RP Plus Die Macht der Allergien

Düsseldorf (RPO). Mit dem Frühling kommen die Pollen. Für viele Menschen beginnt dann eine wochenlange Leidenszeit. Allergien sind eine Geißel der Moderne. Wissenschaft und Medizin suchen im Kampf gegen Allergene nach neuen Mitteln.

Tipps für Pollenallergiker
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Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Der eine niest, der andere muss sich kratzen, der Dritte hält sich den wehen Bauch. Fragt man die alten Griechen, so wissen sie bei diesem Reizwort gleich Bescheid. "Allos”, die Wurzel des Wortes Allergie, meint das Fremde, Unbekannte. Als Allergie bezeichnen wir eine überempfindliche Reaktion des menschlichen Organismus auf Fremdlinge, also bestimmte Substanzen, die nicht im Körper selbst vorkommen. Bei einer Allergie werden sie Allergene genannt, die Stoffe selbst heißen Antigene.

Es gibt verschiedenste Arten von Allergien, doch eines haben alle gemeinsam: Sie basieren auf einer Abwehrreaktion des Immunsystems. Der Körper bekämpft für ihn fremde Stoffe und bildet Antikörper, obwohl es sich um für den Organismus harmlose Stoffe handelt. Zur Therapie von allergischen Reaktionen werden meistens Antihistamine in Medikamentenform eingesetzt. Histamin ist ein Hormon, das von unseren Abwehrzellen bei allergischen Reaktionen und Immunreaktionen (etwa gegen Nahrungsmittel) und Entzündungen ausgeschüttet werden kann. Aber auch etliche Nahrungsmittel sind histaminhaltig.

Die bekanntesten Allergene sind neben dem Blütenstaub — den berüchtigten Pollen — vor allem Bakterien und Insektengifte. Jeder Dritte leidet an einer Allergie — bei dem einen ist sie stark ausgeprägt, der andere leidet nur selten darunter. Nahrungsmittel, Medikamente, Milch, Staub und chemische Verbindungen können ebenfalls allergische Reaktionen auslösen. Es gibt auch Menschen, die auf Temperatur- und Höhenunterschiede, Lichteinflüsse, Farben und sogar psychische Eindrücke allergisch reagieren. Die Symptome einer Allergie zeigen sich vorwiegend an bestimmten Körperstellen, vor allem an der Haut, aber auch an den Bronchien und im Verdauungstrakt.

Allergie kann angeboren sein

Die Neigung, auf eine Substanz allergisch zu reagieren, kann angeboren, aber auch im späteren Leben erworben sein. Die genauen Zusammenhänge sind noch nicht exakt erforscht. Sicher ist aber, dass auch schon winzige Allergie auslösende Stoffe genügen können, um bedrohliche Reaktionen hervorzurufen. Es ist fraglos eine Schwachstelle der modernen Medizin, dass die Allergologie unter den schulmedizinischen Fächern nicht den allerhöchsten Stellenwert genießt und dementsprechend dubiosen Praktikern und Wunderheilern den Raum überlässt.

Da es eine Vielzahl an Allergien gibt, die sich alle anders zeigen können, gibt es kein einheitliches Krankheitsbild. Es können Entzündungen der Atemwege sein, asthmatische Anfälle, Hautprobleme wie Ekzeme und Flechten, Fieber oder Heuschnupfen. Hinzu kommen noch die berufsspezifischen Allergien. Gefürchtet sind unerwartbare Schnellreaktionen wie der anaphylaktische Schock, der eine echte Notfallsituation ist und nicht unterschätzt werden darf.

Der beste Schutz vor einer Allergie ist es, Kontakt mit dem Allergen zu vermeiden. Diese Therapie, die in der pollenfreien Zeit begonnen werden sollte, wird Hyposensibilisierung, Desensibilisierung oder auch spezifische Immuntherapie genannt. Ziel dieser Behandlung ist es, die Immunlage des Allergikers so zu verändern, dass Allergene wie beim Gesunden ohne Reaktion vertragen werden.

Hierzu werden dem Patienten kleinere Mengen von Allergieauslösern verabreicht, die vom Immunsystem noch toleriert werden, ohne dass eine erhebliche Allergiereaktion auftritt. Hierbei nimmt im Laufe der Anwendung die Empfindlichkeit gegenüber den Allergenen ab. Dieses Phänomen beruht nach neueren Untersuchungen auf einer Umorientierung der Immunfunktion. Der genaue Mechanismus ist allerdings auch hier bis heute nicht vollständig geklärt.

