Diablo IV Beta angespielt Es knirscht im Höllengetriebe

Meinung | Düsseldorf · Am Wochenende konnten Vorbesteller, Presse und Streamer eine Beta-Variante von Diablo IV des Entwicklers Blizzard anspielen. Unsere Redakteure haben sich todesmutig Höllenkreaturen und Serverproblemen entgegengeworfen.

Lilith, Tochter des Hasses, ist im vierten Teil die Gegenspielerin des Helden.

Lilith, Tochter des Hasses, ist im vierten Teil die Gegenspielerin des Helden.

Foto: Blizzard Entertainment/Screenshot

Auf zwei Plattformen (PC und Xbox Series S) haben sich unsere Redakteure am vergangenen Wochenende aufgemacht, der Diablo IV Open Beta auf den Zahn zu fühlen. Beide haben lange auf einen Nachfolger der erfolgreichen Serie gewartet, doch überzeugen konnte das aktuell spielbare Erzeugnis nicht.

Christina Willems: Open Beta mit Beigeschmack Dass Entwickler Blizzard mit „Diablo IV“ das Rad in Sachen Action-Rollenspiele nicht neu erfinden würde, dürfte den meisten Fans bewusst sein. Was der Community vom 17. bis 19. März präsentiert wurde, macht jedoch einen eher durchwachsenen Eindruck.

Wer Warteschlangen von bis zu 90 Minuten und diverse Fehlercodes beim Login hinter sich gelassen hat, den erwartete bereits im Startbildschirm die erste Enttäuschung. So standen mit dem Totenbeschwörer und dem Druiden zwei beliebte Klassen gar nicht erst zur Verfügung. Dies soll in der kommenden Open Beta anders sein, hinterlässt aber erst mal einen faden Beigeschmack. Und so treten Spieler nur mit Zauberer, Barbar und Jäger gegen die Scharen der Hölle an. Während sich der Jäger sehr geschmeidig spielt, ist das Gameplay des Zauberers anstrengend. Der Magieklasse fehlt es an Crowd-Control-Fähigkeiten und die Standardzauber sind wenig abwechslungsreich.

 Trotz eingeschränkter Teilnehmerzahl kam es zu Fehlermeldungen und langen Warteschlangen.

Trotz eingeschränkter Teilnehmerzahl kam es zu Fehlermeldungen und langen Warteschlangen.

Foto: Blizzard Entertainment/Screenshot

Neue Fähigkeiten verspricht der umfangreiche Talentbaum, der das Anpassen der Klasse individueller gestalten soll. Das hat allerdings auch seine Nachteile. So wirkt das Überangebot an Attacken verwirrend und Anfänger dürften Probleme haben, sich zurechtzufinden. Auch die Tatsache, dass Spieler auf den ersten Stufen nur zwei Fähigkeiten ausrüsten können, ist gewöhnungsbedürftig.

Top 25: Die meistverkauften Videospiele bis 2023
26 Bilder

Die meistverkauften Videospiele der Welt

26 Bilder
Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Doch genug der Kritik, immerhin hat die Beta gezeigt, dass „Diablo IV“ auch viele Dinge richtig macht. So verfügt das Spiel über einen umfangreicheren Charakter-Editor, mit dem nicht nur das Geschlecht, sondern auch Haarfarbe, Frisur und Narben angepasst werden können. Das steht zwar in keinem Vergleich zu Spielen wie „Elden Ring“, macht aber Laune. Auch das neue Sammel- und Handwerk-System, das an den Blizzard-Hit „World of Warcraft“ erinnert, ist ein netter Zeitvertreib. Und dann wäre da noch die Grafik, die zwar keine Goldmedaille verdient hat, aber für optisch gelungene Charaktere sorgt.

Christian Albustin: Innovation – Fehlanzeige Als vor knapp 23 Jahren Diablo II erschien, war der Kampf gegen die Heerscharen der Hölle ein harter und langwieriger. Spiele waren damals so, die Einstiegshürde selten niedrig. Man kämpfte sich halt durch und das gute Gefühl, etwas geleistet zu haben, winkte am Horizont. Inzwischen hat sich bei den meisten Entwicklern das Credo durchgesetzt: einfach zu lernen, schwierig zu meistern. Der Einstieg soll viele Spieler abholen, an die Spitze schaffen es halt nur die hartnäckigsten. Bei Spielern kommt das in der Regel gut an. Man möchte sich von Anfang an mächtig fühlen und sich erst später mit den Feinheiten zur Maximierung beschäftigen. Diablo IV jedoch kümmert sich darum nicht. Die ersten Spielstunden, die Spieler mit Vorabzugang am Wochenende ausprobieren konnten, waren vor allem zäh und trist.

In der Hölle nichts Neues. Das muss die Prämisse der Entwickler beim Fähigkeitensystem gewesen sein. Der Zauberer kann sich zu Beginn entscheiden zwischen kleinem Feuerball, kleinem Eissplitter und kleinem Blitz. Auf der nächsten Stufe des Talentbaums folgen großer Feuerball, großer Blitz und großer Eissplitter. Überspringen geht nicht, nur, wer Punkte in den Anfang investiert, schaltet die höheren Stufen frei. Nicht nur ist das beeindruckend langweilig, der gesamte Talentbaum könnte ein zweiter Aufguss von Diablo II sein. Teleport, Hydra, Frostnova, Meteor - alles schon dagewesen und in seiner Ausführung auch nicht groß anders als damals. Wer Diablo II mochte, kann mit der „Resurrected“-Fassung eine wirklich gut gelungene Neuauflage des Klassikers genießen. Dazu braucht es kein Diablo IV.

