EA-Chef Jens Kosche im Interview „Spiele sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen“

Köln · EA-Chef Jens Kosche spricht im Interview über das, was ein gutes Spiel ausmacht, über die geplante Förderung der Spieleindustrie durch die Regierung und das Spielen in der Zukunft über Cloud-Server.

EA-Chef Jens Kosche beim Interview auf der Gamescom 2018.

EA-Chef Jens Kosche beim Interview auf der Gamescom 2018.

Foto: Sascha Kreklau

Jens Kosche (49) ist Deutschland-Geschäftsführer des Spiele-Entwicklers und –Publishers Electronic Arts (Fifa, Battlefield, Sims), der weltweit mehr als fünf Milliarden US-Dollar Umsatz macht. Bei der Gamescom treffen wir ihn der Business Lounge von Electronic Arts.

Herr Kosche, wie süß ist das Computerspiel-Geschäft?

Kosche Süß, sehr süß. So süß wie Schokolade. Sie spielen auf meine Vergangenheit bei Milka und Mars an. (lacht)

Wie kommt man denn von Süßem zu Computerspielen?

Kosche Ich hab in Bremen für Milka gearbeitet. Und das ist tatsächlich wahr: Ich wollte wegen des schlechten Wetters in den Süden. So kam ich ins Rheinland und habe für Mars in Viersen gearbeitet. Ich musste aber feststellen, dass das Wetter in Düsseldorf nicht sehr viel besser war als in Bremen. Ich bin trotzdem geblieben. Auch wegen der rheinischen Frohnatur. Und dann vor 15 Jahren sah ich in der Zeitung eine Stellenanzeige mit einem Logo, das mir bekannt vorkam.

Es war das Electronic-Arts-Logo?

Kosche Genau. Und das Logo kannte ich aus dem Strategiespiel „Command & Conquer“ für den PC, das ich gerne gespielt habe. Es war eine wunderbare Gelegenheit, Beruf und Freizeit zusammenzubringen.

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Wie gespannt waren Sie auf die Eröffnungsrede der Digital-Staatsministerin Dorothee Bär auf der Gamescom?

Kosche Sehr gespannt. Sie hat erneut betont, wie wichtig und ernst das Thema Spiele-Förderung von der Bundesregierung genommen wird. Und wir wissen jetzt auch, dass das Thema im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgehoben ist. Das ist ein wichtiger Schritt, weil das bislang nicht klar war.

Hätten Sie sich gewünscht, Dorothee Bär hätte bei der Gamescom den Startschuss für den Game-Fonds mit 50 Millionen Euro gegeben? Das ist der Vorschlag des Branchenverbandes Game zur Förderung kleiner und großer deutscher Entwickler.

Kosche Der Branchenverband Game, in dessen Vorstand ich sitze, hat den Vorschlag gemacht. Uns war aber klar, dass es ein bis zwei Jahre dauern wird, bis wir etwas erreicht haben werden.

Warum ist eine Game-Förderung so wichtig?

Kosche Nehmen wir das Beispiel Kanada. Dort hat man bereits vor 20 Jahren erkannt, welche wirtschaftliche Bedeutung Computerspiele haben und über Förderungen die Rahmenbedingungen für eine lebendige, wachsende Spiele-Branche geschaffen. Wir wollen nur, dass die Bedingungen ausglichen sind, und wir uns auf Augenhöhe mit anderen Ländern bewegen.

Weil wir international zurückliegen?

Kosche Auch in Deutschland wächst und wächst der Umsatz mit Computerspielen. Alleine im ersten Halbjahr 2018 um 17 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Aber deutsche Entwickler haben daran nur noch einen Anteil von rund fünf Prozent. Würden wir das auf andere klassische Industriezweige übertragen, dann wäre das kein guter Wert. Wir würden sogar von einer Krise sprechen. Es ist also gut, wenn die Bundesregierung erkennt, dass wir bei den Computerspielen in Deutschland handeln müssen.

Dazu gehört auch ein Bandbreiten-Ausbau?

Kosche Auch da stehen wir international noch nicht gut da. Das Land mit dem besten Bandbreiten-Ausbau ist Südkorea. Und das wird getrieben von der Gaming-Branche. Also ja, das gehört mit dazu, wenn wir über Computerspiele und die Zukunft sprechen.

Und die Zukunft heißt, dass Spiele gestreamt werden? Ein Fernseher würde dafür reichen, weil man in der Cloud auf einem Server spielt und nicht mehr auf die technischen Möglichkeiten eines eigenen PC oder einer Konsole angewiesen ist? Nvidia, Xbox und Sony arbeiten daran und Electronic Arts ebenfalls.

Kosche So schnell wird das nicht kommen. Vor allem nicht in Deutschland. Es gibt kaum ein anderes Land, in dem so viele Spiele in einem Geschäft gekauft und mit Bargeld bezahlt werden. Es scheint eine deutsche Eigenheit zu sein, dass man die Dinge anfassen möchte. Aber wir sind Plattform-Agnostiker und wollen dort vertreten sein, wo die Leute spielen. Das kann ein Smartphone sein oder eine Konsole zu Hause oder langfristig ein Fernseher mit der entsprechenden App.

Sie sehen die Entwicklung entspannt?

Kosche Wir wollen dem Kunden das bieten, was er haben möchte. Will er mobil und unterwegs spielen? Will er zu Hause spielen? Wir wollen das passende Angebot liefern. Und dazu gehört auch, Dinge einfach mal auszuprobieren und zu sehen, wie sie ankommen. Selbst dann, wenn sie nur zu 80 Prozent ausgereift sind.

Vor ein paar Monaten gerieten bei Electronic Arts die kostenpflichtigen Zusatzinhalte für Spiele in die Kritik, die entscheidend für den Sieg sein können. Die sogenannten Lootboxen. Haben Sie da etwas ausprobiert?

Kosche Wir haben daraus gelernt, dass die Spieler Angebote haben wollen, mit denen sie ihre Figur kosmetisch verändern und anpassen können – die aber nicht entscheidend für das Spiel sind oder Einfluss auf den Erfolg haben. Wir wären schlecht beraten, wenn wir unseren Kunden nicht das bieten, was sie tatsächlich wollen.

Und das funktioniert bei Sportspielen wie Fifa besser als bei anderen Titeln?

Kosche Wenn jemand ein Fan von Arsenal London ist und er Franz Beckenbauer im Team haben möchte, dann ist das natürlich nicht mehr realistisch. Aber wir bieten ihm die Gelegenheit über „FIFA Ultimate Team“ – wenn er die passenden Spielerkarten gesammelt hat. Die kann er auch über kostenpflichtige Angebote erhalten. Und das wird bei „FIFA“ auch angenommen. Denn selbst mit einem Dream-Team aus den besten Spielern der Gegenwart und der Vergangenheit gewinnt man nicht sofort jedes Match. Es kommt immer auf das Können an.

Bleiben wir beim Thema ausprobieren: Wie schwierig ist es, Spiele zu entwickeln, wenn es keinen typischen Spieler mehr gibt.

Kosche Das ist eine Herausforderung. Jeder zweite Deutsche spielt ein Computerspiel. Das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren und viele Spieler sind über 50 Jahre alt. Spiele sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit „Command & Conquer“-Rivals, an dem wir arbeiten, sprechen wir beispielsweise auch eine ältere Zielgruppe an, die nun das bekannte Spiel aus ihrer Jugend auf einem Smartphone genießen kann. Jüngere Spieler lernen dagegen eine bewährte Marke aus der Vergangenheit kennen. Das heißt für uns, etwas auszuprobieren.

Wann ist ein Spiel gut?

Kosche Wir haben bei Electronic Arts eine Ecke, in der wir gemeinsam spielen können. Und wenn wir im Team bei einem Spiel Spaß und Freude haben, dann weiß ich, dass das Spiel gut ist. Noch wichtiger ist aber, dass der Funke überspringt und die Fans es auch gut finden. Dann wird es automatisch ein Erfolg.

Was ist momentan ihr Lieblingsspiel?

Kosche Momentan ist es noch Battlefield 1, aber im Oktober kommt ja Battlefield V heraus.

Und was war ihr erstes Computerspiel?

Kosche Das weiß ich nicht mehr genau. Aber die Spiele, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, waren tatsächlich die Spiele der „Command & Conquer“-Reihe.

Was ist das Besondere an der Gamescom in Köln?

Kosche Die Messe ist ein großer Schmelztiegel. Hier kommen Spieler, Entwickler, Handelspartner und Influencer, beispielsweise Youtuber, zusammen. Es ist ein Vierklang, den es nirgendwo sonst gibt und der aus der Messe etwas Besonderes macht.

Ludwig Jovanovic führte das Gespräch

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