RP Plus Die verschwundenen Kinder von NRW

Düsseldorf (RPO). 1900 Kinder werden jährlich in NRW als vermisst gemeldet. Jedes Mal beginnt für die Eltern ein Alptraum: Wurde das Kind Opfer eines Gewaltverbrechens? Wurde es verschleppt? Viele Kinder werden irgendwann gefunden – andere bleiben jedoch für immer verschwunden. Wie der elfjährige Emin Ö., der nach dem Fußballspielen nicht mehr nach Hause kam. Seitdem schwindet die Hoffnung der Eltern, ihren Sohn wiederzusehen, von Tag zu Tag.

NRW: Diese Kinder werden seit Jahren vermisst
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Diese Kinder werden in NRW vermisst

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Düsseldorf (RPO). 1900 Kinder werden jährlich in NRW als vermisst gemeldet. Jedes Mal beginnt für die Eltern ein Alptraum: Wurde das Kind Opfer eines Gewaltverbrechens? Wurde es verschleppt? Viele Kinder werden irgendwann gefunden — andere bleiben jedoch für immer verschwunden. Wie der elfjährige Emin Ö., der nach dem Fußballspielen nicht mehr nach Hause kam. Seitdem schwindet die Hoffnung der Eltern, ihren Sohn wiederzusehen, von Tag zu Tag.

Der Fall Emin ist kein Einzelfall. 1917 Kinder und 10764 Jugendliche sind im vergangenen Jahr spurlos verschwunden. Die meisten von ihnen kehren irgendwann zurück, so wie der 14-jährige Junge aus Düren, der eines Tages spurlos von zu Hause verschwand. Die Eltern riefen voller Panik die Polizei, die wochenlang nach dem Jungen fahndete — erfolglos. Nach zwei Monaten dann die Überraschung: Der Junge tauchte unversehrt wieder auf. Sein Plan, von zu Hause abzuhauen und in einer französischen Fremdenlegion anzuheuern, war gescheitert. Die Eltern schlossen den verlorenen Sohn erleichtert in die Arme.

Doch nicht immer endet die Ausreißer-Geschichte mit einem Happy End. Zum heutigen Tag werden in Nordrhein-Westfalen sieben Kinder langzeitvermisst — teilweise bereits seit vielen Jahren. Abschließen kann niemand mit den Fällen. Die Polizei kann die Akte nicht schließen, bevor das Schicksal des Kindes nicht eindeutig geklärt ist. Und die Eltern können sich niemals damit abfinden, dass ihr Kind für immer aus ihrem Leben verschwunden ist. "Man kann Eltern nicht sagen: Jetzt schließe damit ab", sagt der Düsseldorfer Peter Jamin, Organisator eines Vermissten-Telefons und Buchautor zum Thema Vermisste. Zu stark sei der Schmerz der Angehörigen, zu stark die Hoffnung, irgendwann doch noch ein Lebenszeichen der geliebten Tochter oder des geliebten Sohnes zu finden.

Der Fall Katrice

Das schlechte Gewissen wird sie nie verlassen. Hätte sie das Unglück verhindern können? Hat sie nicht gut genug auf das kleine Mädchen aufgepasst? An einem Novembermorgen steht ihre Tante an der Kasse eines Paderborner Supermarktes, als die kleine Katrice L. aus dem Geschäft plötzlich spurlos verschwindet. Es ist ihr zweiter Geburtstag. Nichts hatte vorher auf das schreckliche Unglück hingewiesen. Es ist der 28. November 1981, als Katrice mit Mutter und Tante in den Supermarkt in Schloss-Neuhaus bei Paderborn geht, um Zutaten für die Geburstagsfeier am Nachmittag zu kaufen. Von der Kaserne, in der ihr Vater als britischer Soldat stationiert ist, haben sie es nicht weit. Sie sind schon an der Kasse, als es passiert: Mutter Sharon fällt ein, dass sie die Chips für die Geburtstagsparty vergessen hat. Schnell bittet sie Tante Wendy, auf ihre Tochter aufzupassen und geht ein paar Regale zurück.

Als sie mit den Chips zurückkommt, ist Katrice weg. Tante Wendy ist verdutzt — schließlich war sie davon ausgegangen, dass das Mädchen seiner Mutter auf der Suche nach den Chips gefolgt sei. Doch Mutter und Tante wissen: Katrice kann nicht weit weg sein. Die Türen sind geschlossen und öffnen sich nur nach Innen, die Türgriffe sind für ein Mädchen ihrer Größe unerreichbar. Beide machen sich auf die Suche nach dem Geburstagskind. Sie befragen andere Kunden, lassen das Mädchen ausrufen. Aber Katrice bleibt wie vom Erdboden verschluckt.

Heute sind es bald 30 Jahre her, dass Sharon ihre Tochter mit den langen lockigen Haaren und den großen braunen Augen das letzte Mal gesehen hat. Alle Suchmaßnahmen waren erfolglos. Hinweise, dass das Mädchen in der nahegelegenen Lippe ertrunken sein könnte, erwiesen sich als unwahrscheinlich. Die Familie gibt nicht auf, nach ihr zu suchen. Denn Vater und Mutter sind überzeugt davon, dass das kleine Mädchen gekidnappt wurde. Und dass es eine Chance gibt, ihre Tochter irgendwann wieder in die Arme zu schließen. Darum setzten sie alles in Bewegung, um Katrice wiederzufinden: Die deutsche Polizei startete eine großangelegte Suchaktion, das britische Militär begann eigene Recherchen. Sogar die britischen Medien machten die Öffentlichkeit auf den Fall aufmerksam.

Heute weiß Sharon, die nie sehen durfte, wie ihre Tochter erwachsen wurde, dass sie nicht mehr nach dem zweijährigen Mädchen von damals suchen. Auf den Plakaten, die die Familie noch immer verteilt, ist darum neben dem Kinderfoto eine Simulation abgebildet, wie Katrice heute als 31-jährige Frau aussehen könnte.

Ihre Hoffnung stützt die Familie auf zwei Erkennungszeichen: Katrice hatte ein leicht schielendes linkes Auge und einen "Storchenbiss" - den gleichen roten Hautfleck auf der linken Rückenseite wie ihre große Schwester Natasha. Diese war sieben Jahre alt, als ihre kleine Schwester verschwand. Und bis heute kämpft Natasha mit unerschütterlichem Optimismus darum, ihre Schwester lebend wiederzufinden. Jahr für Jahr lässt sie darum am Tag ihres Verschwindens im englischen Gosport einen Gasluftballon in den Himmel steigen. Die Aufschrift: "Katrice, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Von deiner großen Schwester Tash".

Der Fall Tanja M.

Es ist noch immer einer der spektakulärsten Vermisstenfälle Deutschlands. Bald 13 Jahre ist es her, dass die hübsche 15-jährige Gymnasiastin Tanja M. plötzlich spurlos verschwand. Seither hat es zahlreiche Hinweise gegeben — und dennoch stochert die Polizei auch nach so vielen Jahren im Nebel. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass das zierliche Mädchen mit den langen Haaren und den großen Rehaugen von zu Hause flüchten würde. Es ist der 21. Oktober 1998, als Tanja M. das Elternhaus in Wuppertal-Oberbarmen morgens verlässt, um mit dem Bus zum Gymnasium zu fahren. Doch dort kommt sie nie an.

Zuerst reagieren die Polizeibeamten routiniert, als die Eltern noch am selben Abend Vermisstenanzeige erstatten. Schließlich ist Tanja mit 15 Jahren kein kleines Mädchen mehr — immer wieder reißen Jugendliche aus, um wenig später zurückzukehren. Doch dann passiert etwas, das die Polizeibeamten bis heute beschäftigt: Im heimischen Briefkasten liegt Post von Tanja.

"Macht euch keine zu großen Sorgen (...) Ich brauche ein bißchen Abstand und werde mich nächste Woche noch einmal melden. Eure Tanja!"

steht handschriftlich in dem kurzen Brief. Später wird ein Gutachten bestätigen, dass es tatsächlich Tanjas Handschrift ist. Und ein Vergleich der Briefspuren mit der DNA an ihrer alten Zahnbürste wird bestätigen, dass Tanja diesen Brief berührt hat. Und er bringt aufgrund einer weiteren DNA die Erkenntnis, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht allein war. Doch Tanja kommt nicht. Stattdessen erreicht die Eltern einige Tage später ein weiterer Brief.

"Liebe Mama, lieber Papa, Ihr braucht euch noch immer keine Sorgen zu machen. Mir geht es gut und ich werde nun doch schon am nächsten Wochenende nach Hause kommen. Deshalb braucht ihr mich nicht zu suchen. Eure Tanja!"

Es ist das letzte Lebenszeichen, dass die verzweifelten Eltern bis heute von ihrer Tochter erhalten. Für die Polizei sind die Briefe noch immer ein ungeklärtes Rätsel: "Der Stil der Briefe ist sehr seltsam", sagt Alexander Kresta, Sprecher der Polizei Wuppertal. Ist Tanja dazu gedrängt worden, die Schreiben zu verfassen? Wurden sie vielleicht schon vor ihrem Verschwinden geschrieben und erst nachträglich abgeschickt?

"Es ist nicht einfach für eine 15-Jährige, spurlos von der Bildfläche zu verschwinden", sagt Kresta. Zumal Tanja am Gymnasium nie zuvor negativ aufgefallen war oder Kontakt ins Drogenmilieu hatte. Ihre schulischen Leistungen sind gut, sie verdient ihr Taschengeld mit Babysitten und besucht Tanzkurse. Ihr Traum ist es, später einmal in einem Musical mitzuspielen. Zuletzt hatte es ein paar Auseinandersetzungen mit den Eltern gegeben. Tanja fühlte sich als Einzelkind zu sehr von ihnen kontrolliert und verkündete, in eine betreute Wohngruppe für Jugendliche zu ziehen. Doch das Jugendamt erklärt, dass sie dort nicht aufgenommen werden kann.

Dann, mit dem Verschwinden von Tanja, bricht für ihre Eltern eine Welt zusammen. Tanjas Mutter kann nachts nicht mehr schlafen, sie wird für längere Zeit krankgeschrieben. Sie nimmt die Hilfe eines Psychologen in Anspruch, der Vater kritisiert die Arbeit der Polizei. Seiner Meinung nach haben die Beamten nicht genug getan, um seine Tochter zu finden. Wurde sie ins Rotlichtmilieu verschleppt? Ein Zeuge will Tanja in einem silbergrauen BMW zusammen mit zwei Pitbulls gesehen haben. Eine Spur, die ins Leere führte, wird die Polizei später erklären.

Die Beziehung der Eltern hat das Verschwinden der Tochter nicht überstanden. Vater und Mutter haben sich vor einigen Jahren getrennt. Beide konnten sich keinen Trost mehr spenden, die Erinnerungen an die gemeinsamen sorglosen Zeiten legten sich wie Blei über die Gegenwart. "Es ist keine Seltenheit, dass Beziehungen über solche Fälle zerbrechen", sagt Buchautor Jamin. In der Anfangsphase versuchen Freunde und Verwandte, den Angehörigen zu helfen.

Doch wenn sich nach Monaten noch immer alle Gedanken der Eltern um das vermisste Kind drehen, nehmen die Freunde irgendwann Abstand. "Dann wird es für die Eltern sehr schwer, mit dem Schmerz alleine klar zu kommen", sagt Jamin. Im Internet hat Tanjas Mutter ihren Gefühlen Ausdruck verliehen. Auf einer eigenen Homepage richtet sich Elsabeth M. an ihre vermisste Tochter:

"Immer wieder frage ich mich, wie es so kommen konnte. Die Antwort kannst jedoch nur Du mir geben. Das ist mein einziger und sehnlichster Wunsch: Von Dir alles zu hören, was Du durchgemacht hast, was Dich bewogen hat, wegzugehen, was Du mir vorwirfst und ob Du mir verzeihen kannst. (…) Ich bin nicht mehr mit Papa verheiratet (…). Wenn du den Weg nur zu mir finden möchtest, dem steht nichts im Wege. Eines möchte ich Dir noch sagen: Du brauchst Dich für nichts zu schämen und vor nichts mehr Angst haben. Wenn einer sich schämen muss, dann bin ich es. Weil ich nicht merkte, wie es Dir ging."

Der Fall Emin Ö.

In dieser Woche ist es genau acht Jahre her, dass der kleine Emin verschwand. Der 16. Mai war ein sonniger Sonntag, wie so oft ging Emin Ö. zum Fußballspielen mit seinen Freunden. Vor dem Pfarrhaus in Kerpen-Buir wird er das letzte Mal gesehen. Doch seine Freunde warten vergeblich auf dem Fußballplatz auf ihn, auch die Eltern wundern sich, als ihr Sohn am Abend nicht nach Hause kommt. Sie alarmieren die Polizei, sprechen mit den Nachbarn.

Die Polizei geht davon aus, dass jemand den Jungen gekidnappt haben muss. Im Gegensatz zu älteren vermissten Jugendlichen, bei denen die Polizei erst nach 24 Stunden eine großflächige Fahndung einleitet, reagieren die Beamten bei Emin sofort und suchen mit einem Hubschrauber die Gegend ab. Emin bleibt verschwunden.

Heute, acht Jahre später, glauben die Eltern noch immer, ihren Sohn eines Tages wiedersehen zu können. "Es vergeht kein Tag, an dem wir zuhause nicht über Emin reden", sagt sein Bruder Firaz. Er ist das jüngste von acht Kindern der Familie und will sich nicht damit abfinden, seinen Bruder nie mehr wiederzusehen.

Einmal gab es schon Hoffnung, zumindest Gewissheit über sein Schicksal zu erhalten. Die Polizei rief an und erklärte, am Frankfurter Hauptbahnhof sei ein toter Junge gefunden worden, der Ähnlichkeiten mit Emin habe. Die Eltern, Ömer und Feride Ö., fuhren nach Frankfurt, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um ihren Jungen handeln könnte. Tatsächlich, bestätigte Feride, sah der Leichnam ihrem Sohn ähnlich. Aber ein DNS-Vergleich räumte diese Möglichkeit aus.

In der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" wurde vor wenigen Wochen erneut über den Fall berichtet. Die Polizei macht der Familie wenig Hoffnung. "Wir gehen von einem Gewaltverbrechen aus", sagt Polizeisprecher Anton Hamacher. Doch die Familie weigert sich, den Fall abzuschließen. Sie hofft weiter, Emin eines Tages zu finden.

Der Fall Debbie

Die Eltern der achtjährigen Deborah Sassen werden den 13. Februar 1996 nie vergessen. An dem nasskalten Dienstag zieht sich Debbie für die Schule ihre rote Strumpfhose mit Blümchenmuster und einen roten Rock an und setzt sich ihren bunten Scout-Ranzen auf. Dann macht sie sich wie jeden Morgen auf den Weg zur Schule. Doch von dort soll sie nie zurückkommen. Irgendwo auf dem rund einen Kilometer langen Weg zwischen der Henri-Dunant-Schule in Düsseldorf-Wersten und ihrem Zuhause verschwindet Debbie spurlos. Bis heute gibt es kein Lebenszeichen von ihr.

Dabei haben Eltern und Polizei alles Menschenmögliche versucht, das kleine Mädchen zu finden: Als seine Tochter 40 Minuten nach Schulschluss noch nicht zu Hause ist, ruft Stiefvater Jürgen die Polizei. Mehrere Hundertschaften durchsuchen die Gegend und tauchen im Buga-See.

Die eigens für Debbie gegründete Ermittlungskommission weigert sich, von einer Mordkommission zu sprechen. "Das war so ein Hoffnungs-Ding", erinnert sich Soko-Chef Dietmar Wixfort. Die Ermittler gehen jedem Hinweis nach: Ein anonymer Briefeschreiber behauptet, Debbies Mörder habe ihm erzählt, dass er die Leiche im Halterner Stausee versenkt habe. Kurze Zeit hoffen die Eltern, Klarheit über das Schicksal ihrer Tochter zu erhalten. Dann stellt sich heraus, dass der Briefeschreiber lediglich ein wichtigtuerischer Theologiestudent ist. Er muss die Kosten des Polizeieinsatzes bezahlen.

Jahre später gibt es eine neue Spur: Journalisten aus Berlin hatten im Internet unter dem Namen "Deborah" Fotos eines missbrauchten Mädchens gefunden. Die Mutter bestätigt beim Blick auf die Bilder: "Das ist meine Tochter." Doch die Polizei stellt bei ihren weiteren Ermittlungen fest, dass die Fotos bereits aus dem Jahr 1977 stammten.

Die Familie zerbricht an dem Schicksalsschlag. Anita, Debbies große Schwester, nimmt sich drei Jahre später im Alter von 19 Jahren das Leben. Die Mutter ahnt, dass sie ihre damals achtjährige Tochter Debbie mehrere Jahre später wahrscheinlich gar nicht mehr wiedererkennen würde. Sie ist aus Düsseldorf fortgezogen, lebt heute mit ihren beiden jüngsten Kindern an der Ostsee.

Jetzt, 15 Jahre nach ihrem Verschwinden, gibt es vielleicht doch noch Hoffnung, Debbies Verschwinden aufzuklären. Denn kurz nach ihrem Verschwinden 1996 wurde die Leiche eines anderen Mädchens in Grevenbroich gefunden. Räumliche und zeitliche Nähe legten Parallelen zwischen den beiden Fällen nahe. Claudia Ruf war am 11. Mai 1996 bei einem Spaziergang mit dem Hund verschwunden, ihre verbrannte Leiche wurde einige Tage später bei Oberwichterich entdeckt.

Jahrelang ermittelte die Polizei erfolglos — doch inzwischen steht die Kommission kurz vor einem möglichen Durchbruch: Nachdem fremde DNA-Spuren am Fundort der Leiche sichergestellt worden waren, hat die Polizei einen Massen-Gentest angeordnet. 346 Männer gaben bei einem Speicheltest ihre DNA ab. Momentan wartet die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach auf die Auswertung der letzten Speichelproben. Wird Claudias Mörder gefunden, so die Hoffnung der Polizei, klärt sich vielleicht auch Debbies Schicksal.

Der Fall Sandra

Am Tag ihres Verschwindens war sie elf Jahre alt. Es war ein ganz normaler Sommermorgen in Dortmund, als Sandra N. gemeinsam mit ihrer Mutter zur Schule ging. Am gleichen Tag verschwand das Mädchen für immer. Dabei hatte die Mutter sie am Nachmittag noch kurz gesehen: Sandra besuchte sie auf der Arbeitsstelle um zu fragen, ob sie sich ein Eis kaufen dürfe. Es war das letzte Mal, dass ihre Mutter sie sah. Die polizeiliche Suche blieb erfolglos: 66 Hinweise erreichte die Polizei, doch keiner von ihnen erwies sich als heiße Spur. Bis zum heutigen Tag ist das "Todesermittlungsverfahren" der Staatsanwaltschaft noch nicht eingestellt.

Neue Hotline für Angehörige

Sandra, Emin, Tanja, Katrice oder Debbie: Wenn ein Kind verschwindet, wird jede Minute in Ungewissheit für die Eltern zur Qual. Darum sei es besonders wichtig, dass Angehörige Ansprechpartner haben, an die sie sich wenden können, sagt der Düsseldorfer Buchautor Peter Jamin. Rund 2000 Betroffene hat er in den vergangenen Jahren an seinem Vermissten-Telefon betreut. Doch erste Anlaufstelle für Eltern sollten laut Jamin die Behörden sein. "Wer sich wegen eines vermissten Kindes an die Stadt wendet, läuft meistens ins Leere", sagt Jamin.

Der Autor des Buches "Vermisst — und manchmal Mord", das im Verlag Deutsche Polizeiliteratur erschienen ist, kritisiert die mangelhafte Betreuung Angehöriger von Vermissten durch die Kommunen. Bereits seit Jahren sieht eine EU-Verordnung vor, dass alle europäischen Mitgliedsstaaten eine Vermissten-Hotline einrichten müssen. Unter der Rufnummer 116000 sollen Angehörige von vermissten Kindern europaweit kostenlos Hilfe bekommen können. Erst auf massiven Druck aus Brüssel vergab die Bundesregierung die Nummer an die Bundesnetzagentur. In den nächsten Wochen soll die Rufnummer bundesweit erreichbar sein.

Manchmal, wenn die Eltern schon fast verzweifeln, löst sich das rätselhafte Verschwinden plötzlich wieder auf. Nachdem ein sechsjähriges Mädchen von den Eltern als vermisst gemeldet worden war, durchsuchte die Polizei das Gelände und überflog die Region mit einem Hubschrauber. Nach einigen Stunden dann die Entwarnung: Das Mädchen hatte sich beim Spielen versteckt und war darüber eingeschlafen.

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