Wie sich Computerspieler kreativ austoben Ballett statt Ballern

Duisburg · Ritterburgen aus Lego bauen? Von wegen. Heute schichten Eltern und Kinder etwa in "Minecraft" virtuelle Bauklötze. Denn viele Computer- und Videospiele setzen auf die Kreativität der Zocker - mit überraschenden Ergebnissen.

Bei diesen Games ist Kreativität gefragt
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Es hat keine Handlung, keine lustigen Charaktere und eine fürchterliche Grafik - und doch ist "Minecraft" einer der größten Spielehits der vergangenen Jahre. Zahlreiche Nutzer bauen in der virtuellen Klötzchenwelt Burgen, Raumschiffe oder ganze Städte.

Alleine auf dem PC hat sich der virtuelle Sandkasten nach Angaben von Entwickler Mojang über 13 Millionen Mal verkauft, die erfolgreichen Versionen für mobile Systeme und Xbox 360 noch nicht mitgerechnet.

Und "Minecraft" ist längst nicht das einzige Spiel, das die Kreativität der Zocker gezielt anspricht. Von Sony gibt es zum Beispiel "Little Big Planet", in dem der Nutzer mit einem simplen Editor neue Spielwelten baut, die er mit anderen Gamern teilt. Ganz ähnlich soll auch Microsofts "Project Spark" funktionieren, das in naher Zukunft für den PC und die Xbox-Konsolen One und 360 erscheint.

Selbst Spiele bei denen die Kreativität nicht im Mittelpunkt steht, bringen häufig Level-Editoren mit, mit denen Nutzer zum Beispiel neue Rennstrecken oder Schlachtfelder bauen können. Damit ist erstaunlich viel möglich. "Heute haben Sie als Spieler oft die Werkzeuge, die auch die Spieleentwickler nutzen", sagt Prof. Maic Masuch, der die Arbeitsgruppe Entertainment Computing an der Universität Duisburg-Essen leitet.

"Die Leute sind einfach gerne kreativ", erklärt Masuch den Trend zu Spielen Marke Eigenbau. "Früher hat man mit Kastanien gebastelt, heute eben mit Minecraft-Klötzchen." Für die Entwickler haben die Kreativspiele auch einen wirtschaftlichen Nutzen. Erstens verlängern sie die Lebensdauer der Spiele, weil ständig Nachschub in Form neuer Level anrollt. Und zweitens senken sie die Entwicklungskosten: "Die Generierung von Content ist sehr teuer, das wird einfach auf die Nutzer ausgelagert", sagt Masuch.

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Zocker toben sich aber auch abseits der Pfade aus, die Entwickler für sie angelegt haben. Kenner sprechen dann von Modifikationen oder kurz Mods, inoffizielle Zusatzprogramme, die die Funktionsweise von Spielen erweitern oder verändern. Ein häufig modifiziertes Game ist zum Beispiel das Riesen-Rollenspiel "The Elder Scrolls 5: Skyrim".

Dabei reicht das Spektrum der Mods von kleinen Komfortverbesserungen bis hin zu großen Add-ons mit neuen Geschichten und Gebieten für die Spielwelt. Über Zusatzprogramme wie den eingebauten Workshop der Downloadplattform Steam lassen sich die kostenlosen Mods auch für Anfänger leicht aufspielen und entfernen.

Aus den Mods können irgendwann sogar eigene Spiele werden. "Counter-Strike", einer der bekanntesten Shooter, war zum Beispiel mal eine Mod für "Half-Life". Und auch "Defense of the Ancients", Vorreiter beliebter Taktikspiele wie "League of Legends", begann seine Karriere als Mod für "Warcraft 3". Solche umfangreichen Erweiterungen erfordern allerdings einiges an Programmierkenntnissen.

Kreativer Umgang mit Computerspielen kann aber auch simpel sein, sagt Andreas Hedrich von der Initiative Creative Gaming, die dazu unter anderem Workshops an Schulen anbietet: "Wenn jemand schon gespielt hat, ist die Einstiegshürde sehr gering."

Als Beispiel nennt er Ballett im Ballerspiel: Dabei schießen die Spieler im Multiplayer-Modus eines Shooters zur Abwechslung nicht aufeinander, sondern tanzen stattdessen nach einer einstudierten Choreographie zu Musik; und fertig ist das witzige, mit der Hilfe eines Spiels realisierte Video. Solche Filme werden auch Machinima genannt, ein Kunstwort aus den englischen Worten machine und cinema.

Besonders gut gelingen solche Clips zum Beispiel mit der Lebenssimulation "Die Sims": "Viele Tools dafür sind schon im Spiel vorhanden", sagt Hedrich. Anderswo muss etwa die Kamerafunktion erst mit ein paar Tricks freigeschaltet werden. Wer will, kann die Animationsfilme sogar mit Musik und Sprache vertonen. "Richtig aufwendige Machinimas sind eine Riesenarbeit", sagt Hedrich.

Ebenfalls mit Videos, sonst aber ganz anders, funktioniert ein sogenannter Let's Play. Dabei filmen sich zockende Spieler selbst, kommentieren ihre Erlebnisse und stellen das ganze ins Netz. Dort werden die Videos dann oft tausendfach angeklickt.

"Die bekanntesten Let's-Play-Macher sind richtige Stars", sagt Andreas Hedrich. "Für viele ist es eine Form der Entspannung, anderen beim Spielen zuzuschauen." Viele Spieleinteressierte haben so die Möglichkeit, Spiele und Genres zu erleben, mit denen sie sich nicht so gut auskennen.

(dpa)
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