Es gibt zwei Methoden, die Allergieauslöser zu verabreichen: zum einen mit einer Injektion unter die Haut des Oberarmes, die zunächst wöchentlich und dann monatlich erfolgt. Andererseits mit Tropfen und neuerdings auch Tabletten, die unter der Zunge zergehen und durch die Schleimhaut aufgenommen werden. Der Patient sollte dabei einplanen, dass die Therapie langwierig sein wird und mindestens drei Jahre dauert.

Schwere Nebenwirkungen sind selten

Aus dem Therapieprinzip ergibt sich das Risiko einer solchen Behandlung. Da allergieauslösende Substanzen verabreicht werden, kann als Nebenwirkung all das auftreten, was durch Allergien ausgelöst werden kann — bis hin zum allergischen Schock. Schwere Nebenwirkungen sind jedoch äußerst selten, die Hyposensibilisierung zählt unter optimalen Bedingungen zu den sicheren Therapieformen ausgewählter allergischer Erkrankungen.

Nicht nur die Pollenallergie kann mit dieser speziellen Methode behandelt werden. Auch Allergien gegen Hausstaubmilben, Tierhaare, einzelne Schimmelpilze und Insektengifte sind therapierbar. Der Erfolg dieser Therapie ist dann am größten, wenn sie bereits in der Frühphase einer Allergie eingesetzt wird. Gebäck und auch sonstige Speisen, die vorzugweise zur Weihnachts- und Osterzeit gehören, enthalten oft allergene Zutaten. Besonders gilt das für Nüsse, Mandeln und Erdnüsse.

Bei kleineren Kindern liegt außerdem nicht selten eine Hühnerei- oder eine Kuhmilchallergie vor. Nicht nur diese Nahrungsmittel, die sich in Backwaren regelmäßig tummeln, sind Auslöser von Allergien — auch Gewürze sind hier sehr behilflich. Zu ihnen gehören die Gewürze Zimt, Nelke, Kardamom und Anis. Hiermit und mit den Nüssen und Erdnüssen ist oft eine Allergie gegenüber Pollen gepaart, so dass betroffene Menschen zudem unter Heuschnupfen-Beschwerden oder Asthma bronchiale in der Pollensaison leiden. Man geht davon aus, dass nahezu 60 Prozent der Pollenallergiker eine sogenannte Kreuzallergie mit Nüssen haben.

Nahrungsmittel-Allergien kommen bei ungefähr ein bis zwei Prozent der Erwachsenen und bei zwei bis fünf Prozent der Kinder vor. Als Reaktion auf die Aufnahme des Allergens können leichtere Symptome wie Jucken und Brennen im Mund auftreten. Es kann allerdings auch zu schweren oder gar lebensbedrohlichen Wirkungen bis hin zum Asthmaanfall, zum Zuschwellen des Rachens oder auch zum Allergieschock kommen.

Um diese Reaktionen zu vermeiden, ist es notwendig, das auslösende Allergen aufzuspüren. Dazu muss die Krankheitsgeschichte genau erfragt werden, und auch eventuellen Pollenallergien wird nachgegangen. Zusätzliche Informationen werden dann über Haut-Tests, den sogenannten Pricktests, gewonnen, bei dem Allergene in die oberen Hautschichten geritzt und die Reaktion der Haut beobachtet wird.

Oft ist ergänzend eine Bestimmung von (im Blut auf bestimmte Allergene reagierenden) Antikörpern, den IgE-Antikörper, erforderlich. Eine weitere diagnostische Methode ist die orale Nahrungsmittelprovokation, bei der die Patienten unter kontrollierten Bedingungen verdächtige Nahrungsmittel zu sich nehmen.

Leider existiert aktuell keine Therapie, durch die eine Nahrungsmittelallergie sicher beseitigt wird. Daher steht die Vermeidung der Allergene im Vordergrund. Kinder mit einer Allergie gegen Milch oder Eier müssen auf viele Backwaren und Süßspeisen verzichten. Für Nussallergiker sind hingegen nusshaltiges Gebäck, Nougat und Krokant tabu. Auch ist zu bedenken, dass Spuren von Nüssen in "nussfreier" Schokolade enthalten sein kann.

(RP Plus)
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