"Hitman: Absolution" im Spiele-Test Action für den Kopf

Düsseldorf · Mehr als sechs Jahre ließen sich der dänische Entwickler IO Interactive und Publisher Square Enix Zeit. Nun ist der neue Teil der Hitman-Reihe erschienen. Und das Warten hat sich gelohnt. Polarisierend ist das Spielprinzip aber geblieben.

Mut — das zeichnet den neuesten Teil der Hitman-Reihe aus. Mut, weil der Protagonist, der glatzköpfige Auftragsmörder (Hitman) mit der Nummer 47, die Agency verrät und sich gegen die Organisation stellt. Mut, weil Square Enix ein Action-Spiel herausgebracht hat, das so gar nicht in die "Medal of Duty"-Welt der schnellen Shooter mit schlauchartigen Leveln passt, in denen man nur noch reagieren muss. Hitman fordert den Kopf, um in der freien Spielewelt den richtigen Weg zu finden. Und davon gibt es mehr als einen. 20 zusammenhängende Episoden bietet das Spiel, die sich auf mehrere Segmente mit überaus gelungenem Leveldesign verteilen. Meist muss dabei eine Zielperson gefunden, belauscht oder aus dem Weg geräumt werden. Was einfach klingt, entpuppt sich bereits in der Schwierigkeitsstufe "Normal" als alles andere als leicht. Man kann mit gezückten Waffen versuchen, sich durchzukämpfen. Angesichts der Masse der Gegner, die sich zudem nicht ganz so dumm anstellen, ist das aber nicht die beste Lösung. Vor allem ist es eine, für die man kaum Punkte erhält, um zusätzliche Fähigkeiten freizuschalten.

Viele Wege führen zum Ziel

Wer es indes schafft, das Ziel zu erreichen, ohne Unbeteiligte verletzt zu haben, ohne aufgefallen und in einen Kampf verwickelt worden zu sein, bekommt dafür einen Bonus. Das Spiel belohnt die Spieler, die Geduld haben, beobachten und elegante Wege finden, um voranzukommen: Man schleicht um Wachen herum, bis man einen Koch oder einen Hausmeister findet, der gerade alleine ist. Den kann man niederschlagen, den Bewusstlosen verstecken, alle Spuren verwischen — und sich verkleiden. Das ist zwar immer noch keine Garantie, nicht entdeckt zu werden, erhöht aber zumindest die Chancen — wenn man bei einem Verdacht schnell genug eine Möglichkeit findet, sich unauffällig zu benehmen. Einen Königsweg gibt es aber nicht. Das Spiel bietet mehrere Wege, um unerkannt zum Ziel zu kommen — auch ohne Verkleidung. In einem Level beispielsweise kann man durch eine Explosion einen Drogenkönig erledigen. Oder aber man vergiftet heimlich den "Stoff" des selbst süchtigen Gangsterbosses. Bis man das aber herausfindet, muss man mehrere Anläufe starten. Dafür aber belohnt das Spiel dieses Trial-and-Error-Vorgehen und die intelligenteren Lösungen mit hohen Punktwertungen.

Grafisch kann das eher düstere, bisweilen sarkastische Spiel durchaus beeindrucken und mit stimmungsvollen Lichteffekten punkten. Das trägt zur dichten Atmosphäre bei. Wie auch der Sound: Überfüllte Plätze wirken tatsächlich voller Leben, wenn man im Klanggewirr verschiedener Stimmen ab und zu einen verständlichen Satz heraushört. Auch bei der Steuerung hat Entwickler IO Interactive im Vergleich zu den Vorgängern etwas Feintuning betrieben. Nichts, von dem, was Nummer 47 tut, wirkt fremd oder aufgesetzt. Ob er nun in Deckung geht, aus einem Fenster klettert oder jemanden niederschlägt — die Bewegungen und Aktionen wirken stimmig und in sich konsistent. Das Einzige, was nicht ganz gelungen ist: wenn der Hitman in Verkleidung auffällt und schnell jeden Verdacht zerstreuen muss. Da zieht er dann eine Mütze tiefer ins Gesicht und geht unauffällig um die Ecke. Sorry, aber das wirkt dann etwas sehr aufgesetzt und wenig glaubwürdig. Und dass ein Polizist nicht jeden anderen Beamten kennen kann, nimmt man dem Spiel noch ab. Wenn man aber in einem Haus als Koch verkleidet unterwegs ist, sollte zumindest einer Wache auffallen, dass der Küchenchef sich von einer Minute zur anderen irgendwie verändert hat — vor allem, wenn sie zuvor noch miteinander geredet haben.

Hoher Wiederspielwert

Den Spielfluss stört das zwar nicht, aber da hätte man sich doch etwas mehr Realismus gewünscht. Doch auch so ist der Schwierigkeitsgrad bei "Normal" bereits hoch. Wer eine noch größere Herausforderung sucht, kann das entsprechend einstellen: Dann patrouillieren mehr Wachen — auch an Stellen, an denen man bei "Normal" noch ohne Probleme vorbei kam. Zudem reagieren die Gegner schneller und lassen sich nicht mehr so leicht hereinlegen. Das erhöht den Wiederspielwert. Wer nach dem Ende des Spiels zudem weitere Aufgaben sucht, wählt den Contracs-Online-Modus: Da können andere Spieler weltweit in den verschiedenen Leveln des Spiels neue Aufträge samt zu erfüllender Bedingungen kreieren, in denen man sich bewähren kann.

Und wo ist die Action? In den Zwischensequenzen und dort, wo das Spiel explizit erwartet, dass man sich den Weg freikämpft. Oder an den Stellen, an sein Ziel erreicht hat und es in bester Tarantino- und Rodriguez-Manier aus dem Weg räumt. Das sind die Momente, an denen das Spiel polarisiert und die der Grund sind, warum es erst ab 18 freigegeben ist: Egal, wie intelligent und gewaltfrei man die Level meistert, am Ende spielt man einen Hitman — der allerdings in Absolution nicht kaltblütig ist, sondern eher an "Leon, der Profi" erinnert. Er sagt sich von der Agency los, um sich um die Tochter einer alten Bekannten zu kümmern — bevor auch sie in die Hände der skrupellosen Ärzte gerät, die aus Nummer 47 den Mann ohne Namen gemacht haben. Zugegeben, die Story wirkt etwas sehr bemüht und ist sicher nicht die originellste Geschichte. Dafür wird sie düster erzählt und wartet mit einigen Überraschungen auf wie den Saints: eine Gruppe von weiblichen Profi-Killern, die als Nonnen verkleidet Jagd auf den Hitman machen. Quentin Tarantino und Robert Rodriguez hätten daran ihre hellste Freude.

Die Wertung

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