kann man ein paar Stunden am Stück spielen – und die vergehen wie im Flug. Der zwanghafte Social-Gaming-Versuch aber hinterlässt nur Fragezeichen.

Entwickler Maxis und Publisher Electronic Arts haben sich das Leben schwergemacht. Die Neuauflage von SimCity kämpfte nach der Veröffentlichung mit massiven Serverproblemen. Mittlerweile kann man ein paar Stunden am Stück spielen — und die vergehen wie im Flug. Der zwanghafte Social-Gaming-Versuch aber hinterlässt nur Fragezeichen.

Was mache ich nur? Was mache ich nur? Vor dem Rathaus demonstrieren die Bürger meiner fiktiven Stadt, weil es ihnen buchstäblich stinkt: Die Müllabfuhr arbeitet nicht effizient. Die Polizei beschwert sich, weil die Gefängnisse überquellen. Die Kanalisation ist am Limit. Und der Strom fällt immer wieder aus, weil kein Platz für Kraftwerke oder weitere Windräder ist. Und die Steuern sind wie im wahren Leben natürlich immer zu hoch. Nein, man hat es nicht leicht in SimCity als Bürgermeister. Im Grunde ist man sogar mehr als das: irgendetwas zwischen Despot und Halbgott. Denn Wahlen gibt es keine. Wenn die Bewohner genug haben, stimmen sie nicht für einen anderen Bürgermeister — sie packen ihre Koffer, geben ihre Häuser auf und verschwinden.

Das Spiel hat auch in der Neuauflage nichts von seinem Reiz verloren. Es sind nicht Monster, Aliens oder Zombies gegen die man kämpft. Vielmehr sind es die Bedürfnisse der stetig wachsenden Stadt, die einem Kopfzerbrechen bereiten. Das war in den alten SimCity-Versionen auch nicht anders. Neu ist aber die Präsentation: Die Spielwelt ist nun in 3D und sieht zumindest für SimCity-Verhältnisse umwerfend aus. Das Niveau von Crysis 3 erreicht man nicht, aber die Städte sind trotzdem schön anzusehen — auch weil sie sehr lebendig wirken. Die Bewohner gehen tagsüber arbeiten, wollen ihr Geld in Läden ausgeben und sich nachts vergnügen oder ein sicheres Zuhause haben. Stufenlos kann man in die Karte zoomen und jeden einzelnen Bewohner anklicken, um mehr über sein Sorgen zu erfahren. Es ist eine Art von Umfrage im Kleinen, in der Hinweise stecken, was man verbessern kann.

Doch das ist eine Einzelmeinung. Die verschiedenen Bedürfnisse aller Einwohner lassen sich nicht auf Anhieb befriedigen. Denn der Schlüssel dazu ist das Spielgeld, das erst verdient werden muss. Anfangs hauptsächlich über Steuern, die sich mit der Zeit immer feiner einstellen lassen — für Gewerbe, für Industrie bis hin zu den verschiedenen Einkommensgruppen. Sind sie zu hoch, wandern Unternehmen und Bewohner ab. Sind sie zu niedrig, steht man vor der Pleite. Später kommen noch Hightech-Produkte und Rohstoffe hinzu, die man auf dem Weltmarkt verkaufen kann. Dennoch muss man ständig die Balance halten zwischen den dringend notwendigen Ausgaben und der Summe, die man anspart für größere Projekte.

Straßen sind der Schlüssel

SimCity ist und bleibt kein triviales Spiel. Auch nicht in der Neuauflage. Um zu bestehen, muss man eine langfristige Strategie verfolgen: eine Vision, ob man ein Industrie- oder Dienstleistungs-Zentrum oder eine Touristen-Metropole bauen möchte. Wer ohne Ziel antritt und nur reagiert, wird früher oder später der Bürgermeister einer Geisterstadt sein. Der Weg zum Planungserfolg führt dabei über die Straßen: Gebäude werden automatisch an ihnen ausgerichtet und auch nur an ihnen entlang gebaut. Sogar solche Freizeit-Elemente wie ein simpler Schlängelpfad können nur an einer Straße gebaut werden. Und wer die Straßen abreißt, weil er Platz benötigt, verliert auch die Gebäude, die an ihnen stehen. Wer die Stadt falsch plant, wird darum recht schnell vor Problemen stehen.

Beim Bau der Verkehrs-Infrastruktur hat man dafür alle Freiheiten von Geraden über Rechtecke, Kreise und Ellipsen bis hin zu Kreisstücken oder sich wildschlängelnden Wegen. Allerdings bevorzugt das Spiel Schachbrett-Muster nach dem Vorbild der US-Städte, um den Platz optimal zu nutzen. Und der ist in der Neuauflage leider recht überschaubar: Dem Wachstum sind darum enge Grenzen gesetzt. Das wird nur etwas dadurch ausgeglichen, dass es in der Metropolregion mehrere Städte gibt, die kooperieren können — selbst dann, wenn man alleine antritt.