 Spezielle Kisten, die sich nur mit speziellen Schlüsseln öffnen lassen, die nur ein spezieller Händler verkauft.

Spezielle Kisten, die sich nur mit speziellen Schlüsseln öffnen lassen, die nur ein spezieller Händler verkauft.

Foto: Blizzard Entertainment/Screenshot

Wenig überraschend spielt sich Diablo IV auch wie sein Vorvorgänger. Die Kämpfe sind wenig dynamisch, die Steuerung umständlich, die Gegner vorhersehbar. Im Grunde stürmt so gut wie jedes Monster den Spieler direkt und auf geradem Wege an, mit nur wenigen Ausnahmen. Spieler, die auf Bogenschütze oder Zauberer setzen, sind bei stärkeren Gegnern also in einem ständigen Wechsel gefangen zwischen Flucht und Angriff. Das war schon vor 20 Jahren nicht das größte Vergnügen. Hinzukommt, dass die Steuerung an der Konsole und dementsprechend mit dem Controller oft nicht gut funktioniert. Mal wird ein Gegner anvisiert, der weiter wegsteht, statt jenem, der direkt auf den Spieler einschlägt. Feuerbälle, Pfeile und auch Nahkampfangriffe ignorieren dann aber den Gegner direkt vor der Nase. Offenbar findet keine „richtige“ Kollisionsabfrage statt. Auch fehlt eine Option, dass die Spielfigur, wenn der Gegner außer Reichweite ist, sich automatisch auf diesen zubewegt. Nicht selten muss dadurch während eines Kampfes immer wieder die eigene Position um wenige Zentimeter korrigiert werden, weil Gegner gerne mal einen kleinen Schritt zurück machen. Das macht die Steuerung mit dem Controller unnötig mühselig.

Mit Diablo III hatte Blizzard vieles anders gemacht und wurde von seiner Community dafür leider zu oft gescholten. Unter anderem beschwerten sich "hartgesottene“ Fans darüber, dass die Welt in Diablo III zu bunt, zu fröhlich gewesen sein. Hier hat Blizzard anscheinend eine große Rolle rückwärts gemacht. Die Farbpalette im ersten Akt wechselt in Außenbereichen überwiegend zwischen weiß und grau, in Innenbereichen auch mal zwischen braun und grau. Die Spielwelt ist zwar groß und detailliert, jedoch auch sehr statisch und wenig abwechslungsreich. Von Spielern und Monstern abgesehen, bewegt sich dort nichts. In den Städten und Dörfern herrscht kein Verkehr, die Spielfiguren laufen nicht herum, gehen keinem simulierten Tagwerk nach. Jetzt kann man sagen: In einem Diablo braucht es das auch nicht. Es schadet aber auch nicht und würde dem Spiel erheblich mehr Leben einhauchen. Zumal die Laufwege durch die offene Spielwelt deutlich länger sind als zuvor.

An anklickbaren Kleinigkeiten mangelt es hingegen ganz und gar nicht. Gefühlt alle drei Meter kann ein Baumstumpf, eine Blume oder ein Erzvorkommen angeklickt werden. Zu allem Überfluss werden die so gesammelten Materialien auch noch für die Herstellung etwa von besseren Tränken oder dem Aufwerten der Rüstungsteile benötigt. Ein Geschmäckle bekommt die Sammelei, wenn Monster vereinzelt eine spezielle Währung fallen lassen. Mit dieser kann der Spieler unter anderem spezielle Schlüssel kaufen, mit denen er, man ahnt es, spezielle Kisten öffnen kann. Keine Währung, keine Schlüssel, kein Kisteninhalt. Das klingt sehr nach einer Mechanik, die sich später in einem Echtgeldshop niederschlagen könnte. Apropos Sammelei: Leider gibt es auch nach 27 Jahren Diablo-Geschichte noch immer keinen Gegenstandsfilter, mit dem ich die Flut an Kram, der dem Spieler zu Füßen liegt, eindämmen könnte.

In den Menüs finden sich zahlreiche Optionen für optische und akustische Barrierefreiheit.

In den Menüs finden sich zahlreiche Optionen für optische und akustische Barrierefreiheit.

Foto: Blizzard Entertainment/Screenshot

Technisch lief die Beta-Version auf der Konsole (Xbox Series S), von den Login-Problemen abgesehen, gut. Lediglich die Untertitel waren gelegentlich asynchron. Was stutzig macht, ist, dass die angezeigte Versionsnummer nur 0.8 ist. Bei einer mindestens vierjährigen Entwicklungszeit scheint es unlogisch, drei Monate vor dem geplanten Erscheinen noch zwei Unterversionen auf 1.0 draufzulegen. Das lässt zwei Vermutungen zu. Entweder die gespielte Fassung ist nicht auf dem aktuellen Stand der Entwicklung. Dann hätte sich Blizzard womöglich keinen großen Gefallen getan, mit einer veralteten Version auf Werbetour durch die Streaming-Kanäle zu gehen. Oder aber der Entwickler wird in Kürze unter Berufung auf das „Feedback aus der Community“ das Erscheinungsdatum im Juni um einige Monate verschieben, mutmaßlich in das Weihnachtsgeschäft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort