:) Eine kurze Geschichte des Smileys

Während mancher mit dem Smiley bis heute Millionen scheffelt, verdiente sein Erfinder damit nur 45 Dollar. Er nahm es mit einem Lächeln. Eine kurze Geschichte des Smileys.

Der Vater des Smileys: Harvey Ball (Archivfoto von 1998).

Der Vater des Smileys: Harvey Ball (Archivfoto von 1998).

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS/PAUL CONNORS

Nasen sind überbewertet. „Punkt, Punkt, Komma, Strich“ heißt die Mal-Anleitung für ein Gesicht – doch eine Nase braucht es nicht.

Man denke nur an den knuffigen Gesichtsausdruck der klassischen Lego-Männchen zwischen Raubritterburgen, Reiterhöfen und Raumstationen. Auch beim Tippen siegt meist die Ökonomie: Weshalb :-) nutzen, wenn :) genau so viel aussagt? Doch Smileys von Hand tippen muss ja längst ohnehin niemand mehr. Und das ist das vielleicht gewichtigste Indiz: auch die 1999 in Japan erfundenen „Emojis“ kommen bei Whatsapp und Co. ohne Nase aus. Selbst das Naseputz-Gesicht hat zwar ein Taschentuch, aber keine Nase. Die einzige Ausnahme, das Pinocchio-Pixelgesicht mit der Riesen-Nase, gilt als missratenes Experiment. „Das Beste ist, wir ignorieren dieses Emoji, bis Apple ihm den Gnadenschuss gibt“, urteilte dazu ein Reporter des Tech-Blogs „The Verge“.

All diese Smileys haben einen gemeinsamen - natürlich ebenfalls nasenlosen - Urahn, und der ist dem miesen Betriebsklima zu verdanken, das 1963 bei einer großen Versicherung in Worcester bei Boston an der US-Ostküste herrschte. Die State Mutual Life Assurance Company hatte gerade für viel Geld den Konkurrenten Guarantee Mutual übernommen; entsprechend groß war die Angst vor Sparmaßnahmen wie einer Entlassungswelle. Um die Angestellten aufzuheitern, beauftragte man den örtlichen Grafikdesigner Harvey Ross Ball. Der Legende nach brauchte der keine zehn Minuten für seinen Entwurf, der seitdem aus der Popkultur nicht wegzudenken ist: In einen herrlich sonnengelben, schwarz umrandeten Kreis malte er zwei kleine, leicht ovale Augen und dazu das ultimative, für jeden Menschen verständliche Chiffre für Freundlichkeit: ein Lächeln.

  

 

Foto: TheSmileBookShop.com/Norman Cook & Mark Vessey

Und was für eins! In seiner minimalen Asymmetrie wirkt es natürlich, wahrhaftig, und vor allem unheimlich ansteckend. Mancher versteht den Smiley als großen Bruder der vornehm subtilen Mona Lisa. Ball stellt der Versicherung damals 45 Dollar in Rechnung, was einem heutigen Wert von etwa 300 Euro entspricht. Die Versicherung ist happy, der Zeichner ist es auch – und wendet sich dem nächsten Auftrag zu. Auf die Idee, das Design rechtlich schützen lassen, kommt er nicht.

Balls Geniestreich ist die Krönung eines Designprozesses, die, wenn man so will, spätestens um 1700 vor Christus begann, als Künstler vom Volk der Hethiter im heutigen Anatolien einen Krug mit einem großen, aufs Wesentliche reduzierten Gesicht bemalten. Es folgten tschechische Äbte und slowakische Notare, Star-Regisseur Ingmar Bergman und die Radio-DJs „WMCA Good Guys“ in New York City. Die druckten schon 1962, also ein Jahr vor Ball, einen schwarzen Smiley auf gelbe Fan-T-Shirts, doch ihm fehlte schlicht das gewisse Etwas.

Der Smiley als solcher jedenfalls traf einen Nerv; die Brüder Bernard und Murray Spain verkauften in den nächsten Jahren 50 Millionen Buttons mit einer perfekt symmetrischen Variante, dazu T-Shirts, Tassen und so weiter. Die Punkband Dead Kennedys zierte 1979 das Cover ihrer satirischen Single „California über alles“ mit dem Foto einer Nazi-Massenveranstaltung - mit Smileys anstelle von Hakenkreuzen.

1982 erfand der Informatiker Scott Fahlman, wonach unter anderem Wladimir Nabokow vergeblich gesucht hatte: Die maschinelle Entsprechung des mit der Hand schnell mal hingekritzelten Smileys, eben das :-). Mit Nase. Vor knapp drei Jahrzehnten hatte man noch Zeit für solchen unerhörten Luxus.

Ein Smiley ohne Nase, aber dafür mit X-förmigen Augen und heraushängender Zunge grinste in den Neunzigerjahren von hunderttausenden Nirvana-Fan-Shirts. Und aus der Rave-Szene ist das Symbol schon deshalb nicht wegzudenken, weil es in unzählige Pillen geprägt wurde und wird. Bis heute wird der Smiley tagtäglich verwendet, auf unzählige Arten abgewandelt oder schlicht in neue Kontexte gestellt, etwa von Street-Art-Ikone Banksy, der damit Graffiti schwerbewaffneter Polizisten oder gleich des Sensenmanns verziert.

In der Pandemie erfährt der Smiley eine neue Welle der Popularität. In vielen Schau-, Büro- und Küchenfenstern klebt ein Lächeln, das den erzwungenen Verzicht auf die echte Mimik unserer Mitmenschen wenigstens etwas erträglicher macht. Und knapp 400 Menschen aus aller Welt finanzierten mit insgesamt 15.000 Euro den Druck des Foto-Buchs „Sm;)e“. Darin dokumentieren die Künstler Rich Browd und DB Burkeman alias DJ DB die Geschichte des Strahlemanns, die sie in den vergangenen Jahren erforscht hatten. Das Ergebnis: 60 Seiten Sonnenschein (www.thesmilebookshop.com; 32 Euro inkl. Versand).

Doch nicht alles ist Friede, Freude, Eierkuchen. Das “Wall Street Journal” schreibt von einem „schockierend riesigen Geschäft“ mit dem Smiley. Gemeint ist die Firma „The Smiley Company“, die das Logo in mehr als 100 Ländern rechtlich geschützt hat. Firmenchef Nicolas Loufrani schwärmte vor der Pandemie von knapp 300 Lizenznehmern. Der Umsatz mit Smiley-Kleidung und -Spielzeug betrage knapp 400 Millionen US-Dollar. Gegründet hatte die Firma sein Vater Franklin Loufrani, der seine Version des Smileys ursprünglich genutzt hatte, um auf gute Nachrichten in der Zeitung “France Soir” hinzuweisen. So viel Geld steht auf dem Spiel, das sich die Firma mit dem US-Handelsriesen Wal-Mart einen Rechtsstreit lieferte, der erst 2010 nach zehn Jahren endete - mit einem Vergleich, dessen Inhalt geheim blieb.

  

  

Foto: TheSmileBookShop.com/DB Burkeman & Rich Browd

Vielen Lego-Männchen ist das für die ersten knapp 1000 verschiedenen Figuren noch alternativlose Lächeln längst vergangen. Inzwischen gibt es hunderte Gesichtsausdrücke. Von manchen der Plastikköpfchen prangt nach wie vor das altbekannte Lächeln, teils in Kombination mit Brille, Sonnenbrille, Sommersprossen oder Haaransatz. Einige grinsen oder lachen auch besonders herzlich. Sehr viele aber schauen traurig, entsetzt oder grimmig.

So hätte auch Harvey Ball enden können, doch der ließ sich die gute Laune nicht davon verderben, dass er die Gelegenheit verpasste, womöglich Millionen zu verdienen. „Er war kein von Geld getriebener Typ“, hat sein Sohn Charles einmal erklärt. “Er sagte immer: ‚Hey, ich kann doch eh nicht mehr als ein Steak essen oder mehr als ein Auto fahren.’“ Stattdessen gründete Ball die Welt-Lächel-Stiftung („Die zweite gute Idee, die ich je hatte!“). Die gemeinnützige Organisation erinnert insbesondere zum World Smile Day am ersten Freitag im Oktober daran, wie leicht es ist, die Welt ein Stück besser zu machen: „Tu eine gute Tat – bring jemanden zum Lächeln.”

Als Harvey Ross Ball am 12. April 2001 starb, hinterließ er seine Frau Winifred, vier Kinder, sieben Enkel und zwei Urenkel. Sowie natürlich die Mutter aller Smileys, die auch an diesem Tag ihr Lächeln nicht verlor. Und raten Sie mal, was seinen ansonsten schlichten schwarzen Grabstein ziert.

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