Spiele-Review Metro: Last Light — packend und bewegend

Düsseldorf · Das ukrainische Entwicklungsteam 4A Games hat sich drei Jahre Zeit gelassen. Nun haben hat es mit Metro: Last Light die Fortsetzung des Ego-Shooters Metro 2033 präsentiert. Und mit der steigt 4A Games in die Spitzenklasse auf.

Metro: Last Light - Packender Ego-Shooter
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Metro: Last Light - Packender Ego-Shooter

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Es gibt hoffnungsvollere Szenarien als in Metro: Last Light. Nach einem Atomkrieg mussten sich die Moskauer Überlebenden in das U-Bahn-System Metro zurückziehen. Knapp 20 Jahre nach dem Angriff haben sich neue Gesellschaftsformen in den verschiedenen Abschnitten des Tunnelsystems etabliert. Das ist die Welt, in die man in der Rolle des Protagonisten Artjom tritt. Und es ist ein schmutziger, finsterer Ort, in der alles Mangelware ist. Was zählt, ist das Überleben, das in Metro: Last Light sehr oft an ein Dahinvegetieren im fahlen Kunstlicht erinnert. Verlässt man die eher zivilisierten Bereiche, stolpert man über die Totenköpfe all jener, die es nicht mehr rechtzeitig geschafft haben, sich zu retten ­— und über mehr oder weniger unheimliche Mutationen der Tier- und Pflanzenwelt an der strahlenkontaminierten Oberfläche.

Das ist so düster und pessimistisch, wie es klingt. Gleichzeitig aber wirkt diese Spielewelt sehr lebendig und real. Wer durch die bewohnten Gebiete geht, kann an fast jeder Ecke Gesprächen oder Klagen der Bewohner lauschen. Wer sich Zeit nimmt und darauf einlässt, hört die verblassten Erinnerungen der älteren Überlebenden an die Zeit vor dem Krieg, die vertraut erscheint — und in dieser Welt doch so seltsam fremd wie ein Märchen wirkt. 4A Games hat mit Metro: Last Light eins der atmosphärisch dichtesten Spiele seit langer Zeit geschaffen, das bis ins Detail ausgearbeitet scheint — und tatsächlich auch ist. Die ukrainischen Entwickler profitieren davon, dass sie diese Dystopie nicht selbst erschaffen mussten, sondern auf die Romanvorlage von Dmitry Glukhovsky zurückgreifen konnten.

Metro: Last Light wirkt beklemmend und klaustrophobisch. Und die Überlebenden scheinen nur wenig aus dem Atomkrieg gelernt zu haben: Verschiedene Fraktionen von Faschisten bis Kommunisten haben sich gebildet, die im Kampf um die knappen Ressourcen vor so gut wie nichts zurückschrecken. Und der Spieler kämpft als Artjom auf Seiten einer der Fraktionen. Dabei gerät er in den Strudel der politischen Intrigen und des sich anbahnenden Krieges.

Wahlweise schleichen oder kämpfen

Das ist die perfekte Vorlage für einen Ego-Shooter. Zumindest ist Metro: Last Light das auf den ersten Blick. Tatsächlich aber wurde das Stealth-System im Vergleich zum Vorgänger überarbeitet und kann man das Spiel meistern, ohne einen Schuss abzugeben. Zumindest weitgehend. In den Script-Sequenzen, wo es gefordert wird, kommt man nicht darum herum. Aber man ist in dem Ego-Shooter nicht zwingend auf Gewalt angewiesen — wenn man geschickt vorgeht, Wachen betäubt und Lichtquellen ausschaltet, um sich in der Dunkelheit zu bewegen.

Wer darauf lieber verzichtet, spielt einen geradlinigen Shooter, der ohne ein neumodisches Skill-System, übernatürliche Fähigkeiten oder Rüstungen auskommt. Einzig die diversen Waffen lassen sich anpassen. Die Möglichkeiten sind aber so vielfältig, dass die Unterschiede etwas verschwimmen: Eine Pistole mit langem Lauf und Visiersystem spielt sich wie ein Scharfschützengewehr.

Die KI der Gegner wurde zwar im Vergleich zum Vorgänger enorm verbessert. So suchen schwächere Feinde jetzt Deckung, während die stärkeren versuchen, die eigene Stellung zu stürmen. Aber eine taktische Vorgehensweise ist ihnen immer noch weitgehend fremd. An mehr als Shooter-Durchschnitt reichen sie nicht heran.