Social-Gaming soll über kleine Stadtgebiete erzwungen werden

Genau das aber möchte SimCity eigentlich nicht. Die Neu-Auflage ist ein obligatorisches Online-Game. Bei Maxis hat man sich anscheinend gedacht, dass es besser sei, wenn ein Spieler nur noch eine kleinere Stadt verwaltet — und die Nachbar-Kommune von einem anderen echten Menschen kontrolliert wird. So will SimCity einen dazu zwingen, sich mit anderen Bürgermeistern zu arrangieren und abzusprechen. Dienstleistungen wie Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei, Müllabfuhr können gegen Spielgeld von anderen Städten übernommen werden. Oder aber man verzichtet auf ein eigenes Kraftwerk und kauft Strom ein. Immer vorausgesetzt, der Nachbar investiert in solche Angebote. Wenn sich die Städte einer Metropolregion aber spezialisieren und gegenseitig unterstützen, können sie am Ende gemeinsam ein ressourcenfressendes Großprojekt wie beispielsweise einen Weltraumbahnhof verwirklichen. Ein anderes Ziel oder Zwischen-Aufgaben gibt es im neuen SimCity nicht.

Tatsächlich kann man aber auch eine Metropolregion aussuchen, ein geschlossenes Spiel wählen, zu dem kein anderer Zutritt hat und dann alle Städte selbst verwalten. Schließlich saßen SimCity-Experten bislang auch alleine vor dem Rechner, um ihre Stadt in die Zukunft zu führen. Der Versuch aus dem Aufbau-Spiel zwanghaft ein Social-Game zu machen, führt unter anderem dazu, dass man nicht mehr speichern kann, sondern die Spieldaten mit Servern synchronisiert werden. Und die waren zum Veröffentlichungstermin heillos überlastet. Entweder man kam nicht rein oder man stand auf einer Warteliste. Wenn man dann einmal im Spiel war, konnte es passieren, dass die Verbindung zum Server unterbrochen wurde. Man konnte zwar seine Stadt weiterentwickeln, nur wurde nichts synchronisiert. Wer abbrach und später weitermachen wollte, musste frustriert feststellen, dass der gesamte Fortschritt aus der vorherigen Session nicht gesichert worden war.

Keine Speicherfunktion mehr, nur Server-Synchronisation

Dafür hat man bei der Präsentation der Daten einen neuen Weg gefunden: über 3D-Säulendiagramme. Will man beispielsweise etwas über die Einkommensgruppen erfahren, wird das Stadtgebiet aus- und Säulen eingeblendet, deren Farbton und Höhe alle notwendigen Informationen vermitteln. So sieht man recht schnell, wo die Einkommensstärksten leben; Statistiken muss man dafür nicht mehr durchgehen. Gleiches gilt unter anderem für die Bevölkerungsdichte oder Grundstückspreise. Das sieht nicht nur schick aus, sondern ist ein sehr moderner Weg, um komplexe Daten darzustellen.

Und die benötigt man, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Trotz aller Tücken und dem Versuch, zwanghaft daraus ein Social-Game zu machen: Es macht immer noch Spaß. SimCity ist eins der Spiele, das man nur mal eben startet, um reinzuschauen — und schon verbringt man einige Stunden in der virtuellen Region.

Mit dem obligatorischen Online-Modus dagegen konnte man im Test nicht so ganz warm werden. Das Spiel ist und bleibt nun mal eine entschleunigte Aufbau-Simulation, in die man versinken möchte. Es ist kein actionlastiger Ego-Shooter wie "Call of Duty" oder ein schneller Real-Time-Strategie-Kracher wie Starcraft, bei denen ein Online-Modus funktioniert, vor allem weil man mit anderen konkurriert. SimCity setzt als Multiplayer auf Kooperation, der aber einem den Triumph nimmt, selbst etwas aufgebaut und erreicht zu haben.

Was darum bleibt, ist ein gemischtes Gefühl. Ohne den zwanghaften Server-Anschluss und mit größeren Karten wäre SimCity ein grandioses Spiel. So aber ist es nur ein gutes, wenn man mit Freuden spielt oder den Social-Part aushebelt, indem man eine Session beginnt — und alle anderen Teilnehmer ausschließt.

Noten:

Grafik 7,5 von 10

+ für SimCity-Verhältnisse grandiose Grafik

+ frei drehbare 3D-Welt, in die man bis zu einem einzelnen Bewohner zoomen kann

+ Städte wirken sehr lebendig

Sound 7,0 von 10

+ entspannende Hintergrundmusik

+ passende Soundeffekte

Gameplay 7,0 von 10

+ einfache, schnell zu beherrschende Steuerung

+ sehr viele Gebäude und Optionen

+ sehr gelungene Darstellung komplexer Daten

- recht kleine Stadtgebiete

- Online- und Server-Zwang

- keine Speicherfunktion: Wer Fehler macht, kann nicht einen Schritt zurückgehen

Herausforderung 8,0 vom 10

+ stetige Lernkurve

+ anfangs überschaubar, später immer fordernder

+ logische zusammenhänge

- keine Zwischenaufgaben

- im Schachbrett-Muster angelegte Städte sind im Vorteil

Gesamtwertung 7,4 von 10

(felt)
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