Far Cry New Dawn im Spieletest Schrille, bunte Endzeit-Schiesserei

Knapp ein Jahr nach dem Release von „Far Cry 5“ präsentiert uns Ubisoft mit „New Dawn“ nun Neues aus Hope County. Das Spiel bewegt sich zwischen Fortsetzung und Epilog. Und es macht jede Menge Spaß.

 Die Zwillingsschwestern Mickey und Lou terrorisieren Hope County in Far Cry New Dawn.

Die Zwillingsschwestern Mickey und Lou terrorisieren Hope County in Far Cry New Dawn.

Foto: Ubisoft

Die Apokalypse muss nicht immer trist, grau und düster sein. Sie kann auch bunt, abgedreht und ziemlich verrückt sein. „New Dawn“ spielt knapp zwei Jahrzehnte nach dem verstörenden Ende von Far Cry 5 – als Atomraketen die Welt verwüsteten. Jetzt sind wir wieder in Hope County. Und es fühlt sich an wie eine Wiederkehr. Durch den Nuklearschlag sieht zwar alles anders aus, und dennoch wirkt es vertraut. Das Grün wurde indes ersetzt durch bunte, knallige Farben. Realistisch wirkt diese psychodelische Welt nach der Apokalypse nicht, in der Strahlung so gut wie gar kein Thema ist. Dafür ist es ein anderer, verspielter Endzeit-Ansatz. Für die passende Atmosphäre sorgen Waffen, Gefährte und Behausungen, die notdürftig zusammengeflickt, improvisiert oder sporadisch repariert wirken. Nebenbei können wir noch ein paar der alten Orte aus Far Cry 5 besuchen und sehen, wie sie sich verändert haben.

Aber New Dawn ist keine nostalgische Sightseeing-Tour, es ist immer noch ein Shooter. Und dazu gehören Gegner: Die sogenannten Highwaymen verlangen von den Überlebenden Tribut. Dagegen lehnen wir uns als Spieler natürlich auf und legen uns mit den beiden grausamen Zwillingsschwestern Mickey und Lou an. Die erinnern irgendwie an die US-Rapperin Nicki Minaj und führen die Wegelagerer an. Doch so eindrucksvoll die beiden Frauen zunächst wirken, am Ende können sie nicht mithalten mit den großen Gegnern der Reihe – wie Vaas Montenegro oder auch Joseph Seed. Und mit eben diesem charismatischen Sektenführer aus Far Cry 5 verbünden wir uns im Kampf gegen die Highwaymen. Es gibt natürlich wieder mehrere Enden, die nun die Seed-Story tatsächlich zum Abschluss bringen. Das war einer der großen Kritikpunkte ungeduldiger Spieler an Far Cry 5 – ohne zu wissen, dass Ubisoft da bereits Pläne hatte.

Spielerisch indes halten sich Neuerungen in Grenzen. „New Dawn“ ist in Kern immer noch ein unterhaltsamer Shooter, ohne den Anspruch besonders realistisch sein zu wollen. Es gibt ein paar neue Waffen, Gegner haben nun Level sowie einen Lebensbalken. Und über Expeditionen können wir dringende benötigte Ressourcen sammeln. Dafür fliegt uns ein Hubschrauber in externe Gebiete, die man sonst nicht erreichen kann. Dort schlagen und kämpfen wir uns durch. Und mit den erbeuteten Rohstoffen lassen sich Waffen aufwerten oder Autos und unsere Basis verbessern.

Die Rollenspiel-Elemente aus Far Cry 5 gibt es zudem immer noch. Ebenso wie unsere tierischen Begleiter. Und der neue Hund Timber ist tatsächlich noch knuffiger als Boomer im Vorgänger. Aber auch das Wildschwein Horatio kann man nur gernhaben. Dafür ist das Spiel insgesamt linearer aufgebaut und darum auch kürzer. Wer das Maximum an Rohstoffen für die beste Ausrüstung sammeln möchte, kann die Spielzeit natürlich verlängern. Zudem trifft man im Verlauf des Spiels einige schrille Figuren, die einen mit Nebenaufgaben eindecken. Aber die Story selbst wird ziemlich geradlinig erzählt.

Der Preis für New Dawn ist darum mit ca. 40 Euro recht fair angesetzt worden von Ubisoft. Vieles aus dem Vorgänger wurde mit einer neuen Textur versehen und wird wiederverwendet. Die Story ist zudem kürzer. Wer nicht Far Cry 5 gespielt hat, bringt sich indes selbst um eine Menge Spaß. Es gibt viele Referenzen zu dem Hauptspiel und den Figuren, denen wir da begegnet sind.

New Dawn ist unterhaltsam, aber es bleibt der Far-Cry-Formel treu. Allerdings schleicht sich das Gefühl ein, dass Ubisoft bereits ein wenig experimentiert und uns zumindest ein Stück weit auch ein Endzeit-Rollenspiel „light“ serviert. Wenn die Hauptfigur noch das Sprechen lernt und sich unsere Figur noch mehr anpassen lässt, könnte die Reihe vielleicht für die neue Konsolen-Generation in einer echten Alternative münden – zu Fallout: Denn diese Rollenspiel-Reihe in einer postapokalyptischen Welt von Bethesda schwächelt derzeit doch sehr.

Ubisoft müsste dafür die spielerischen Freiheiten etwas ausbauen und das Rollenspiel-Element erweitern. Die Grundlagen indes sind gelegt. Außerdem: So sehr das „Far Cry“-Prinzip immer noch Spaß macht, so langsam wird es auch da Zeit für ein paar neue Impulse und Innovationen.

Wir geben Far Cry New Dawn 712 von 936 Litern Ethanol, 15 von 19 Sägeblättern und 39 von 51 Timber-Knuddel.

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