Horror-Elemente und große Spielewelt

Aber das ist es ohnehin nicht, womit Metro: Last Light Maßstäbe neben der Atmosphäre setzt. Die Welt ist nicht mehr so linear aufgebaut wie im ersten Teil. Vor allem an der Oberfläche tritt man in eine sehr offene Welt, in der man in sumpfigen Ruinen nach Relikten der Vergangenheit sucht. Dort wird der Shooter schnell auch zum Horror-Survival-Game: Unheimliche Geräusche dringen an das Ohr, verschwinden, sind wieder da, bis plötzlich eine mutierte Lebensform wie aus dem Nichts angreift — und der Spieler erschreckt zusammenzuckt. Arachnophobiker werden zudem in einigen der dunklen Höhlen ihrem Albtraum begegnen, wenn große achtbeinige Monster aus Eiern platzen.

Wo andere Actionspiele sich auf eine Erfolgsformel verlassen und sie wiederholen, bietet Last Light gleich mehrere, die sich abwechseln. Das schlägt sich auch in der Spielzeit nieder: Mehr als zehn Stunden benötigt man bis zum Finale. Wer die Welt tatsächlich erkundet, kommt locker auf etwa 20 Stunden. Dafür wird man mit seltenen Waffen belohnt oder in Bonus-Missionen mit dem Gefühl, etwas Gutes in dieser grausamen Welt getan zu haben. So kann man den verloren gegangenen Teddy eines Kindes suchen oder eine Frau vor einem Überfall retten. Was in anderen Spielen oft kitschig wirkt, ist in Metro: Last Light Teil der grausamen Spielrealität, in der Menschen wie Ratten in Tunneln eingepfercht sind. Für einen Ego-Shooter ist das Spiel nicht wirklich brutal. Selbst Bioshock: Infinite geht härter zur Sache. Die Grausamkeit spielt sich dafür überall und oft am Rand ab: wenn mit einem Virus Infizierte zum Schutz der Überlebenden verbrannt oder eine faschistoide Gruppierung Menschen wegen Nichtigkeiten wie Tiere in Käfige sperrt. Es sind solche Momente, in denen die Moral des Spielers auf die Probe gestellt wird. Und viel zu selten kann man eingreifen. Der Protagonist ist eben kein Superheld, sondern nur ein desillusionierter Mann in einer verkommenen Welt.

Ein Spiel, das nachdenklich macht und berührt

Es ist keine leichte Kost, die Metro: Last Light serviert. Dafür gibt es nur selten Spiele, die einen so dermaßen mitreißen, berühren und zum Nachdenken zwingen. Perfekt ist das Spiel indes nicht. Man würde sich mehr Möglichkeiten wünschen, mit der Welt zu interagieren. Viele Schlösser lassen sich beispielsweise nicht knacken und Schränke nicht öffnen. Auch die Story selbst kommt nicht an die Atmosphäre heran, sie wird dafür eindrucksvoll erzählt. Zumal die deutsche Synchronisation überaus gelungen ist.

Die Entwickler sind auch nicht in die Falle gelaufen, ein eher langweiliges Tunnel-Universum in Szene zu setzen, in dem ein Abschnitt dem nächsten gleicht. Sehr kreativ haben sie eine überaus abwechslungsreiche Welt geschaffen. Grafisch bewegt sich das Spiel am PC zudem auf dem Niveau von Crysis 3: Auf einem entsprechend ausgestatteten Rechner sieht Metro einfach nur umwerfend aus. Aber auch auf den Konsolen hinterlässt das Spiel immer noch einen sehr guten Eindruck und ruckelt trotz der Bildgewalt so gut wie nie.

4A Games hat einen etwas anderen Ego-Shooter geschaffen, der einen nicht kalt lässt, sehr viel Abwechslung bietet und lange fesseln kann. Am Ende sind es nur Kleinigkeiten, die das Spiel davon trennen, mit Bioshock: Infinite gleichzuziehen, das erst vor wenigen Wochen neue Genre-Maßstäbe gesetzt hat. In einem Punkt übertrifft es den Klassen-Primus sogar: in der dichten Atmosphäre.

Wertung

Grafik 9,5 von 10

+ optisch am PC umwerfend, auf Konsolen sehr gut

+ sehr detailverliebt

+ abwechslungsreiche Tunnelwelt


Sound 10 von 10

+ stimmiges Sounddesign

+ stimmige Musik

+ deutsche Synchronisation sehr gut gelungen


Gameplay 8,5 von 10

+ leicht zu steuern

+ sehr abwechslungsreiches Spiel

+ bisweilen sogar Horror-Survival-Feeling

+ Shooter lässt sich auch als Stealth-Game spielen

- nur durchschnittliche Gegner-KI

- ab und an langatmige Passagen

- zu wenig Interaktionsmöglichkeiten


Story/Atmosphäre 9 von 10

+ düstere Welt exzellent in Szene gesetzt

+ überaus dichte Atmosphäre

+ Tunnelszenario konsequent ausgearbeitet

- Story selbst nur knapp überdurchschnittlich


Gesamtwertung 9,0 von 10


(felt)
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